Sieben Jungs des Elmshorner Modellbau Clubs fahren zu den deutschen Jugendmeisterschaften des DMFV nach Hessen

Vor jedem Jungfernflug und in den Wettkämpfen zittern ihm immer noch die Hände. Die Zuschauer können es kaum sehen. Ihre Blicke folgen sowieso der zweimotorigen Twin-Otter, die nur wenige Meter über die Startbahn saust und dann abhebt. Marvin Oehlschläger ist voll konzentriert. Seine Daumen liegen auf den Joysticks der Fernbedienung. Minimale Bewegungen nach links und rechts, oben und unten und die Propellermaschine dreht in der Luft Loopings. Eine Fehleinschätzung und das rund 1000 Euro teure Modellflugzeug würde am Boden zerschellen oder womöglich jemanden verletzen.

Drei Minuten dauert das Schauspiel. Dann neigt sich der Akku dem Ende. Der 17-Jährige landet die Twin-Otter sanft auf der Wiese des Elmshorner Modellbau Clubs (EMC) in Seester. Für den Laien ist es schwer vorstellbar, welche Leistung das genaue Steuern einer Kunstflugmaschine bedeutet. Schon die scheinbar einfachste Übung, geradeaus fliegen, stellt eine Herausforderung dar, besonders wenn der unberechenbare Wind dazukommt. „Der hat uns auf Wettkämpfen aber auch schon Vorteile verschafft“, sagt Marvin Oehlschläger. Denn im Norden weht eigentlich fast immer eine steife Brise. „Die sind die Bayern nicht gewohnt und haben dementsprechend Probleme, ihre Modelle im Wind zu kontrollieren.“

Marvin Oehlschläger und seine Freunde Torben Fiefeck, Lenard Möller und Kim Skibbe – alle 17 Jahre alt und alle aus Elmshorn – haben sich innerhalb des EMC zum Team Steilflug zusammengeschlossen. Sie treten auf Wettkämpfen zusammen an. Bei der norddeutschen Jugend-Meisterschaft im Mai in Krogaspe bei Neumünster standen sie und weitere Jugendliche des EMC wieder ganz oben auf dem Siegertreppchen. Im September fahren sieben Jungs vom EMC zu den deutschen Jugendmeisterschaften des DMFV nach Hessen.

Vom Freiflug mit kleinen Balsaholz-Gleitern bis zur Expert-Klasse, in der die Piloten mit hochsensiblen, großen und schweren Wettbewerbsmaschinen unter den wachsamen Augen dreier Punktrichter auch bei sehr böigem Wind exakte Flugfiguren an den Himmel zaubern, reicht das Repertoire. In diesem Jahr konnte EMC in den vier wichtigen Modellflug-Disziplinen „Flugzeug-Schlepp“, „Elektrosegelflug“, „Junior-Klasse-Motorflug“ und „Expert-Klasse-Motorflug“ elf von 13 Pokalen gewinnen.

Der EMC ist eine echte Nachwuchsschmiede. Von den 100 Mitgliedern des EMC sind 30 Jugendliche. Darauf ist Ulrich Grube, Erster Vorsitzender des EMC undGebietsbeauftragter des Deutscher Modellflieger Verbands (DMFV), stolz. Sein regionales Engagement für die Modellflug-Vereine in Norddeutschland und der direkte Draht zur DMFV-Spitze in Bonn sind gute Voraussetzungen für eine gezielte Jugendförderung. So dürfen sich alle Nachwuchsflieger in diesem Jahr für den Besuch eines einwöchigen Trainingscamps im österreichischen Kärnten bewerben. Die europaweiten Kontakte des DMFV machen es möglich.

Grube pflegt auch Kontakte zur Modellbauindustrie, unter anderem dem Weltmarktführer Horizonhobby, dessen Europa-Zentrale in Elmshorn liegt. Das Unternehmen unterstützt die Jugendarbeit des DMFV intensiv, sponsort Preise für die norddeutschen Meisterschaften, bietet erfolgreichen Nachwuchspiloten einwöchige Flug-Trainings in den unterschiedlichen Modellflug-Wettbewerbsklassen. International bekannte Profi-Modellpiloten coachen die Nachwuchstalente dann auf dem Modellflugplatz in Seester.

Auch der EMC stellt den Jugendlichen eigene Modellpiloten als Trainer zur Seite. Sie haben teilweise eine professionelle Punktrichter-Ausbildung gemacht und geben Tipps und Tricks an ihre Flugschüler weiter. „Wer seine neue Ausrüstung ausprobieren will, sollte nicht allein auf der Wiese herumprobieren“, sagt Kim Skibbe. Auch wenn „anfängertauglich“ auf der Verpackung steht, sollte zu Beginn immer ein erfahrener Modellflugpilot dabei sein. Sonst enden die ersten Flugversuche womöglich in einem Absturz , der ganz schön ins Geld gehen kann. Für ein gutes, robustes Flugmodell, eine geeignete Fernsteuerung, Akkus, Lader und Kleinzubehör kommen schon 500 Euro zusammen.

In der Expert-Klasse, in der große, schwere Maschinen geflogen werden, kann so ein Fluggerät mit moderner Technik leicht über 1.000 Euro kosten. Da sind dann meist schon die Eltern oder Oma und Opa gefragt. Kim Skibbe hat sein Meisterschaftsmodell „Miss Wind“ – ein eleganter, moderner Doppeldecker – deutlich günstiger gebraucht gekauft. Damit wurde er im letzten Jahr deutscher Vizemeister. Rund 40 verschiedene Modelle kann er mittlerweile sein Eigen nennen. Die anderen Jungs stehen ihm in nichts nach.

Wer sich als Anfänger einem Modellflugclub anschließt, kann zunächst über Lehrer-Schüler-Systeme üben. Ein erfahrener Pilot steht mit seiner Fernsteuerung neben dem Anfänger und kann jederzeit eingreifen, um brenzlige Situationen zu entschärfen und damit das Modellflugzeug zu retten. Geübt werden kann auch Zuhause an einem Modellflugsimulator. Nach zwei bis vier intensiven Flugwochenenden mit einem guten Trainer kann man ein Anfängermodell sicher starten und landen ohne sich selbst und Zuschauer zu gefährden.

Im Modellbauclub werden Flieger und Technik getauscht oder günstiger angeboten. Für einen Anfänger ohne professionelle Bauerfahrung ist in vielen Fällen ein Fertigflieger aus der Packung einem selbstgebastelten Modell vorzuziehen. Der fertige Flieger ist in der Regel gut eingestellt, der Motor auf das Fluggewicht abgestimmt, der Flugregler passt zu Motor und Akku und die Fernsteuerung ist sicher und geprüft. Später kann der junge Modellpilot ja immer noch seiner Bastelleidenschaft frönen oder fertige Modelle „tunen“.

Der Modellflug an sich hat in den vergangenen Jahren stark an Popularität gewonnen. Seit es zum Beispiel kleine, nur wenige Gramm leichte Hubschrauber und Multikopter gibt, die praktisch im Büro oder Wohnzimmer ferngesteuert fliegen, ist die Aufmerksamkeit gestiegen. Diese Fluggeräte mögen keine böigen Winde. Daher treffen sich – besonders im Winter – viele Flugbegeisterte in Sporthallen, um Indoor ihrem Hobby nachzugehen.