Margot Dorsch hat eine Broschüre mit Dorfstraßen im Wandel der Zeit herausgebracht

Prisdorf. Ihre zweite Heimat hat Margot Dorsch, 75, dank einer kleinen Anzeige im Hamburger Abendblatt entdeckt. „Haus in Prisdorf, vier Zimmer, Baujahr 1935, zu verkaufen“, las sie im Anzeigenteil. „Ich war noch nie in Prisdorf gewesen, nur mit der Bahn Richtung Hamburg vorbeigefahren“, sagt Margot Dorsch. „Ich kann mich noch gut an die überschwemmten Wiesen entlang der Bahnstrecke erinnern.“

Heute, 24 Jahre später, lebt Margot Dorsch noch immer in dem Rotklinkerbau an der Straße Rethwisch, gemeinsam mit Tochter Dorothea, 47, und ihren Katzen Deichgraf, Muschel und Lila. Sie kann sich nicht vorstellen, noch einmal aus Prisdorf fortzuziehen. Zu sehr verwurzelt ist die 75-Jährige jetzt in der 2200-Einwohner-Gemeinde.

14 Jahre lang war Margot Dorsch in der Gemeindepolitik aktiv, für den Bürger Block Prisdorf. „Wichtig waren nicht die Parteizugehörigkeit und die Funktion, sondern die Sachthemen“, sagt sie. Soll die Straße ausgebessert oder neu gebaut werden? Wie bekommen wir es zustande, dass die Feuerwehr mehr Platz bekommt? Soll die Gemeinde einen neuen Discounter bekommen? „Man versucht, das Beste für das Dorf zu machen.“

Mit der Zeit erwuchs bei Margot Dorsch eine Verbundenheit, ein Heimatgefühl für das Dorf an der Bilsbek. „Prisdorf ist mehr als der Toom-Markt, Marktkauf, Aldi und Kick“, sagt die Rentnerin. Sie ging viel im Dorf spazieren, auch in kleinen Straßen und auf Feldwegen. So entdeckte sie das sogenannte Rechter-Haus an der Ecke Hauen/Hauptstraße, ein Holsteiner Hallenhaus aus dem 18. Jahrhundert. Den Hof Hildebrandt, ein großes Gehöft an der Hauptstraße. Den Hof Riedemann an der Hauptstraße, Ecke Hudenbarg, aus dem Jahr 1730. Und den Hof Meyer an der Straße Dahl.

2004 ging Margot Dorsch am Informationskasten des Heimatvereins für Dorfgemeinschaft Prisdorf von 1967 entlang und las eine Mitteilung: Der Heimatverein suchte einen neuen Ersten Vorsitzenden – der Vorsitzende Gerhard Hildebrandt war verstorben. Ein Jahr lang fand der Verein keinen neuen Leiter. Da sagte sich Margot Dorsch: „Diese Institution muss erhalten bleiben!“ – und ließ sich zur neuen Vorsitzenden wählen.

Dieses Amt übt sie auch neun Jahre später mit Freude aus. Etwa 100 Mitglieder hat der Prisdorfer Heimatverein. Margot Dorsch leitet eine Computer-Gruppe und bringt Prisdorfern zwischen 60 und 80 Jahren das Betriebssystem Windows und die Programme Word und Excel bei. Die Gruppe trifft sich jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 14.30 Uhr bis 16 Uhr in der Bilsbek-Schule. Regen Zuspruch hat auch eine Gruppe von 14- bis 40-Jährigen, die sich regelmäßig am Sonnabend ab 15 Uhr im Bilsbek-Raum trifft und das Strategiespiel Warhammer spielt.

Gerade hat Margot Dorsch ein neues Projekt für ihren Heimatverein realisiert. Sie gibt eine Broschüre heraus, die Prisdorfer Straßen, Plätze, Gebäude und Luftbilder zeigt. Zehn Euro kostet die Broschüre „Prisdorf – Straßen gestern und heute“. Sie kann telefonisch bei Margot Dorsch unter der Rufnummer 04101/757 52 bestellt werden. Die Rentnerin lässt die Broschüre selbst drucken.

Als ihre erste Heimat bezeichnet Margot Dorsch ihre Geburtsstadt Uetersen. Hier kam sie 1938 zur Welt. Das Ende der Kriegszeit hat sie noch gut in Erinnerung: Flugzeuge der Royal Air Force flogen regelmäßig über Uetersen, um ihre Bomben in Hamburg abzuwerfen. „Ich habe immer noch das Brummen der Flugzeugmotoren und das Sirenengeheul in den Ohren“, sagt Margot Dorsch. Gemeinsam mit ihrer Mutter hat sie viele Stunden im Keller an der Töpferstraße ausgeharrt. Ende Juli 1943 sah Margot Dorsch einen großen Lichtschein in der Ferne. Es war der Feuerhimmel über Hamburg, verursacht durch Phosphor- und Stabbrandbomben der Royal Air Force während der „Operation Gomorrha“, bei der 34.000 Hamburger ums Leben kamen und 125.000 verletzt wurden.

Nach der Mittelschule wurde Margot Dorsch technische Zeichnerin, heiratete, wurde im Abendstudium Maschinenbau-Technikerin, bekam zwei Kinder und ließ sich 1987 scheiden. Kurze Zeit lebte sie in Rellingen, Ellerbek, Halstenbek und Hohenhorst in der Haseldorfer Marsch. Mit Heimat verbindet die 75-Jährige jedoch nur Uetersen und Prisdorf. „Ich könnte nicht zurück nach Uetersen“, sagt Margot Dorsch an diesem Vormittag in ihrem Rotklinkerhaus. „Das ist jetzt ein anderes Uetersen als in meiner Kindheit und Jugend. Uetersen ist gewachsen. Viele von denen, die ich kannte, leben schon nicht mehr.“