Schüler der Uetersener Rosenstadtschule schlüpfen in die Rolle von Kommunalpolitikern. Vieles ist neu für sie

Uetersen. Politik und Entscheidungen sind nicht einfach nur da, sie werden gemacht. Und der Weg von der Entwicklung einer Idee bis zur Umsetzung derselben in einem Stadtrat ist oftmals lang und beschwerlich. Dass der Weg zum Ziel aber auch erhellend ist, diese Erfahrung haben nun Schüler der Klasse 10e der Uetersener Rosenstadtschule gemacht.

Die Schüler haben im Rathaus für einen Tag die Perspektive gewechselt und sind von der Rolle des Bürgers in die des Politikers geschlüpft. Denn die Schule hat an dem von der Stadt regelmäßig begleiteten Planspiel „Kommunalpolitik“ teilgenommen, das Jugendlichen helfen soll, Politik zu erfahren und zu begreifen und somit die Politikverdrossenheit bei jungen Menschen zu stoppen.

„Wir Politiker müssen natürlich mit dafür sorgen, dass gerade junge Menschen sich für Politik interessieren und begreifen, wozu sie da ist“, sagt Bürgervorsteher Adolf Bergmann. Das Planspiel helfe erfahrungsgemäß, das Demokratieverständnis zu fördern. Deshalb würden auch regelmäßig Schüler zu dem Projekt eingeladen – nach der Rosenstadtschule will die Stadt im Herbst mit Schülern des Ludwig-Meyn-Gymnasiums ein Rollenspiel starten.

Bürgervorsteher Bergmann ist nach Fraktionsbildungen, vielen Diskussionen und einer fiktiven Ratssitzung mit umkämpften Abstimmungen zufrieden mit dem Erreichten. „Die Klasse war engagiert dabei und hat wirklich tolle Ideen entwickelt.“ Auch die Uetersener SPD-Vorsitzende Heike Baumann, CDU-Ratsherr Björn Schreiber und Grünen-Ratsherr Bernd Möbius sind angetan von dem Engagement, das die Jugendlichen an den Tag gelegt haben. „Dass die so gut bei der Sache waren, hat mich doch ein wenig überrascht“, sagt Möbius. Denn Politik sei für viele Jugendliche doch schwer zu greifen und begreifen.

Die Rosenstadtschüler haben sich nach eigenen Angaben zu Beginn recht schwer damit getan, zu verstehen, worum es in dem Planspiel überhaupt geht. „Wir hatten überhaupt keine Vorstellung, was uns hier erwartet“, sagt eine Schülerin stellvertretend für die Klasse. Interesse an Politik, das sei bis dahin so gut wie gar nicht vorhanden gewesen. Viele hätten gedacht, sie bekämen im Rathaus einen langweiligen Vortrag von den Politikern über Politik serviert.

Doch die Aufgabe, die sie dann gestellt bekamen, sei letztlich interessant gewesen. In die Rolle von Politikern zu schlüpfen und mehrheitsfähige Beschlüsse zu fassen, das habe Spaß gemacht. Vor allem der Blick hinter die Kulissen sei spannend gewesen.

Bislang herrschte bei vielen Jungen und Mädchen in der Klasse der Eindruck vor, dass in einem Rat nur kurz über etwas abgestimmt wird „und dann ist das so“. Es habe sich gezeigt, dass viel mehr dahinterstecke, dass ein Beschluss nicht einfach so da ist, sondern erarbeitet werden muss. Und dass viel Arbeit darin stecke, einen politischen Antrag zu formulieren, ihn konsequent zu verteidigen und die anderen Parteien zu überzeugen – oder aber notfalls Kompromisse einzugehen.

„Das ist natürlich komplex und es ist nicht immer einfach für Schüler, das alles so schnell zu begreifen“, sagt Bergmann. Doch die Klasse habe sich mit Bravour der Aufgabe gestellt, sich in die Thematik eingearbeitet und dann auch recht zügig nach demokratischem Prinzipien Anträge gestellt. Am Ende fassten sie den Beschluss, das Uetersener Jugendzentrum mit weiteren 11.000Euro aus dem Haushalt auszustatten, damit dort weitere Aktionen stattfinden können.

„Wir haben gedacht, wie nehmen das Jugendzentrum als Thema, weil es jugendnah ist“, sagt Bergmann. Dennoch war es kein Selbstzünder. „Viele Schüler haben erst einmal gefragt, was sie damit zu tun hätten“, sagt Björn Schreiber, der gemeinsam mit den anderen Ratsmitgliedern den Schülern bei dem Rollenspiel beratend zur Seite stand. Doch dann hätten die Schüler verstanden, dass sie als frischgebackene Politiker nicht für sich, sondern für andere Kinder Verantwortung zu tragen haben, für andere Generationen die Stadt und ihre Angebote gestalten müssen. Dann hatten sie Verständnis dafür, über genau dieses Thema intensiv zu beraten.

Mehrere fiktive Parteien wurden gebildet, ein Bürgervorsteher, ein Bürgermeister gewählt, Fraktionschefs wurden bestimmt und Taktiken entwickelt. Wie kann was erreicht werden? Und welchen Plan B und Plan C hat die Partei in der Tasche, um beim Taktieren möglichst viel von ihren Ideen umsetzen zu können? Am Ende, so das Fazit der Schüler, sei es ganz spannend gewesen, einen Tag lang Politiker zu sein. Dass sie die Chance hatten, selbst etwas zu präsentieren, etwas zu entscheiden, das kam gut an. Weniger gut dagegen die Politikersprache. „Da waren viele Begriffe dabei, die wir anfangs nicht verstanden haben“, erzählt ein Schüler.

Politiker wollen die Jugendlichen lieber nicht werden. Das Unterordnen in einer Partei und die Komplexität der Fälle, mit denen sich Politiker oftmals beschäftigen, das schrecke eher ab. Aber zur Wahlurne wollen viele von ihnen künftig gehen. Denn wozu Wahlen da sind, das haben sie nun verstanden.