Eine Glosse von Manfred Scholz

Manchmal hasse ich den Norden. Der Wind in der norddeutschen Tiefebene trifft – so er denn weht – auf wenig Widerstand. Wer Rennrad fährt, ist dem Gebrause ausgeliefert, zumal die Böen dabei prinzipiell nur von vorn kommen.

Aber: Bei wem soll ich mich beschweren? Wie erreichst du Petrus, im ewigen Himmels-Kabinett angeblich zuständig für Wind und Wetter? Gegen höhere Mächte ist man doch machtlos! Gestern kam ich mit einem Hobby-Rennradler ins Gespräch. Er gibt alles für seinen Sport und fährt oft zum Training in die Berge. „Da steigt die Straße vor dir kilometerlang hoch. Da brennen die Muskeln wie Hölle“, schilderte er. Ich dachte: Im Leben ist doch alles relativ. Gegen diese mühselige Kletterei ist dein blöder Wind doch nur ein müdes Lüftchen. Zudem: Ich mag keine Menschen, die sich in den Vordergrund drängen. Was treibt diese Wichtigtuer an? Ist es die Eitelkeit, die schon in der Bibel als einer der sieben biblischen Todsünden gebrandmarkt wird? Plagen die Wichtigtuer eventuell rasende Minderwertigkeitskomplexe? Oft genug verbreiten diese „Lautsprecher“ nur heiße Luft. Wer diese Leute genauer unter die Lupe nimmt, entdeckt selten Substanz.

Deshalb liebe ich das englische Understatement, das lässige wie souveräne Spielen mit der Untertreibung. Ein legendäres Beispiel aus der Leichtathletik: Einige Jahre galt ein Laufüber die englische Meile (1609 Meter) unter vier Minuten als unerreichbar. Eine Fabelmarke! Dann schaffte der Brite Roger Bannister das angeblich Unmögliche. Und wie kommentierte Bannister seine Rekord-Hatz? „Ein flottes Rennen“, sagte er grinsend, „aber auch ein wenig anstrengend“. So etwas hat Stil!