SPD-Landeschef Ralf Stegner über Europawahl, Verkehrsstau und die Leiden eines HSV-Fans

Pinneberg. Nach einem Besuch beim Röntgenlaser XFEL in Schenefeld machte der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner Station für ein Interview in der Pinneberger Redaktion des Hamburger Abendblattes. Zwei Termine hat sich der Fußballfan trotz eines prall gefüllten Kalenders freigehalten: Die der Relegationsspiele des Hamburger SV.

Hamburger Abendblatt:

Herr Stegner, Sie besuchten gerade das XFEL-Projekt in Schenefeld. Wird das Land dort Fördermittel für das Besucherzentrum des Röntgenlasers zur Verfügung stellen?

Ralf Stegner:

Dieser Röntgenlaser ist ein außerordentliches Forschungsprojekt, auch im bundesweiten Vergleich. Um in einem Besucherzentrum zu zeigen, worum es da geht, kann ich mir gut vorstellen, dass es vom Land gefördert wird. Ich weiß auch, dass bereits Anträge gestellt wurden. Aber entscheiden darüber muss die Landesregierung. Für Schenefeld ist das eine große Chance.

Kann man den Bürgern vermitteln, was Grundlagenforschung ist.

Stegner:

Es ist schwierig, weil ja die Anlage unter der Erde ist und für die Menschen schwer zu erkennen ist, was bei der Forschung herauskommt. Das ist bei der Forschung im Gesundheitsbereich sicher einfacher. Aber für Forschung und Entwicklung hat das XFEL-Projekt eine enorme Dimension und einen großen Effekt für die Wirtschaft im Kreis Pinneberg und die ganze Region. Es ist auch ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. So schnell wie mit diesem Teilchenbeschleuniger ist man über der Erde noch nie nach Hamburg gekommen.

Welchen Stellenwert hat die Europawahl? Warum sollten die Bürger am 25.Mai unbedingt zur Wahl gehen?

Stegner:

Ein stabiles Europa hat einen enormen Stellenwert für unser Wirtschaftswachstum. Es wird wichtig sein, Europa immer mehr zu einer Sozialunion zu entwickeln, um unseren Wohlstand zu sichern. Wir in Deutschland profitieren enorm vom Euro. Da kann es uns nicht egal sein, wie es den anderen Ländern in Europa geht. Wer nicht zur Wahl geht, muss sich darüber im Klaren sein, dass er die Rechtspopulisten unterstützt, die mehr an Gewicht gewinnen. Um den Wohlstand und den Frieden zu sichern, ist ein vereintes Europa existenziell wichtig. Darum möchte ich ausdrücklich für die Europawahl werben und die Bürger auffordern, demokratisch zu wählen.

In den nächsten zwölf Jahren wird die A7 sechs- bis achtspurig ausgebaut. Die 40.000 Pendler aus dem Kreis Pinneberg, die täglich über die A23 mit dem Auto zur Arbeit nach Hamburg fahren, fürchten den Dauerstau. Wie will die Landesregierung ihnen helfen?

Stegner:

Es gibt mit Hamburg die Vereinbarung, über ein gemeinsames Baustellen-Management die Auswirkungen in Grenzen zu halten. Komplett vermeiden lassen sie sich wohl nicht. Uns ist wichtig, dass noch mehr Menschen in den öffentlichen Personennahverkehr umsteigen. Das ist auch abhängig vom Angebot der Deutschen Bahn. Da hilft es auch, dass alle norddeutschen Länder zurzeit von SPD-Regierungen geführt werden, um hier zu mehr Kooperationen zu kommen. Zu versprechen, dass es ohne Staus ablaufen wird, geht nicht. Aber es ist nicht nur das schiere Verkehrsaufkommen, was Staus verursacht. Oft ist es auch die nicht angepasste Geschwindigkeit, die einen Stau verursacht, wie Untersuchungen zeigen. Es muss nicht jeder zum Zeitpunkt X losfahren, sondern kann sich Zeiten aussuchen, wo es besser geht. Aber angespannte Verkehrsverhältnisse wird es einige Zeit geben. Als ehemaliger Bürger Rellingens kenne ich die Region sehr gut. Sie ist eine, die verkehrlich mit am stärksten belastet ist.

Viele Handwerksbetriebe und Speditionen aus der Region fürchten sogar um ihre Existenz.

Stegner:

Mein Wunsch wäre es, dass wir zusätzliche Steuereinnahmen für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen verwenden und die Große Koalition in Berlin das auch macht. Dazu gehört auch, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt die geplante Pkw-Maut umsetzt. Wundermittel gibt es nicht. Wir werden eine Zeitlang damit leben müssen, das gilt auch für die Speditionen.

Der Bau der A20 ist bei Segeberg gestoppt. Gerade im Norden des Kreises Pinneberg versprechen sich viele Kommunen und Betriebe einen wirtschaftlichen Aufschwung von dieser Ost-West-Autobahn mit zweitem Elbtunnel. Ist diese Hoffnung noch realistisch?

Stegner:

Ich glaube schon. Die Verzögerung des Weiterbaus der A20 ist ausgesprochen ärgerlich. Zumal einige derjenigen, die der A20-jetzt-Initiative angehören, es waren, die uns diesen Schlamassel eingebrockt haben, weil sie im Verkehrsministerium schlecht gearbeitet und die Naturschutzbelange nicht berücksichtigt haben. Das kostet uns jetzt mindestens zwei Jahre. Die A20 ist für Schleswig-Holsteins Infrastruktur eine extrem wichtige Verbindung. Das sieht man allein schon daran, dass es von Lübeck nach Wolgast jetzt ein Katzensprung ist. Aber nach Lübeck muss man erstmal kommen. Das zeigt, wie wichtig die A20 ist.

Es gibt Pläne für eine neue Elbfähre zwischen Wedel und Jork. Unterstützt die Landes-SPD dieses Projekt?

Stegner:

Das ist auf jeden Fall interessant für Schleswig-Holstein und Niedersachsen, und wir sehen das positiv. Aber Landeszuschüsse kann es dafür nicht geben. Das ist EU-rechtlich ausgeschlossen. Aber eine Entlastung für den Verkehr wird das nicht bringen, wenn man die Zahlen betrachtet. Auf Hamburger Gebiet fahren täglich bis zu 150.000 Fahrzeuge über die A7 durch den Elbtunnel. Die Elbfähre könnte 600 Fahrzeuge am Tag über die Elbe bringen. Die vorherige Landesregierung hat jährlich 18 Milionen Euro in den Straßenbau investiert, was nicht einmal für den Erhalt des Status quo gereicht hat. Mit jährlich 36 Millionen Euro versucht die jetzige Landesregierung zu erreichen, dass der Zustand der Straßen zumindest nicht schlechter wird. Um den Zustand von 2005 wieder zu erreichen, müssten wir sogar 90 Millionen Euro im Jahr investieren.

Eine Frage an das Bundesvorstandsmitglied der SPD zur NSA-Affäre: Sollte Edward Snowden vom Untersuchungsausschuss des Bundestages in Deutschland befragt werden?

Stegner:

Das ist ein gravierender Vorgang, und unter Freunden ist es nicht akzeptabel, dass die sensiblen Daten aller Bürger systematisch abgeschöpft werden. Herr Snowden ist ein seriöser Mann, der sich um die Demokratie verdient gemacht hat. Es ist ja kurios, dass er nun ausgerechnet in Moskau Asyl bekommen hat. Aber wenn wir ihn nach Deutschland holten, müssten wir auch für seine Sicherheit sorgen und ihm freies Geleit garantieren können. Das ist keine triviale Aufgabe. Nicht auszudenken, es passierte ihm da etwas. Aber natürlich muss Snowden angehört werden, das hat der Untersuchungsausschuss gerade einstimmig beschlossen. Aber die Abhörmethode ist auch keine Besonderheit des amerikanischen Geheimdienstes. Alle Geheimdienste wenden wohl Methoden an, die nicht öffentlich bekannt werden.

Sie sind Fußballfan, waren Torwart der Landtagskicker und natürlich Linksfuß. Leiden Sie zurzeit mit ihrem Verein, dem HSV, der nun gerade noch die Relegationsspiele erreicht hat?

Stegner:

Da leide ich voll mit. Aber ich bin optimistisch, dass der HSV in den beiden Relegationsspielen gegen Greuther Fürth noch den Abstieg in die Zweite Liga abwenden kann. Die Substanz in der Mannschaft ist ja da. Und von seiner Tradition her gehört der HSV natürlich in die Bundesliga. Nun sind die Fußballer gefragt. Aber ich bin auch Lokalpatriot und freue mich, dass Holstein Kiel den Abstieg aus der Dritten Liga vermieden hat. Nicht nur der Handball, auch der Fußball in Schleswig-Holstein hätte einen Bundesligaverein verdient.