Musik des fast vergessenen Komponisten Paul Juon begeistert Klassikfans in Quickborn

Quickborn. Paul Juons Musik brennt, sie schäumt, sie wirbelt. Sie lässt den Zuhörer in Abgründe blicken, um gleich darauf seine Seele mit samtwarmen Klangfarben zu umgarnen. Kein Wunder, dass der in Moskau geborene Komponist schweizerischer Abstammung (1872-1940), der den größten Teil seines Lebens in Berlin verbrachte, zu den meistgespielten und beliebtesten Notenmeistern seiner Zeit gehörte.

Erstaunlicher ist es da schon eher, dass der Mann, der von 1904 bis 1934, an der Berliner Universität der Künste Komposition und Musiktheorie lehrte, heute trotzdem fast vergessen ist. Glücklicherweise gibt es Schatzsucher wie den Pianisten Eberhard Hasenfratz, gleichzeitig Vorsitzender des Vereins der Freunde der Kammermusik Quickborn, die solche Juwelen wieder ausgraben und der Öffentlichkeit anhand von Musik- und Textzeugnissen vorstellen.

Gemeinsam mit Geigerin Mitsuru Shiokai und Bratschistin Bettina Rühl, beide Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg, sowie Vytautas Sondeckis, Vize-Solocellist des NDR-Sinfonieorchesters, erforschte Hasenfratz jetzt am Flügel im Quickborner Artur-Grenz-Saal die schillernde Klangwelt eines Komponisten, der am Übergang zwischen Romantik und Moderne einen eigenen, fesselnden Stil entwickelte. Er war ein Wanderer zwischen den Welten, ließ sich in keine Schublade stecken. Bei aller Offenheit für Neues lehnte der Beethoven-Preisträger allerdings die kalte Logik eines Arnold Schönberg zeitlebens ab. Seine Musik blieb grundsätzlich der gefühlvollen Welt der Romantik verpflichtet.

So klang in der von Rühl watteweich phrasierten Bratschensonate D-Dur op. 15 noch deutlich die Begeisterung des jungen Juon für Brahms durch. Gleichzeitig öffnete er sich den neuen, vergleichsweise schrägen Harmonien und Rhythmen, mit denen die Pioniere der Moderne klassische Musiktraditionen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg durchschüttelten. Ein packendes Klangbeispiel dafür lieferten die vier Vollblutmusiker gleich zum Konzertauftakt mit dem Klaviertrio op. 17. Darin verwebt Juon feine, melancholische Melodiefäden mit typisch modernen Rhythmus-Fetzen und durchzieht das Gewebe mit dissonanten Querschlägern aus den Klanglabors seiner experimentierfreudigen Epoche. Und beim abschließenden Klavierquartett Nr. 1 „Rhapsodie“ in d-moll durften vor allem die Streicher noch mal so richtig aus dem Vollen schöpfen. Einfach ganz großes Ohrenkino.