Umland-Lust – rund um Hamburg auf Entdeckungstour. Heute: Mit dem E-Bike von Wedel aus durch die Marsch

Schützenswerte Landschaften, seltene Tiere und ein hoher Erholungswert für Besucher: In Katalogen und im Internet wird in den höchsten Tönen von der Wedeler und Haseldorfer Marsch geschwärmt. Um uns vom Charme dieser nordwestlich von Hamburg gelegenen Elblandschaft ein eigenes Bild zu machen, mieten wir an diesem sonnigen Tag in Wedel ein Elektrofahrrad. Von der Stadt aus soll die Route am Deich entlang in Richtung Elbmündung führen. Über die Dörfer Haseldorf und Holm geht es dann zurück.

So viel schon einmal vorweg: Die 37 Kilometer lange Tour wird unsere Erwartungen nicht enttäuschen. Im Gegenteil. In der Wedeler und Haseldorfer Marsch „erfahren“ wir ein Naturidyll zwischen Schiffen und Schafen, geprägt von Wind und Weite. Wir sehen romantische Gebäude, treffen freundliche Menschen. Am Abend haben wir das Gefühl, einen Kurzurlaub gemacht zu haben.

Unsere Tour beginnt am Wedeler S-Bahnhof. Dort betreiben die Stadtwerke Wedel einen Laden für den Verleih von Elektrofahrrädern. Wedelecs nennen sich die E-Bikes dort. Die Räder, bei denen zur Unterstützung ein Motor zugeschaltet werden kann, sollen uns das Radeln auf dem Deich erleichtern. Erwartungsvoll betreten wir gegen 10.30 Uhr das Geschäft. Doch wir erleben eine Überraschung: Alle 23 Wedelecs sind bereits vergriffen. Weil wir nicht vorbestellt haben, scheint unser Vorhaben schon vor dem Start fehlzuschlagen.

Eine vierstündige Tour mit einem Wedelec kostet acht Euro

Zum Glück befindet sich direkt neben dem Bahnhofsgebäude eine vollautomatische Leihstation, die noch über wenige Wedelecs verfügt. Wir treten vor einen Bildschirm und klicken uns durch das Menü – ein Vorgang, der nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. Wir legen die Dauer unserer Tour fest (vier Stunden) und bezahlen die erforderlichen acht Euro mit der EC-Karte. Danach öffnet sich jeweils ein Fach mit einem Akku und einem Wedelec. Wir sind froh, dass die Wedelecs große Sattelkörbe haben, in die wir unsere schweren Rucksäcke legen können. Auch Speichenschlösser sind vorhanden.

Danach starten wir unsere elektrische Trethilfe: „Power“-Knopf am Lenker drücken, über eine leichte, mittlere oder starke Akkuhilfe entscheiden – und schon geht’s los. Obwohl der Motor kaum hörbar arbeitet, ist seine Unterstützung deutlich spürbar. Mit leichtem Pedalschlag kreuzen wir durch Wedels Straßen. Um uns nicht zu verfahren, nehmen wir eine Karte zu Hilfe, die wir im Wedelec-Shop erhalten haben. In der Karte ist unsere „Route Elbmarschen“ mit einer roten Linie eingezeichnet. Die Touren „Altes Land“, „Klövensteen“ und den „Elbwanderweg“ nehmen wir uns für ein anderes Mal vor.

Nach wenigen Minuten sind wir am Deich. Innen und außen am Fuß des Walls schlängelt sich jeweils ein asphaltierter Weg. Wir entscheiden uns für die Strecke auf der Elbseite, denn von dort können wir das Treiben auf dem Fluss beobachten: Ein Containerschiff gleitet an uns vorbei, Gänse landen am Ufer. Im Hamburger Yachthafen, der 1961 von Hamburg-Waltershof ins schleswig-holsteinische Wedel verlegt wurde, machen Freizeitkapitäne ihre Boote startklar.

Pedaltritt um Pedaltritt lassen wir Wedel hinter uns. Vor uns öffnet sich die Weite der Marsch. Kilometerweit blicken wir in ein Gebiet, das mit seinen Inseln, Prielen und feuchten Uferbereichen seltenen Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause bietet. Ein knapp 2200 Hektar großer Abschnitt der Marschlandschaft, die „Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland“, steht seit 1984 unter Naturschutz.

Während der Fahrt versperren uns immer wieder Schafe den Weg, die zu Hunderten auf den Hängen des Deichs weiden. Einmal müssen wir absteigen und das Wedelec vorsichtig durch eine Herde schieben. Die Vierbeiner lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Wir radeln weiter, vorbei an der Carl-Zeiss-Vogelstation und den bronzenen Infotafeln eines Planetenlehrpfads. Mittlerweile steht die Sonne senkrecht am wolkenlosen Himmel. Laut Temperaturanzeige auf dem Smartphone sind es 28 Grad. Wir schwitzen. Die Trethilfe unseres Wedelecs stellen wir jetzt auf „high“ – die höchste der drei Stufen.

Mittlerweile stehen wir unter Zeitdruck, denn wir sind verabredet. Am Hetlinger Klärwerk wollen wir Hans Ewers treffen. Der Physiker betreut dort für den Naturschutzbund (Nabu) ehrenamtlich einen Wassererlebnisbereich, der vor acht Jahren in Kooperation mit dem Abwasserzweckverband (azv) Südholstein entstand. „Wir zeigen Kindern und Jugendlichen anhand von praktischen Beispielen, welche Rolle Wasser für uns spielt“, erklärt Ewers. Hauptattraktion des etwa 5000 Quadratmeter großen Areals sind zwei Teiche, in denen sich Frösche tummeln und Seerosen wachsen. Seltene Libellen seien auf dem Gelände heimisch, sagt Ewers. Vor einigen Wochen habe er sogar eine Nachtigall gehört. Dann führt Ewers uns zu einem Wasserrad und einer etwa zwei mal fünf Meter großen Sandfläche, die geflutet werden kann. „Damit machen wir den Kindern klar, weshalb Deiche und Warften so wichtig sind“, sagt er.

Wir werfen noch einen Blick in das Experimentierhäuschen: Jede Menge Siebe, Töpfe und Schaufeln befinden sich darin. Unmittelbar daneben steht eine Hütte, von der aus Besucher Vögeln beim Brüten zusehen können. Ein 3,60 Meter hohes Sieltor aus Eiche haben azv und Nabu ebenfalls aufstellen lassen.

Rund um das Haseldorfer Schloss gibt es gleich mehrere Attraktionen

Hans Ewers verabschiedet sich, wir machen im Wassererlebnisbereich noch eine Mittagspause. Das Areal ist zwar kein ausgewiesener Picknickplatz (Papierkörbe fehlen!), aber es gibt einige Holzbänke im Schatten. Noch schnell etwas Sonnencreme auftragen und schon sind wir gerüstet für die Weiterfahrt.

Menschen begegnen wir von nun an nur noch wenigen. Wir kommen aber mit einer freundlichen Radfahrerin ins Gespräch. Barbara Stolze wohnt in Hamburg-Niendorf und erzählt, dass sie mindestens zweimal pro Woche eine Radtour mache. Die Strecke durch die Haseldorfer Marsch gefalle ihr besonders gut. „Der Weg lässt sich gut fahren und die Natur ist wunderschön“, schwärmt sie.

Den nächsten Halt machen wir in Haseldorf. Die Elbe können wir hier nicht mehr sehen. Dafür beeindruckt uns Haseldorf mit Reetdächern und historischen Gebäuden – zum Beispiel mit der St. Gabriel Kirche, deren Grundstein im 13. Jahrhundert gelegt wurde. Der spätromanische Charakter des Backsteinbaus ist von außen noch gut zu erkennen. Weil die Kirche verschlossen ist, umrunden wir das Haus. Auf dem Friedhof entdecken wir das Grab von Emil Prinz von Schoenaich-Carolath-Schilden (1852 – 1908). Der Aristokrat aus Haseldorf pflegte einen regen Austausch mit Dichtern wie Rainer Maria Rilke und Detlev von Liliencron.

Noch heute lebt die Familie von Schoenaich-Carolath-Schilden in Haseldorf. Das an den Kirchhof angrenzende Herrenhaus kann deshalb nicht besichtigt werden. Allerdings ist ein Spaziergang durch den Schlosspark möglich. Dafür sind wir aber schon zu müde. Wir setzen uns stattdessen auf unsere Wedelecs und fahren weiter. Aus dem Augenwinkel sehen wir noch den zum Schloss gehörigen Rinderstall, in dem im Sommer Konzerte des Schleswig-Holstein Musikfestivals stattfinden. Auch das Elbmarschenhaus, ein Informationszentrum für Touristen, befindet sich in Sichtweite vom Schloss.

Über Hetlingen, Holm und die B 431 erreichen wir wieder Wedel. Die E-Bikes geben wir an der Station am S-Bahnhof ab. Bei einem Belohnungseis ziehen wir Bilanz: Wir sind erschöpft – aber voller schöner Eindrücke.