Sophie von Issendorff führte private Einrichtung in Pinneberg 42 Jahre. Land hat Betreuungsform offiziell abgeschafft

Pinneberg. Kinder sind ihr Leben. „Children, sit down please!“ – Kinder, setzt euch hin, bittet Sophie von Issendorff zehn Mädchen und einen Jungen an diesem Vormittag. Es ist Englisch-Stunde im Pinneberger Ortsteil Waldenau und die elf Fünf- bis Sechsjährigen lernen den Körper kennen. Sie singen: „Head and shoulders, knees and toes, knees and toes“ – Kopf und Schultern, Knie und Zehenspitzen, schallt es aus den Kindermündern, und die Kinder zeigen dabei auf die Körperteile.

Sophie von Issendorff animiert sie: „Ihr müsst mir das vormachen, ihr seid jung, und ihr könnt das!“ Und auch die Kinder sind voll bei der Sache und blicken konzentriert auf ihre Lehrerin. Willkommen in der einzigen privaten Vorschule im Kreis Pinneberg: In „Pünktchens Vorschule“ am Quellenweg 13. Lange wird es diese Vorschule nicht mehr geben: Denn deren Lehrerin Sophie von Issendorff ist schon 78 Jahre alt und schließt ihre Privatschule am 11. Juli – nach 42 Jahren.

„Pünktchens Vorschule“ ist ein Unikum im Kreis Pinneberg. Denn eigentlich gibt es gar keine Vorschule in Schleswig-Holstein mehr. Die staatliche Vorschule ist im nördlichsten Bundesland 2007 abgeschafft worden. „Bis 2007 wurden nur Kinder eingeschult, die als schulreif eingestuft wurden“, sagt der Schulrat des Kreises Pinneberg, Dirk Janssen. „Heute werden alle Kinder mit sechs Jahren eingeschult, es sei denn, gesundheitliche Gründe sprechen dagegen.“

Mittlerweile gilt in Schleswig-Holstein der Grundsatz: Die Schule muss reif gemacht werden für das Kind und nicht das Kind für die Schule. „Die Spanne zwischen den Erstklässlern wird immer größer“, sagt Janssen. „Da sitzen Kinder, die kein Deutsch sprechen können, neben Kindern, die hochbegabt sind. Aufgabe der Schule ist es deshalb, für ein angemessenes Förderangebot für die Kinder zu sorgen, um mit der Heterogenität klarzukommen.“

Obwohl es die Vorschule also offiziell nicht mehr gibt, steigt die Nachfrage nach dieser Betreuungsform: So gibt es auch private Vorschulen in Ahrensburg und in Lütjensee im Kreis Stormarn. Die Pinneberger Einrichtung ist nach ihrer Gründerin benannt, die selbst in Schulzeiten von ihren Mitschülern „Pünktchen“ gerufen wurde. Heute sind es die Fünf- bis Sechsjährigen, die ihre Lehrerin „Pünktchen“ oder „Issi“ nennen.

Das Besondere an der Vorschule ist nicht nur das Alter der Lehrerin, sondern auch die Lage: Sophie von Issendorff unterrichtet ihre Kinder in ihrem 140 Quadratmeter großen Bungalow. „Pünktchens Vorschule“ steht in schwarzer Schrift an der weißen Hauswand. Die Englischstunde findet in dem statt, was vom Wohnzimmer übriggeblieben ist: „Sessel und Couch sind schon längst auf dem Flohmarkt gelandet“, sagt Sophie von Issendorff und lacht. An diesem Vormittag haben die Kinder mit Holzklötzen Parkplätze auf dem Fußboden gebaut. In einem Regal stehen Kinderbücher wie „Ich sehe was, was du nicht siehst“ und „365 Experimente für Kinder“. Im anderen Regal lagern Kunstbände: Hieronymus Bosch, Pablo Picasso und Emil Nolde.

Der Schulleiter der Grundschule Thesdorf, Holger Meyer, wird eine Abschiedsrede für Sophie von Issendorff halten. Auch zwei seiner Söhne sind in „Pünktchens Vorschule“ gegangen. „Issi hat ganz hervorragende Arbeit geleistet“, sagt der 64-Jährige. „Sie hat es immer wieder geschafft, Kinder auf die Grundschule vorzubereiten. Sie hat vor allem im künstlerischen und musischen Bereich starke Akzente gesetzt. Die Kinder haben sich bei ihr sehr gut weiterentwickelt.“

Sophie von Issendorffs Credo zwischen 8 und 12 Uhr ist eindeutig. „Die Kinder sind hier, um zu lernen, und nicht, um auf den Spielplatz zu gehen.“ Ihren Unterrichtskanon kann die 78-Jährige auf einen kleinen Zettel schreiben: Tier-, Pflanzen- und Körperkunde, die Kinderbibel, Musik, Kunst, Englisch, Märchen, Mathe, Sprachtraining, Falten mit Origamipapier und Kinderwissen.

„Die Kinder von heute unterscheiden sich gar nicht von den Kindern, die vor 42 Jahren zu mir kamen“, sagt die Vorschulleiterin. „In jedem Kreis gibt es ein, zwei, drei schwierigere Kinder. Aber nach drei Monaten sind wir immer eine homogene Gruppe gewesen. Die Kinder lernen bei mir, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen.“

Der gebürtigen Göttingerin war immer wichtig, dass die Kinder lernen, bis zu einer Stunde still zu sitzen und konzentriert zuzuhören. „Und sie lernen bei mir, dass sie in ganzen Sätzen erzählen können, was sie gehört haben.“ Eine Erzieherausbildung hat Sophie von Issendorff nie benötigt. Im ersten Jahr sei einmal eine Mitarbeiterin der Stadt gekommen und habe gesagt: „Das, was Sie hier machen, dürfen Sie nicht machen, weil Sie keine Ausbildung haben.“ Der damalige Leiter der Volkshochschule Pinneberg habe davon erfahren und daraufhin schnell einen „Kursus zur Spielkreisleiterin“ eingerichtet, den Sophie von Issendorff belegte. Seitdem werde ihre Arbeit von den Behörden anerkannt und geschätzt.