Sozialministerin, Gewerkschaft und Kita-Chefinnen halten Studium angesichts hoher Anforderungen für sinnvoll

Kreis Pinneberg . Wenn Erzieher in Kindertagesstätten Kleinkinder betreuen, geht dies weit über reine Beaufsichtigung hinaus. Wie weit, zeigt ein Blick in die Bildungsleitlinien des Landes Schleswig-Holstein: Von musisch- ästhetischer Bildung, Sprache und Mathematik ist dort die Rede, sowie von Ethik, Religion und Philosophie. Um diesen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, sollten künftige Erzieher ihren Beruf in einem Studium erlernen, so die Forderung vieler Bildungsforscher, die dabei gern auf das Vorbild Skandinavien verweisen.

Studiumsmöglichkeiten gibt es in Schleswig-Holstein bereits. In Flensburg startet demnächst ein neuer Master- Studiengang für Kita-Leitungen, an der Fachhochschule Kiel wird seit 2007 der Bachelor-Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter angeboten. Die berufliche Ausbildung zum Erzieher inklusive erforderlicher Praktika dauert vier bis fünf Jahre, es folgen Weiterbildungen. Doch sollte ein Studium für alle Erzieher – oder zumindest die Kita-Leiter – verpflichtend werden?

Zu den Befürwortern einer Ausbildungsreform gehört die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Eine Aufwertung ist dringend notwendig, die Zeiten haben sich gewandelt“, sagt Landesgeschäftsführer Bernd Schauer. Er plädiert für ein praxisbezogenes Fachhochschulstudium für alle Erzieher. „Der direkte Bezug zum Alltag ist wichtig, um den Anforderungen gerecht zu werden.“ Auch angesichts des Personalmangels sei eine Aufwertung des Berufs und eine bessere Bezahlung dringend notwendig. Den neuen Master-Studiengang sieht Schauer jedoch skeptisch, er sei zu stark an der Lehrerausbildung orientiert. „Die besondere Art und Weise, wie kleine Kinder lernen, darf nicht auf der Strecke bleiben. Wir wollen keine Vorschule in den Kitas.“ Zudem seien die Studiengebühren inakzeptabel.

Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit, SPD, hält eine verbesserte Ausbildung und Studienangebote ebenfalls für notwendig. „Kitas brauchen motivierte und qualifizierte Mitarbeiter, die mit Engagement für die Kinder da sind und die gemeinsame Arbeit weiterentwickeln. Eine gute Personalmischung, die akademisch ausgebildetes Personal einschließt, ist dazu ein guter Beitrag.“ Zudem gebe es im Land viele Weiterbildungsmöglichkeiten für bereits berufstätige Fachkräfte.

Bei Kita-Leiterinnen im Kreis Pinneberg kommen die Überlegungen, die Ausbildung zumindest ein Stück weit zu akademisieren, gut an. Sie wissen, was es bedeutet, Kinder gemäß den Bildungsleitlinien in ihren jeweiligen Fähigkeiten zu stärken. Erzieher würden zwar gut aus- und weitergebildet. Doch um eine Kita zu leiten, sei das Wissen aus der Praxis oft nicht mehr ausreichend, sagt Frauke Schöneich-Priebe, Leiterin der Integrativen Kita Hasenbusch der Lebenshilfe in Elmshorn. „Das ist ein enorm vielschichtiger Job mit Budgetverantwortung, für den Erfahrung allein nicht ausreicht.“

Ganz wichtig sei die Kommunikation, da auch zahlreiche Elterngespräche geführt werden müssten. Außerdem sei eine gewisse Standfestigkeit notwendig, meint die Kita-Chefin. „Wir haben oft mit Gegenwind zu kämpfen.“ Deshalb ist aus ihrer Sicht eine Weiterbildung oder auch ein Studium, in dem künftige Führungskräfte mit der Methodenvielfalt im Kita-Bereich vertraut gemacht werden, sinnvoll.

Auch Nadine Kube sieht Bedarf für eine akademische Ausbildung. Die Leiterin des katholischen Kindergartens St. Marien in Quickborn sagt mit Blick auf den neuen Masterstudiengang: „Gerade Erzieherinnen, die schon länger im Beruf sind, haben so die Möglichkeit, sich berufsbegleitend auf eine Leitungsstelle vorzubereiten.“ Sie kritisiert allerdings die hohen Kosten. Inhaltlich sollte der Studiengang noch stärker auf die Themen Kommunikation, Elternarbeit, Finanzen und Buchhaltung eingehen, sagt Kube. Vor allem letztere seien Bereiche, auf die Erzieher in Ausbildung und Praxis bisher wenig bis gar nicht vorbereitet würden.

Ute Rodenwald geht noch weiter. „Alle Erzieher sollten studiert haben“, sagt die Leiterin der Awo-Kita Dolli Einstein Haus in Pinneberg. „Die Anforderungen sind mittlerweile sehr hoch. Die Ausbildung reicht bei weitem nicht mehr aus, um dem gerecht zu werden.“ Viele Kinder seien sechs bis acht Stunden in einer Einrichtung, Erzieher übernähmen immer mehr Familienaufgaben. Dementsprechend müssten die Kollegen geschult sein, um beispielsweise Entwicklungsberichte zu erstellen und die Elternarbeit zu bewältigen. „Es geht in unserem Beruf gar nicht mehr ums Spielen und Basteln“, sagt Rodenwald. Vielmehr werde den Kinder spielerisch Bildung vermittelt. „Das ist die hohe Kunst.“

In Deutschland werde viel von frühkindlicher Bildung geredet. „Aber umgesetzt wird es nicht.“ Es gebe zwar viele Fortbildungsangebote und engagierte Kollegen, die sich immer wieder auf den aktuellen Stand bringen – trotz schlechter Aufstiegschancen und geringer Bezahlung. Ein Studium für alle Erzieher, in dem zum Beispiel Pädagogik und Psychologie gelehrt würden, könnte dem Berufsstand aber nur nutzen, meint die Kita-Chefin. „Das wäre eine Aufwertung unserer Verantwortung. Es geht um eine grundsätzliche Haltung.“

Das meint auch Nadine Kube. „Um eine Aufwertung unseres Berufes zu erlangen, wäre ein Studium zur Erzieherin sicher sinnvoll. Ich bezweifle aber, dass es so kommen wird. In den Köpfen ist der Weg zur Bildungseinrichtung für Kinder vor der Schule noch weit.“