Eine Glosse von Fabian Schindler

Ein besonderes Kuriosum der Fußball-Weltmeisterschaften ist, dass viele Menschen, die ansonsten überhaupt nichts mit Fußball am Hut haben, für einige Wochen zu begeisterten Fußball-Fans werden. Dem kollektiven Freudentaumel kann sich kaum jemand entziehen. Auch meine Mutter nicht. Sie kann Bayern München nicht von Borussia Dortmund unterscheiden, sie hat keine Ahnung von der Abseitsregel und überhaupt findet sie, dass Fußball völlig überbewertet wird. Doch wenn die Fußball-WM läuft, setzt auch sie sich vor den Fernseher und schaut gebannt zu.

Das Herz meiner Mutter schlägt dann für ihr spanisches Heimatland. Die Sache hat bei ihr nur einen Haken: Sie weiß auch nach mehr als 40 Jahren nicht, dass die Spanier meist mit roten Trikots spielen. Und so wird zumeist aus dem Bauchgefühl heraus entschieden, wer auf dem Platz Spanien ist und wer nicht. Es kommt somit vor, dass meine Mutter stolz „Jaaa! Tor!“ ruft, wenn der Ball im Netz zappelt, während um sie herum bedächtige Stille im Raum herrscht. Meine Mutter ist dann irritiert.

„Was ist?“

„Dir ist schon klar, dass Spanien in Rot spielt, oder?“

„Ach, nicht in Weiß? Dann haben die jetzt verloren?“

Jeder normale „Fan“ würde nun im Boden vor Scham versinken, doch meine Mutter schafft es, aus dieser unglückseligen Situation als moralischer Sieger hervorzugehen. „Ach, ist doch egal. Ich bin sowieso für den Besseren“, sagt sie und lacht. Selbst wenn dieser Chile ist und Spaniens Aus besiegelt. Vielleicht ist sie doch der bessere Fan.