Schlachtbetrieb in Seestermühe führt neues System ein. Landwirte erhalten Prämien für fitte Tiere

Seestermühe. Wer zum Arzt geht, legt die Gesundheitskarte seiner Krankenkasse vor – wenn er sie denn schon besitzt. Darauf finden sich in verschlüsselter Form Daten des Patienten. Ziel ist es, durch die neue elektronische Gesundheitsakte schneller auf Untersuchungs- und Laborergebnisse zugreifen zu können und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Jetzt kommt die Gesundheitskarte auch für die Sau.

Unternehmer Jan-Peter Fülscher aus Seestermühe plant, die elektronische Akte in seinem Betrieb von Herbst an einzuführen. Mittels der neuen EDV sollen die Tierärzte, die die Schlachtung überwachen, ihre Befunde gleich eintragen und vor allem nachsehen können, welche Auffälligkeiten in der Vergangenheit während der Fleischbeschau bei den Tieren des jeweiligen Betriebes festgestellt wurden.

Damit ist Fülscher seiner Zeit voraus. Denn Pflicht ist die Akte laut dem Unternehmen in dieser Form bislang nicht. Seit Anfang der 60er existiert der Schlachtereibetrieb an der Dorfstraße, der von Fülschers Vater gegründet wurde. Heute arbeiten etwa 30 Angestellte in dem Unternehmen, das pro Woche 850 Schweine schlachtet und sie dann für Bedientheken oder Gastronomiebetriebe portioniert. „Es gibt hohe Anforderungen an moderne Schlachtbetriebe“, sagt Fülscher, der sich sehr darüber ärgern kann, wie schwarze Schafe gleich dem Image der ganzen Branche schaden.

Zuletzt war ein Schlachthof in Bad Bramstedt, der als einer der größten in Norddeutschland gilt, nach einer Kontrolle wegen des Verdachts der Tierquälerei und schwerer Hygienemängel geschlossen worden. Zudem sorgte eine Diskussion um die neue EU-Verordnung zur Fleischbeschau für Unruhe. Gucken, nicht anfassen: Seit Juni gilt die Regelung, die vorschreibt, auf das Abtasten und Anschneiden der geschlachteten Schweine zugunsten von mehr visuellen Prüfungen zu verzichten. Politiker, Verbraucherschützer und Tierärzte fürchten um die Lebensmittelhygiene, von Horrorbildern wie Abzessen in der Leberwurst und Salmonellen auf den ersten Blick war zu lesen.

Fülscher kann das nicht begreifen. „Die Fleischbeschau wird nur anders durchgeführt, sie ist deshalb nicht schlechter“, erläuterte er dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ernst Dieter Rossmann, der sich bei einem Besuch vor Ort über die Auswirkungen der EU-Verordnung schlau machte. Diskussionen wie diese würden Bemühungen besonders mittelständischer Betriebe, die Standards stetig zu verbessern, überschatten. „Die Qualitätssicherheit wurde seit Jahren ausgebaut. Wir hatten noch nie so eine hohe Lebensmittelsicherheit wie heute. Das ist nur niemanden bewusst“, so Fülscher.

Der Schlachtermeister geht mit gutem Beispiel voran. Muss er auch. Denn er setzt sich auf dem Markt durch, weil er für die Qualität garantiert. Das macht er, in dem er mit Landwirten aus der Region intensiv zusammenarbeitet, ihnen Prämien für gesunde Tiere zahlt, in individuellen Vereinbarungen zusätzliche Auflagen macht. Zudem wird ein Ranking erstellt. Landwirte erfahren, wenn sie die gesundesten Tiere der Woche geliefert haben.