Mit einer Internetplattform geht die Stadtverwaltung neue Wege bei der Bürgerbeteiligung. Start ist im August

Wedel. Ist das der Bürgerservice der Zukunft, die Stadtverwaltung einer neuen Generation oder wird es einfach nur ein großer Internet-Flop? Die Wedeler wollen es wissen und wagen den Test. Am 28. August schaltet die Stadtverwaltung eine neue Internetseite scharf, von der sich die Rathausmitarbeiter einen sehr viel direkteren Draht zum Bürger versprechen.

Am Frühstückstisch kurz für den neuen Straßennamen um die Ecke per Mausklick abstimmen, bevor es zur Arbeit geht, oder beim Spaziergang mit dem Hund ein Foto vom völlig vermüllten Parkplatz machen und per Handy mit Standortübermittlung an die Stadt melden: All das und noch viel mehr soll die Beteiligungsplattform „Wedel wills wissen“ möglich machen.

Mit der Bürgerbeteiligungsaktion beschreitet Wedel ganz neue Wege. In Schleswig-Holstein gibt es keine Kommune, die einen so direkten Draht über das Internet zu den Einwohnern sucht. „Wir wollen aktiv auf die Bürger zugehen, uns der Diskussion mit ihnen stellen“, erklärt Jörg Amelung als zuständiger Fachdienstleiter im Wedeler Rathaus. Er brachte die Idee von einer Tagung mit. Ob bei seinem Chef, den Kollegen im Rathaus oder den Politikern: Er stieß auf durchweg positive Resonanz und so wird von Ende August an die sechsmonatige Testphase gestartet. Danach soll entschieden werden, ob Wedel auch dauerhaft in das Projekt investiert. Bis dahin ist die Nutzung der Software, die ein Berliner Unternehmen entwickelt hat, kostenlos.

„Wir haben uns viel vorgenommen“, sagt Amelung, der zahlreiche Aktionen für die kommenden Monate plant. Unter anderem will die Stadtverwaltung die Plattform nutzen, um einen Namen für die neue Straße durch Wedels Businesspark zu finden. Erst werden kreative Vorschläge gesucht und dann zur Wahl gestellt, die die Wedeler schließlich per „Like-Button“ bewerten können. Die Favoriten werden den Politikern zur Abstimmung vorgelegt.

Außerdem soll es zweimal pro Monat eine Online-Sprechstunde geben. Stadtpräsidentin Renate Palm und Bürgermeister Niels Schmidt sind bereit mitzumachen. Fragen und Antworten sollen für alle Nutzer sichtbar sein. Möglich wäre es auch, ein Meinungsbild in Sachen Autofähre nach Jork einzuholen oder die Wedeler zu befragen, was sie von der Parkraumbewirtschaftung halten, die im Juli beginnt.

Auf jeden Fall wird es einen Mängelmelder geben. Per Straßenkarte können die Besucher der Internetseite mitverfolgen, an welchen Stellen im Stadtgebiet welche Mängel gemeldet wurden, zum Beispiel Graffiti, defekte Straßenlaternen oder schlecht lesbare Straßenschilder. Anhand der Farbe wird der Bearbeitungsstatus deutlich gemacht.

Ein Beispiel: Frau Schmidt aus Wedel meldet über die Bürgerbeteiligungsplattform ein riesiges Straßenloch, das in der Schulauer Straße klafft. Das taucht dann als roter Punkt auf der Straßenkarte auf mit einer kurzen Beschreibung am Rand, um was es sich dabei handelt. Frau Schmidt erhält zudem eine Nachricht, dass die Stadtverwaltung ihren Hinweis erhalten hat. Wenn die Mitarbeiter des Bauhofes auf dem Weg sind, um das Loch auszubessern, wechselt der Punkt die Farbe und wird grau. Sobald der Mangel behoben ist, stehen die Zeichen auf grün. Frau Schmidt wird zusätzlich per E-Mail in Kenntnis gesetzt.

„Das ist sehr transparent“, so Amelung, der weiß, dass diese Transparenz die Mitarbeiter auch unter Druck setzt und Ressourcen bindet. „Anfangs wird das Projekt mehr Arbeit für die Verwaltung verursachen. Aber das ist auch ein spannender Prozess. Wir versprechen uns einiges davon.“ Damit keine Daten von Dritten oder diskriminierende Äußerungen auf der Plattform landen, schaltet die Stadt noch einen Filter ein. Rathausmitarbeiterin Rebecca Thoß bearbeitet alle Hinweise, Anfragen und Beiträge.

Bisher gibt es deutschlandweit nur eine Stadt, die solch ein Projekt wagte. Frankfurt am Main bündelte alle Beteiligungsangebote der Stadt auf der Partizipationsseite www.ffm.de, die im April online ging. Aus Frankfurt stammt auch die Idee des Mängelmelders, der zusammen mit einer beauftragten IT-Firma umgesetzt wurde. 255 gemeldete Mängel wirft das Portal der 690.000-Einwohner-Stadt derzeit aus.

„Die Plattform wird rege genutzt“, sagt Michael Schoenhöfer aus dem städtischen Online-Büro. Im Sommer soll eine weitere Beteiligungsmöglichkeit hinzukommen. Dann haben Frankfurter die Möglichkeit, sich bei der Haushaltsplanung einzubringen, zu sagen, welche Projekte die Stadt fördern und wo sie sparen soll.