Tausende von Touristen fahren alljährlich auf die Insel. Aber wie läuft dort eigentlich die Müllentsorgung? Seit 36 Jahren ist dafür die Karl Meyer AG aus Niedersachsen zuständig

Helgoland. Der Mann, der den Müll abholen soll, ist das Idealbild eines Kapitäns – weißes, volles Haar, wettergegerbte Haut und ein Gesichtsausdruck zwischen verwegen und tiefenentspannt. „Moin!“, sagt der Kapitän fröhlich. Helmut von Rönn, 58, ist Chef an Bord des Schiffes „Björn M.“, das an diesem schönen Morgen im Hafen von Helgoland liegt. Die Hummerbuden an der Hafenpromenade kann von Rönn von seiner Brücke aus nicht sehen – dafür aber die Schaufel eines Baggers, der Bauschutt in den Bauch des Schiffes lädt.

Später werden noch einige leere Container dazukommen, sowie Müll, der in den vergangenen Tagen angefallen ist. Denn Helgolands Abfall wird auf dem Festland entsorgt. Dafür, dass er dort hinkommt, sorgt Helmut von Rönn. Zweimal in der Woche steuert er die „Björn M.“ nach Wischhafen, gelegen an der Elbe im niedersächsischen Landkreis Stade. Dort hat die Karl Meyer AG ihren Sitz. Das Unternehmen, dem auch das Schiff gehört, ist alleinverantwortlich für die Abfallentsorgung auf Helgoland.

Wie das kam, erzählt Jürgen Jagdhuber, Betriebsleiter der Inselentsorgung. „Karl Meyer, der Gründer unseres Unternehmens, machte gern Urlaub auf Helgoland. In den 70er-Jahren war er einmal mit seinem Sohn Norbert hier. Da bekam er mit, dass es auf der Insel gar keine richtige Abfallentsorgung gab“, so Jagdhuber, 46 Jahre alt und selbst auf Helgoland aufgewachsen. Was „keine richtige Entsorgung“ genau bedeutet, schildert er auch: „Die Bioabfälle kamen früher ins Meer. Zum Teil wurde der Müll auch verbrannt oder am Felsen deponiert. Wenn man da heute graben würde, würde man Müll aus den Nachkriegsjahren finden.“

Ein Vertrag mit dem Wischhafener Unternehmen bereitete dem Vorgehen ab 1978 ein Ende. Die Details regelt heute eine Vereinbarung mit der Gesellschaft für Abfallwirtschaft und Abfallbehandlung (GAB), die mehrheitlich dem Kreis Pinneberg gehört.

Einige Dinge laufen auf der Insel anders als auf dem Festland: Jeder Haushalt stellt zweimal in der Woche einen Plastiksack mit sämtlichen Abfällen vor die Tür. Mülltonnen gibt es nicht. Flaschen sowie Papiermüll stellt der Helgoländer separat vor die Tür.

Alles wird abgeholt mit Lieferwagen, die auf Elektroantriebe umgerüstet sind. Für Autos mit Benzinmotor wird eine Sondergenehmigung gebraucht. Doch auch damit kann das Unternehmen dienen: „Wir haben drei Lastwagen, außerdem die beiden einzigen Kräne der Insel.“ Das bedeutet: Wer etwas transportieren möchte, kommt kaum an der Karl Meyer AG vorbei. Denn die Firma bringt auch einen Großteil aller Waren auf die Insel. Ein zweites Schiff, die „MS Helgoland“, fährt zweimal in der Woche von Cuxhaven nach Helgoland und zurück. An Bord: Getränke und Lebensmittel sowie alles, was sonst auf der Insel so gebraucht wird. Jagdhuber: „Wenn sich jemand eine Hose im Internet bestellt, bringen wie sie hierher. Und wenn sie nicht passt, dann geht sie mit unserem Schiff zurück.“

32 Mitarbeiter hat die Karl Meyer AG auf Helgoland. „Damit sind wir der drittgrößte Arbeitgeber der Insel“, sagt Jürgen Jagdhuber. Mehr Menschen seien nur bei der Gemeinde beschäftigt, und beim Alfred-Wegener-Institut, das Forschung zur Meeresbiologie betreibt. Etwa 20 Mitarbeiter kümmern sich um die Abfallentsorgung – das beinhaltet auch die Straßenreinigung im Sommer, die Schneeräumung im Winter sowie die Arbeit im inseleigenen Klärwerk.

Die Zentrale der Inselentsorgung liegt an der Hafenpromenade, in mehreren ehemaligen Hummerbuden. Auf dem Hof werden Müll und Wertstoffe gelagert. Alte Kühlschränke stehen in einer Ecke, kaputte Fernseher gleich daneben, weiter hinten liegen Papier und Pappe. Nur das Gekreische der Möwen erinnert daran, dass sich der Ort auf Helgoland befindet.

Einer der Männer, die hier arbeiten, ist Jochen Prokosch. Der 52-Jährige mit dem grauen Zopf zog erst vor drei Jahren von Regensburg auf die Insel, Nun kümmert er sich um Dinge wie „Kran, Bagger, Werkstatt“. Der Grund für den Umzug sei die „Gesundheit der Frau“ gewesen, die auf dem Festland sehr an Allergien litt – hier aber keine Probleme mehr habe. Und wie es ihm selbst geht? „Top!“ sagt Prokosch nur.

Wie Jürgen Jagdhuber sagt, gebe es manchmal auch „schwierige“ Abfälle, wie Maschinenöle oder Chemikalien. Für manche Fälle hole man sich Hilfe von einer Hamburger Spezialfirma, die zum Unternehmen gehört. Dass Schiffe Ladung verlieren – auch das gebe es. „Einmal hat ein Frachter im Sturm drei Container mit Turnschuhen einer amerikanischen Marke verloren. Das Unternehmen hat uns dann beauftragt, die an den Stränden einzusammeln.“ Anschließend seien die Schuhe auf Anweisung allesamt entsorgt worden – und zwar aus einem Grund: „Das waren die Schuhe aus einer Kollektion, die erst auf den Markt kommen sollte. Damit wären die Helgoländer dann ein halbes Jahr früher rumgelaufen.“

Mittlerweile ist es Nachmittag, die „Björn M.“ ist nach sechs Stunden fast fertigbeladen. Helmut von Rönn kann in See stechen. Sieben Stunden braucht er für die Strecke bis Wischhafen, gefahren ist er sie schon bei Windstärke acht. Heute allerdings ist die See spiegelglatt, der Käpt’n wird eine ruhige Heimfahrt haben – mit dem Sonnenuntergang im Rücken.