Jann Hubrich, 50, nimmt in der Kreisstadt kleine und große Gewächse ins Visier

Pinneberg. Dieser Baum hat schon viel Leid und Freud gesehen. 25 Meter hoch ragt die Buche an der Mühlenaubrücke in die Höhe. Seit etwa 150 Jahren steht sie hier am Rand des Pinneberger Stadtwaldes Fahlt. Vielleicht ist sie 1864, im Jahr des Deutsch-Dänischen Krieges, gepflanzt worden oder als Keimling aus einer Buchecker erwachsen. Als der Erste Weltkrieg 1914 begann, war sie schon um die 50 Jahre alt. Den Zweiten Weltkrieg ab 1939 erlebte sie als etwa 75-Jährige. Als in Pinneberg nach dem Krieg die Winter kalt und die Heizvorräte knapp wurden, hat sie niemand gefällt. Unter ihren Ästen haben sich junge Pinneberger geküsst und vielleicht auch getrennt. Dieser Baum hat das pralle Leben gesehen.

Lange werden die Pinneberger und Zugereiste nicht mehr an diesem Natur-Denkmal vorbei promenieren. Die Tage der Pinneberger Buche sind gezählt. Ein Parasit hat sie befallen: der Brandkrustenpilz. Dieser Pilz wächst sehr häufig in Europa und Nordamerika, vor allem an Buchen. Er verursacht Moderfäule in Wurzeln und bodennahen Stammregionen. Von außen gesehen zeigen sich häufig keine Schäden. Diese Buche aber hat schon krustenförmige, breite, kohlige Überzüge um den halben Stamm herum.

Ein Mann, mit 50 Jahren etwa ein Drittel so alt wie der kranke Baum, schaut besorgt auf die schwarzen Pilze am Buchenstamm. Er zerbröselt den Fruchtkörper zwischen Daumen und Zeigefinger. Der Mann heißt Jann Hubrich. Er ist der Baumkontrolleur Pinnebergs. Er observiert jedes Jahr um die 15.000 Bäume, die auf städtischem Grund stehen. „Dieses Prachtexemplar von Baum wird wohl gefällt werden müssen“, sagt Jann Hubrich. „Sonst könnte die Buche beim nächsten Sturm umknicken und Leib und Leben gefährden. Es tut mir in der Seele weh, diesen Baum fällen lassen zu müssen. Aber Menschenleben gehen vor.“

Jann Hubrich ist an diesem Vormittag gemeinsam mit seiner Chefin Silkata Sahin-Adu, der neuen Leiterin des Kommunalen Servicebetriebes Pinneberg (KSP), unterwegs, um kranke und wieder genesene Bäume zu inspizieren. Die Buche an der Mühlenau besucht er jetzt das fünfte Mal, seitdem er der Wächter der Pinneberger Bäume ist und 2010 den Job des Baumkontrolleurs beim KSP übernommen hat. „Leider hat der Pilzbefall seit dem letzten Mal zugenommen“, sagt Jann Hubrich. Aber ganz aufgeben will der gebürtige Pinneberger die Buche noch nicht: „Ich werde noch ein Gutachten in Auftrag geben, das die Standfestigkeit des Baumes unter die Lupe nehmen wird.“

Auch im Waldenauer Park, mitten auf einem Weg, steht ein weiteres Sorgenkind von Jann Hubrich: wie an der Mühlenau auch eine Buche. Und wie dort auch ein bemerkenswertes Gewächs: knapp 30 Meter hoch mit einem Durchmesser von mehr als einem Meter. Gut 100 Jahre dürfte diese Buche alt sein, analysiert Jann Hubrich, also auch schon zwei Weltkriege überstanden haben. Auch dieser Landmarke setzt der Brandkrustenpilz zu. „An diesem Baum ist der Parasit noch nicht so verbreitet“, sagt der gelernte Garten- und Landschaftsgärtner. „Diese Buche wird den Waldenauern noch ein paar Jahre Freude bereiten.“

Etwa 70 Bäume inspiziert Jann Hubrich im Durchschnitt pro Tag. Für die kranken Bäume legt er Akten an. 20 der von ihm im vergangenen Jahr kontrollierten 15.000 Bäume mussten in der Fällsaison 2013/2014 abgesägt werden. Aber viele konnten auch gerettet werden, wie etwa die 18 Meter hohe Eiche an der Straße Schulenhörn. Dieser stattliche Baum hatte in der Krone Blätter verloren. „Wir haben die Krone vor drei Jahren kräftig zurückgeschnitten“, sagt Jann Hubrich, „die Vitalität der Eiche hat sich jetzt wieder verbessert.“

Etwa 30 Mal pro Jahr ist auch Jann Hubrichs Meinung gefragt, wenn Pinneberger auf ihrem Grundstück einen Baum fällen wollen. Dann fragt die Abteilung Stadt- und Landschaftsplanung den Baumexperten, ob der Fällantrag gerechtfertigt ist oder nicht. „Die Grundstücksbesitzer lassen mich meistens auf ihr Grundstück“, sagt Jann Hubrich, „und meistens widerspreche ich dem Fällantrag.“

Der gebürtige Pinneberger, der in Hemdingen lebt, sieht sich denn auch als Anwalt der Bäume, wenn Menschenleben nicht in Gefahr sind. Sorgen bereiten ihm bisweilen wenig feinfühlige Baufirmen, die in Pinneberg Kabel und Rohre verlegen. „Die Bagger beschädigen bei den Arbeiten oft das Wurzelwerk, dann können die Bäume absterben“, sagt Jann Hubrich. Seit einem Jahr hat er deshalb ein waches Auge, wenn Leitungen auf städtischem Grund verlegt werden. „Man kann“, sagt der Wächter der Pinneberger Bäume, „die Leitungen oft auch unter dem Wurzelwerk verlegen oder behutsame Pressbohrungen durchführen, ohne die Wurzeln zu beschädigen.“