Eine Glosse von Gerd Schlüter

Astrid ist umgezogen. Von einem gemieteten alten Einfamilienhaus in eine schicke Dachterrassen-Wohnung. Erstbezug, versteht sich. Astrid braucht nicht mehr so viel Platz, weil zwei ihrer drei Kinder endlich flügge geworden sind. Das Problem an der neuen Bleibe ist nur der viel zu kleine Keller, der für das ganze Zeug, was sich so im Laufe der Jahre angesammelt hat, nicht ausreicht. Also entschloss sich Astrid, alle Sachen, die sie und ihre Kinder mindestens ein Jahr lang nicht mehr angefasst haben, zu verschenken.

Ramponierte Kasperle-Puppen, Gartenstühle, ein Planschbecken und ein Bügelautomat (heißes Teil!) waren ebenso im Angebot wie zwei nicht mehr ganz so hübsche Fahrräder und ein Schlitten der Marke Davos. Das ganze Zeug stellte sie mehr oder weniger auf den Hof ihrer neuen Bleibe – etwa zwei Meter von der Straße entfernt. Ein laminierter A4-Bogen mit dem Verweis „Zu verschenken“ sollte ihre Mitbürger animieren, ihr den Weg zum Bauhof zu ersparen. Ihr Vermieter hatte gerade die letzten Lampen an der Hofeinfahrt angebaut und seine Aluleiter (ausziehbar bis sechs Meter!) stehen lassen. Und die nutzte Astrid, um ihr Schild „Zu verschenken“ werbewirksam und für jedermann gut sichtbar in luftiger Höhe anzubringen.

Nun ist Astrid traurig. Nicht etwa, weil eine Kasperle-Puppe einsam auf einem alten Gartenstuhl zurück blieb, sondern weil sich ein Mitbürger die Aluleiter ihres Vermieters mitsamt dem „Zu verschenken“-Schild unter den Nagel gerissen hat. Statt zum Bauhof, muss Astrid nun zum Baumarkt fahren, um ihrem Vermieter eine neue Leiter zu kaufen. Was hat Astrid nur falsch gemacht?