Nach Tod der Wedelerin Hülya, 51, wird Sohn Güney A. dauerhaft eingewiesen. Opfer war eine bekannte Feministin

Wedel. Immer wieder bleiben Passanten am Montag neugierig vor dem rot-weißen Flatterband stehen, das die Zufahrt zum Einfamilienhaus an der Rudolf-Breitscheid-Straße versperrt. Im Erdgeschoss des älteren Gebäudes, dessen Rollläden heruntergelassen sind, hat sich am Sonnabend eine fürchterliche Bluttat abgespielt: Wie von Sinnen muss der 29-jährige Güney A. auf seine Mutter Hülya eingewirkt haben. Die übel zugerichtete Leiche der 51-Jährigen wurde gegen 16 Uhr von Polizisten gefunden, nachdem Verwandte der Frau Alarm geschlagen hatten. Der mutmaßliche Täter wurde am Sonntagabend in Berlin festgenommen und in die Psychiatrie eingewiesen.

Um 14 Uhr hätte Hülya A. eine Veranstaltung in Hamburg mit Menschenrechtsaktivisten moderieren sollen. Als sie nicht kam, machten sich Bekannte Sorgen. Sie wussten um die Probleme mit dem Sohn, der als gewalttätig und schizophren galt. Ihre Schwester und die Ex-Schwägerin machten sich so große Sorgen, dass sie nach Wedel fuhren. Weil Hülya auf Anrufe und Klingeln nicht reagierte, wurde die Polizei gerufen. Die Beamten verschafften sich schließlich Zutritt zum weiß-grauen Einfamilienhaus. Laut Informationen des Abendblattes bot sich den Einsatzkräften ein schrecklicher Anblick. Der Täter war mit massiver Gewalteinwirkung auf das Opfer losgegangen, er soll mit einem Messer mehrmals zugestochen haben.

Die Familie des Opfers steht unter Schock. Noch am Sonnabend wurden die Angehörigen in der Wedeler Feuerwehrwache untergebracht. Darunter auch Ehemann Cemal A., der einen Marktstand in Hamburg-Wilhelmsburg betreibt und zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause war, und Cem A., 23, der zweite Sohn des Paares. „Die Polizei hat sich mangels Möglichkeiten auf der Suche nach einem Betreuungsort an uns gewandt. Wir haben dann unseren Versammlungsraum zur Verfügung gestellt“, berichtet Feuerwehr-Sprecher Dennis Renk. Aus Holm und Ellerbek kamen Notfallseelsorger des Kriseninterventionsteams der Kirchengemeinde.

Über die sozialen Netzwerke im Internet verbreitete sich die Nachricht vom Tod von Hülya A. in der Alevitischen Gemeinde schnell, auch berichteten mehrere türkische Online-Portale über den Mord an der bekannten Feministin. Viele Gemeindemitglieder brachen auf, um den Angehörigen beizustehen. „Anders als bei uns Deutschen stützt und umsorgt dort der große Familienverbund die Betroffenen. In der Spitze waren bis zu 55 Personen in der Wache, um ihr Beileid auszudrücken“, erinnert sich Renk. Dank des starken Rückhalts wurden die Einsatzkräfte eines bereitstehenden Rettungswagens nicht benötigt. Nach einigen Stunden hatten sich die Angehörigen gefasst. Gegen Mitternacht verließen die letzten Trauernden die Wache. Der Ehemann kam bei Angehörigen unter, Sohn Cem war bereits vor einigen Jahren ausgezogen und lebt in Hamburg.

Unter den Trauernden in der Wedeler Wache war auch Reyhan Zeran. Sie konnte den Tod ihrer guten Freundin auch am Montag nicht begreifen. „Hülya war eine sehr unabhängige Frau, die sich als Sozialistin und Feministin verstand. Sie war auch sehr kreativ und hat schöne Kurzgeschichten geschrieben, die sie mal als Buch veröffentlichen wollte“, sagt Zeran. Hülya A. war in der türkischen Gemeinde in Hamburg sehr aktiv. Sie engagierte sich unter anderem im Verein Scheherazade, einem interkulturellen Frauen- und Kunstverein. Zudem war sie Mitglied der Föderation der Arbeiter aus der Türkei in Deutschland (ATIF) und arbeitete mit dem Migrations-Zentrum Hamburg zusammen. Die in der Türkei geborene Hülya A. beteiligte sich an Demonstrationen, organisierte Lesungen und Diskussionsveranstaltungen.

Unter anderem arbeitete die gelernte Sozialpädagogin für den Verein Jugendhilfe in Hamburg. Von 2006 an trat sie beruflich kürzer. Grund war ihr Sohn Güney A., der mit einem Freund nach einem Fußballspiel auf St. Pauli überfallen und sehr schwer verletzt worden war. Laut Angehörigen soll er mehrere Monate im Koma gelegen haben, danach traten die aggressiven Schübe und schizophrenen Anfälle auf. Vor der schicksalhaften Attacke verlief das Leben des 29-Jährigen normal. Er machte 2005 am Hamburger Kurt-Tucholsky-Gymnasiums sein Abitur und hatte ein Studium begonnen.

Laut Zeran scheiterten Versuche der Familie, den Sohn in psychiatrische Behandlung zu schicken, teils an den Behörden und teils an dem Sohn selbst. Die Mutter hätte trotz der Gewaltausbrüche ihres Sohns nicht den Kontakt abbrechen wollen. Freundin Zeran sagt: „Trotz allem Schlimmen blieb Hülya immer eine herzliche Frau, die ihren Sohn nur irgendwie retten wollte.“

Der flüchtete nach der tödlichen Attacke nach Berlin. Am Sonntagabend geriet er am Hauptbahnhof in eine Fahrscheinkontrolle, wo er kein gültiges Ticket vorweisen konnte. Als die Beamten seine Personalien überprüften, stießen sie auf den Suchvermerk. Am Montag wurde dem 29-Jährigen in Berlin der Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Itzehoe verkündet, anschließend kam er in eine geschlossene Klinik in der Hauptstadt. „Aufgrund seines psychischen Zustands konnte er bisher nicht vernommen werden“, sagt Polizeisprecherin Merle Neufeld am Montag. Wann die Mordermittler der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe mit Güney A. reden können und er in eine Einrichtung nach Schleswig-Holstein überstellt wird, sei nicht geklärt. Der Tatort bleibt bis Ende der Woche für die Spurensicherung beschlagnahmt.