DLRG-Chef sieht häufig, wie Badende den Fluss unterschätzen

Wedel. Sommer am Elbstrand – und zahlreiche Sonnenanbeter drängen sich um die begehrten Plätze an Wedels beliebter Wasserseite. Doch wer hier baden geht, unterschätzt oft die Gefahr. Auch an diesem sonnigen Tag ist der Strand voll, die meisten Liegestühle im Beachclub besetzt. Wer Abkühlung sucht, geht ins verlockend blaue Wasser, obwohl das hier offiziell nicht erlaubt ist. Trotz Warnhinweisen spielt eine Gruppe unbekümmert in der Elbe. Die Frisbee fliegt – viel zu weit und landet in dem Teil der Elbe, in dem ein Mensch nicht mehr schwimmen sollte. Das Problem: Es ist Niedrigwasser. Gerade wenn sich die Elbe wie an diesem Abend fast bis zur Mole zurückzieht, wird es gefährlich, sagt Jochen Möller.

Der Chef der Wedeler Rettungsschwimmer hat den Strand von seinem Posten an der DLRG-Wache neben dem Beachclub aus im Blick. Oft sieht er, wie Badende wie in diesem Fall bis zur Mole und weiter schwimmen, dorthin, wo bereits die sehr tiefe Fahrrinne der Schiffe beginnt und die Strömung sie mitreißen kann. „Das ist kein Spielplatz mehr. Jeder, der sich dort aufhält, begibt sich in Lebensgefahr“, warnt Möller.

Gerade bei Niedrigwasser ist der Abstand vom Strand bis zur Mole für die Badenden nicht so weit. Unbedarfte Schwimmer wählten dann besonders häufig diesen Punkt als Ziel, überschätzen dabei ihre eigenen Kräfte und unterschätzten die Strömungen und die Tiefe der Elbe. Deshalb besetzten die Rettungsschwimmer von Mai an die Wache am Elbstrand, warnen die Unbedarften per Megafon vor den Strömungen, sprechen sie vorsorglich am Strand an. Trotzdem: „An den heißen Tagen haben wir zweimal Menschen im Strömungsbereich aus einer Notsituation gerettet“, sagt Möller.

Im Unterschied zu Wittenbergen oder Kollmar musste am Wedeler Elbstrand in den vergangenen Jahren kein Schwimmer seinen Leichtsinn mit dem Leben büßen. Anders auch als an der Ostsee, in der in den vergangenen Tagen mehrere Menschen ertranken und die deshalb in den Fokus rückte. Doch Möller verweist auf Zahlen von 2013.

Im vergangenen Jahr ertranken laut DLRG 18 Menschen in der Ost- und acht in der Nordsee. Mit 15 Ertrunkenen zählt aber die Elbe nach der Ostsee und dem Rhein mit 19 Opfern zu den „Risikozentren“ in Deutschland. „Wir verzeichnen seit 2012 erstmals wieder einen Anstieg bei den Ertrinkungszahlen“, sagt Möller. „Parallel stellen wir fest, dass die Schwimmausbildung in den Schulen zurückgefahren wird.“ In Zahlen heißt das: Mit insgesamt 464 Toten steigt die Zahl der Ertrunkenen in Deutschland erstmals wieder seit 2006 und das gleich um 16,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 81 Prozent der Opfer ertranken dabei in Binnengewässern, 182 in Fließgewässern wie dem Rhein, der Donau oder der Elbe.

„Ich kann nachvollziehen, dass Menschen sich abkühlen wollen. Aber die Elbe ist eben kein Badesee oder Freibad“, sagt Möller, dem sehr bewusst ist, dass einen Badenden in Wedel nur zwei Schritte trennen zwischen der Stelle, an der er noch stehen kann und der Kante, an der es zehn Meter in die Tiefe geht. „Die Sicht in der Elbe ist so schlecht, dass wir es im Ernstfall, wenn jemand untergeht, sehr schwer haben, ihn unter Wasser zu finden“, warnt der Wedeler. Viel schwerer als beispielsweise in der Ostsee. Beide Gewässer kennt Möller sehr gut.

Denn seit seinem 16. Lebensjahr investiert der heute 42-Jährige einmal pro Jahr wochenweise seine Urlaubstage und hilft ehrenamtlich an der Küste aus. Dann tauscht er ausnahmsweise „sein Revier“ an der Elbe gegen den Strandabschnitt bei Dahme. Sechs Kilometer Ostseeküste überwacht die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hier. Anfang Juli war Möller bereits eine Woche dort und auch am vergangenen Wochenende half er aus.

Die DLRG-Mitglieder bestücken täglich von morgens bis abends die insgesamt sieben Wachtürme. Jeweils zwei teilen sich einen Turm. Zwei Boote unterstützen vom Wasser aus. Dienst an der Künste bedeutet, mit 21 Menschen in einer Station auf engem Raum zusammenzuleben. Für Möller bedeutet es aber auch Teamgeist und Nachwuchsförderung. „Wenn zwei junge Rettungsschwimmerinnen, so wie zuletzt, einen älteren Mann erfolgreich aus dem Wasser ziehen können, erfüllt einen das mit Stolz“, erklärt er.

Dabei setzen die Retter auch ihr eigenes Leben aufs Spiel, wenn sie wie in diesem Fall in den Strömungsbereich hinaus müssen. Zwar seien sie für solche Situationen ausgebildet und mit Hilfsmitteln wie Flossen, Schnorchel und Rettungsleine oder roter Rettungsboje ausgerüstet, aber ein Restrisiko bleibe. Umso mehr kann sich Möller über diejenigen ärgern, die allen Warnungen und allen gehissten roten Flaggen zum Trotz in der Ostsee schwimmen gehen. „Das strotzt schon vor Ignoranz“, sagt der Wedeler, der auch auf DLRG-Landesebene aktiv ist. Bei dem Vizechef der norddeutschen Retter hört auch das Verständnis auf, wenn Badende angetrunken auf die Idee kommen, die Elbe queren zu wollen.

Möllers Verbandschef wagte am Freitag in diesem Punkt einen Vorstoß. DLRG-Präsident Hans-Hubert Hatje könnte sich für die Küstenländer vorstellen, leichtsinnigen Schwimmern die Rettung aus Lebensgefahr in Rechnung zu stellen. Möller pflichtet ihm bei: „Wir werden immer jeden, der in Not gerät, retten. Bei denen, die sich und andere wissentlich in Gefahr bringen, halte ich so eine Quittung für etwas, worüber man nachdenken sollte.“