Ehemalige Chorknaben aus Uetersen begeistern Publikum und Kritiker. Am 9. Mai gastiert Quartonal in der Drostei

Pinneberg/Uetersen. Die neuen King's Singers könnten aus Uetersen kommen. Als Vokalensemble Quartonal sind die ehemaligen Chorknaben Mirko Ludwig, Florian Sievers und Christoph Behm gemeinsam mit dem Hamburger Bassisten Sönke Tams Freier auf dem besten Weg, die britischen A-Capella-Könige zu beerben. Am Freitag, 9. Mai, gastiert das Quartett, dessen Mitglieder heute in Leipzig, München, Hamburg und Lübeck leben, mit dem Programm „When Birds Do Sing“ in der Pinneberger Drostei. Das Konzert beginnt um 19.30 Uhr. Wer für dieses Heimspiel keine Karte mehr ergattert, hat beim Schleswig-Holstein Musik Festival die Chance, die Jungstars im Norden live zu hören. Am 2. August singen sie in Friedrichstadt, am 3. August in Nieblum auf Föhr und am 4. August im Schleswiger Dom. Karten dafür gibt es unter Telefon 0431/237070.

Hamburger Abendblatt:

Christopher Gabbitas, Bariton der weltberühmten britischen King’s Singers, lobt Ihre außergewöhnliche Musikalität, die Balance und die Leidenschaft, mit der Sie gemeinsam auf der Bühne agieren. Wie lernt man, so zu singen?

Christoph Behm:

Das fragen wir uns auch manchmal. Wir sind ja im Knabenchor groß geworden, der Uetersener Stimmbildner Harald Stockfleth hat uns natürlich ähnlich geprägt. Ich glaube, das hört man bei uns auch heute noch. Dieses Zusammenfinden, dass man am Ende einen besonderen Klang identifizieren kann, das haben wir sicherlich aus dieser Zeit.

Das waren die Grundlagen, aber wie ging es danach weiter mit der stimmlichen Ausbildung?

Mirko Ludwig:

Florian, Sönke und ich haben studiert beziehungsweise studieren noch Gesang in Leipzig, Lübeck und Bremen. Christoph hat Musikwissenschaft und BWL studiert. Aber diese Art zu singen lernt man nicht an der Hochschule.

Sondern eher im Chor?

Behm:

Im Chor und in einer Meisterklasse. Es gibt bestimmte Techniken. Darüber denkt man auf der Bühne aber nicht nach, wenn man singt, sondern das geht in Fleisch und Blut über. Zum Beispiel singen wir, anders als ein solistisch arbeitender Opernsänger, kaum mit Vibrato. Wir versuchen, möglichst geradeaus zu singen, denn nur dann können die Töne sich als Klang sauber aufeinanderlegen.

Haben Sie das schon in Uetersen gelernt?

Florian Sievers:

Absolut. Ich glaube, dieser relativ gerade, saubere Klang ist eine Grundeigenschaft von uns, die einen hochqualitativen Chor am Ende ausmacht. Das ist aber auch ganz speziell das deutsche Chorideal, würde ich sagen. Englische Chöre wie der Monteverdi Choir zum Beispiel singen mit extremem Vibrato, da stehen eigentlich 80 Solisten auf der Bühne. Das ist ein unfassbarer Sound, das bietet sich bei großen Oratorien an, weil es nicht so filigran sein muss.

Sie singen ja aber keine Oratorien, sondern Renaissance-Madrigale oder moderne Pop-Arrangements…

Sievers:

Genau. Das ist der Unterschied. Wir sind von der deutschen Chortradition sehr geprägt, weil wir jahrelang auch in deutschen Kammerchören auf einem relativ feinen Niveau gesungen haben. Diese deutsche Chortradition zeichnet sich auch durch eine große stilistische Bandbreite aus und eben durch ein bestimmtes Klangideal, um das uns viele andere Nationen manchmal beneiden.

Können Sie dieses Klangideal näher beschreiben?

Sievers:

Das bringt uns zurück auf dieses Klare. Wir versuchen eben, alle Stilepochen von Renaissance über Romantik bis zur Moderne in einen Klang zu fassen. Wir klingen bei Pop nicht großartig anders als bei Renaissance. Man würde uns immer wiedererkennen.

Wenn Sie proben, gibt’s da einen Coach? Oder regeln Sie das alles selbst?

Behm:

Das regeln wir meistens untereinander. Wir arbeiten aber auch immer wieder mit Personen, die uns von außen Feedback geben, in Meisterklassen oder mit Hamburger Chorleitern. Denn am Ende kann man noch so gut auf den Nebenmann hören – ein Ohr, das von draußen hört, hört einfach anders.

Ludwig:

Und für die aktuelle CD mit englischer Vokalmusik haben wir uns für zweimal zwei Tage den ehemaligen King’s Singer Philip Lawson eingeladen. Zum einen für die englische Aussprache, die ist ja manchmal nicht ganz ohne. Zum anderen hat er interpretatorische und technische Ideen eingebracht. Er saß also brav neben dem Tonmeister in dem kleinen Kabuff in der Kirche, hat auch für uns ein Stück komponiert, das wir dann mit ihm zusammen aufgenommen haben. Das war sehr hilfreich.

2011 besuchten Sie die Meisterklasse der King’s Singers beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Ist diese A-Capella-Formation ein Vorbild für Sie?

Behm:

Sie sind DAS Vorbild.

Warum?

Behm:

Weil sie diese Art, A-Capella-Musik zu singen, nicht nur am stärksten geprägt haben, sondern sie haben sie erfunden. Das gab es vorher nicht. Es gab die Comedian Harmonists, die einen bestimmten Stil hatten, und dann kamen irgendwann die King’s Singers. Sie haben vor über 40 Jahren am King’s College dieses Singen angefangen und sind mittlerweile absolute Weltstars mit genau der Auffassung von Vokalmusik, wie wir sie teilen.

Sievers:

Spannenderweise kamen ja auch die Mitglieder der King’s Singers aus Knabenchören. Das ist eine Parallele, die zu uns passt. Was die King’s Singers ausmacht und was wir versuchen, in unserem eigenen Stil zu verwirklichen, ist diese Bandbreite an Repertoire zu haben, aber einen gemeinsamen, unverwechselbaren Klang, also einen durchgehenden roten Faden, sodass Renaissance nicht anders klingt als Pop.

Drei von Ihnen haben das ABC des Chorgesangs in Uetersen erlernt. Was macht diese Talentschmiede so erfolgreich?

Behm:

Mit Sicherheit ist der Chorleiter Hans-Joachim Lustig ein Erfolgsfaktor. Er schafft es auf eine sehr beeindruckende Weise, junge Kinder zu motivieren. Das ist vielleicht auch der große Unterschied zu den Hamburger Knabenchören. Da ist Chorsingen, glaube ich, tatsächlich ein bisschen mehr Kultur. Bei uns in Uetersen war das anders. Ob man zum Knabenchor geht oder zum Fußballtraining, das ist in Uetersen das Gleiche.

Wann war der Moment, als Sie beschlossen haben, ein Ensemble zu gründen?

Sievers:

Im Regionalzug von Pinneberg nach Tornesch, als wir im Herbst 2004 mit dem Kammerchor I Vocalisti von einem Wettbewerb in Spanien wiederkamen. Dort Erfolg zu haben, war so ein tolles Erlebnis. Danach ging es ab, das war ein Wendepunkt.

Sie arbeiten alle viel solistisch. Trotzdem machen Sie mit Quartonal weiter. Was ist das Schöne an diesem Vierergesang?

Ludwig:

Es ist unser eigenes Projekt. Als Solist hat man immer einen Dirigenten, dessen Wünsche man erfüllen muss. Mit anderen Ensembles gibt’s immer einen, der sagt, wie’s ist. Und hier haben wir Vier die Möglichkeit, unsere eigene musikalische Überzeugung zum Ausdruck zu bringen.