Eine Glosse von Alexander Sulanke

Raucher brauchen eine gute Taktik. Sie müssen dauernd aufpassen, dass sie nicht in die Abseitsfalle laufen. Anderenfalls droht der Einwurf von links: Hier stinkt’s. Richtig durchziehen können sie, wenn die Räume offen sind, was auf dem Balkon häufig vorkommt. Eine Zigarette dauert sieben Minuten.

Aber ach: Die beste Taktik geht nicht auf, wenn der Gegner, also die deutsche Nationalmannschaft, zu stark ist.

22. Minute gegen Brasilien, es steht seit elf Minuten 1:0. Der perfekte Augenblick, um zum Abschluss zu kommen. Also offene Räume gesucht, hingesprintet, Streichholz abgefeuert. Unten im Park bricht Beifall aus. Gilt sicher nicht dem Raucher, der gerade verwandelt. Also schneller Rückzug zum Fernseher. Mist! Tor verpasst. Jetzt erst recht auf die offenen Räume konzentrieren. Unten jubelt der Nachbar (er hat einen zeitverzögerten Empfang). Gleichzeitig jubeln sie im Park schon wieder. 3:0. Und dann unmittelbar danach noch mal. 4:0. Jetzt wird auch der Nachbar unten wieder laut (wegen des dritten Tores).

Der Raucher fühlt sich arg in die Defensive gedrängt. Hilft jetzt ein Taktikwechsel? Wäre es vielleicht richtig, den Zug abzubrechen? Die unten im Park stören derlei Überlegungen durch erneutes Jubeln. 5:0. Und auch der Nachbar freut sich vernehmbar (weil er vom 4:0 so begeistert ist).

Der Ball ist rund. Eine Zigarette dauert sieben Minuten. Und am Ende hat der Raucher mehr als die Hälfte aller Tore verpasst. Oder auch gar nichts – so wie am Tag nach dem deutschen Spektakel beim trostlosen zweiten Halbfinale zwischen Argentinien und den Niederlanden. Feuer vermittelte während dieser Partie für den Raucher nur das Anzünden des Glimmstengels. Die richtige Taktik fürs Finale zu wählen, ist daher schwierig. Kontrollierte Zigaretten-Offensive vielleicht? Das bedeutet durchziehen und bloß nichts anbrennen lassen!