Enormer Sanierungsbedarf. Gemeinde sucht nach Neukonzept. Historische Bauten bleiben

Rellingen. So viel vorweg: Die Kirche bleibt im Dorf und wird nicht abgerissen! Doch davon abgesehen sind im engeren und weiteren Umfeld des historischen Rellinger Gotteshauses voraussichtlich schon im kommenden Jahr tiefgreifende bauliche Veränderungen zu erwarten. „Es geht darum, den Sanierungsstau an den der Kirchengemeinde gehörenden Gebäuden in den Griff zu bekommen“, sagt Pastor Lennart Berndt.

Endgültig entschieden ist noch nichts, doch schon jetzt ist den Verantwortlichen der Kirchenleitung klar, dass am Abriss des nach der Kirche größten Gebäudes kein Weg vorbeiführen wird: Dran glauben muss das große Gemeindehaus an der Hauptstraße 36 a. Dieses geräumige Gehäuse mit zwei hochwandigen Stockwerken, einem Hochparterre sowie einem hinteren Anbau ist – abgesehen von der denkmalgeschützten, mehr als 250 Jahre alten Barockkirche – das Hauptquartier der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde. In dem eher zweckmäßig als erbaulich gestalteten wuchtigen Zentrum spielen sich, abseits von Gottesdiensten, Amtshandlungen und Konzerten in der Kirche, zahlreiche Aktivitäten des Gemeindelebens ab.

Das große Gemeindehaus wurde in den Jahren 1968 und 1969 nach Plänen des Rellinger Architekten Rudolf Struckmeyer errichtet. Genutzt wird es regelmäßig unter anderem von der Kantorei, dem Chor „Gospeltrain“, dem Bläserkreis sowie dem Jugend- und dem Kinderchor für Übungsstunden, Unterricht und Proben. Außerdem hat dort eine Eltern-Kind-Gruppe ihr Quartier, und jeden Mittwoch findet im JuCa, dem Jugend-Café, ein offener Jugendtreff statt.

Im Gemeindebrief Blickpunkt, bezieht Lennart Berndt eindeutig Stellung zu den anstehenden Veränderungen. „Angesichts des enormen Sanierungsbedarfs möchten wir uns von dem großen Gemeindehaus an der Hauptstraße 36 a trennen und eine neue bauliche Lösung als Ersatz dafür finden“, fasst der Pastor das Ergebnis einer Klausurtagung des Kirchengemeinderats zusammen. Für eine Refinanzierung des Bauvorhabens sollen gemeindeeigene Grundstücke verwertet werden. Denkbar seien „im Rahmen des Grundauftrags der Kirche“ etwa neben dem Neubau eines kompakteren Gemeindehauses Einrichtungen wie betreutes Wohnen, generationsübergreifende Wohnkonzepte oder ein Wohnprojekt für Menschen mit Hilfebedarf.

Berndt betont, dass die Kirchengemeinde bei der Entwicklung eines Gebäudekonzepts noch am Anfang stehe. Um einen realistischen Bedarf für die Zukunft zu erkennen, hat der Kirchengemeinderat als Projektentwickler die EvaBau-West hinzugezogen. Dieses Unternehmen des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein hat Erfahrung mit der Umsetzung derartiger Vorhaben. „Kirchensteuermittel sollen nicht für die Umgestaltung verwendet werden“, versichert Pastor Berndt. Für die Dauer der Bauprojekte seien fünf Jahre veranschlagt.

Ein weiterer wesentlicher Eckpunkt des auf der Klausurtagung angeschobenen Konzepts ist das Ziel, das historisch gewachsene Ensemble von Kirche, Pastorat und dem kleinen Gemeindehaus zu erhalten. Im Pastorat an der Hauptstraße 27 wohnt und arbeitet Pastorin Martje Kruse, die auch Vorsitzende des Kirchengemeinderats ist. Im kleinen Gemeindehaus gleich nebenan sind Veranstaltungsräume und das Kirchenbüro untergebracht. Doch dort gibt es auch noch einen kleinen Wohnanbau, an dem der Zahn der Zeit schon heftig genagt hat. Pastor Berndt schließt nicht aus, dass dieser Teil des Gebäudes ebenfalls abgerissen werden könnte. Mit den Mietern sei bereits vorsorglich gesprochen worden.

Erhalten bleiben soll dagegen das Gemeindezentrum am Hermann-Löns-Weg 62, die Außenstelle der Kirche für die Ortsteile Egenbüttel und Krupunder. Dort wohnt im benachbarten Pastorat auch Lennart Berndt. Das Grundstück ist insgesamt jedoch groß genug, um auch dort – falls erforderlich – bauliche Ergänzungen vornehmen zu können.

Unterm Strich verfügt die Kirchengemeinde Rellingen über einen recht guten Grundstücksbestand. Allein die Fläche des Gemeindezentrums am Hermann-Löns-Weg beläuft sich auf 6000 Quadratmeter. Das Areal mit dem großen Gemeindehaus gegenüber der Kirche schätzt Berndt auf 3000 bis 4000 Quadratmeter. Hinzu kommen hinter dem kleinen Gemeindehaus neben dem Anbau noch Flächen, die derzeit als Kleingärten genutzt werden.

Die in den Jahren 1754 bis 1756 nach Plänen von Cai Dose errichtete Barockkirche zählt zu den bedeutendsten Kirchenbauwerken Norddeutschlands. Vor allem den achteckigen Zentralbau, das Oktogon, vergleichen Kirchenhistoriker mit Hamburger Bauten wie der Heiligen Dreieinigkeitskirche St. Georg und der Michaeliskirche. In den vergangenen Jahrzehnten sind bereits Millioneninvestitionen in die Erhaltung und Sanierung des Rellinger Gotteshauses einschließlich Turm und Glocken sowie für die auf das Kuppeldach aufgesetzte Laterne geflossen. Dazu wurden originelle Spendenaktionen angekurbelt und auch öffentliche Mittel bis hin zu Geld aus dem europäischen Topf in Anspruch genommen.