Eine Glosse von Gerd Schlüter

Dass Fahrschüler möglichst unter praxisnahen Bedingungen ausgebildet werden sollten, leuchtet mir ein. Obwohl ich der Meinung bin, Fahrlehrer sollten das Einparken schon mindestens einmal auf der grünen Wiese geübt haben, bevor sie ihre Führerschein-Aspiranten auf die Menschheit loslassen und sie nachmittags im mittleren Berufsverkehr an einer Hauptstraße einparken lassen.

Eine junge Dame hatte jüngst vor meinen Augen alle Mühe, einen blauen Tiguan einzuparken. Zwar fehlte dem Wolfsburger SUV gänzlich das „Bitte-haben-Sie-Verständnis-Schild“, aber an den zusätzlichen Außenspiegeln erkennt fast jeder: Hier ist nicht unbedingt ein Routinier am Werk! Zum Glück war’s ein Behinderten-Parkplatz, der ja beim Einparken ein wenig mehr Freiheit bietet. Vor, zurück, Motor stirbt ab, vor und zurück usw. Übung macht den Meister!

Die Schlange der Autos hatte sich mittlerweile über mehr als hundert Meter ausgerollt. Eilige Autofahrer waren zwar genervt, aber niemand sichtlich erregt oder drückte etwa auf seine 12-Volt-Tuba. Endlich war es geschafft! Doch statt sich nun wieder in den fließenden Verkehr einzuordnen, drehte die junge Dame dem Auto mit Absicht den Saft ab und blieb auf dem Behinderten-Parkplatz stehen. Der junge Fahrlehrer nahm sich die Freiheit und stieg aus, um ein Schriftstück im Rathaus abzugeben bzw. in den Briefkasten zu werfen.

Nach wenigen Minuten kam er zurück, stieg ins Auto, telefonierte mit seinem Handy – und ab ging die Post. Solche vorbildlichen Fahrlehrer braucht das Land!