Der Schauspieler Gustav Peter Wöhler liest im Rellinger Rathaus aus seinem Lieblingsroman „Hiob“ von Joseph Roth

Rellingen. Bundesweit bekannt wurde der Schauspieler Gustav Peter Wöhler, 57, vor allem durch komische Rollen, etwa als Film-Zwerg an der Seite von Otto Waalkes. Dabei schlägt sein Herz eher für tragische Figuren. Am 25. April liest er im Rellinger Rathaus, Hauptstraße 60, aus seinem Lieblingsroman „Hiob“ von Joseph Roth. Im Interview verrät er, warum dieses Buch ihn fasziniert und wie er neben seiner Bühnenkarriere zum Kulturrocker wurde. Die Lesung beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt kostet 15 Euro pro Person.

Hamburger Abendblatt:

Sie lesen in Rellingen aus dem Roman „Hiob“ des galizischen Autors Joseph Roth, der sich 1939 im französischen Exil das Leben nahm. Warum liegt Ihnen dieser Stoff so am Herzen?

Gustav Peter Wöhler:

Es hat mich schon beim ersten Lesen zutiefst berührt. Die Geschichte eines Menschen, der wie Hiob in der Bibel immer wieder in schwierige Situationen gerät, der sich entscheiden muss gegen sein eigenes Kind, und das Ganze endet in einem sehr guten und gleichzeitig sehr traurigen Sinne. Ich halte es für eine der schönsten Erzählungen, die ich kenne.

Wie sind Sie auf das Buch gekommen?

Wöhler:

Ich habe es von Ulrich Tukur geschenkt bekommen, als wir „Wie es Euch gefällt“ und „Hamlet“ gemacht haben. Und es wurde sofort mein Lieblingsbuch.

Hat die Wahl des Romans für die Lesung in Rellingen auch damit zu tun, dass Sie jetzt in Anatevka auf der Bühne stehen? Das ist ja eine ähnliche Umgebung wie in „Hiob“, das jüdische Leben im osteuropäischen Schtetl zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Wöhler:

Es hat diese ähnliche Schtetl-Geschichte, ja. Das ist aber nicht der Grund, warum es mein Lieblingsbuch ist. Es ist einfach fantastisch geschrieben und es ist eine zu Herzen gehende, berührende Geschichte.

In Rellingen können Sie ja nicht den ganzen Roman vorlesen. Wie kürzen Sie den Stoff?

Wöhler:

Ich werde zwei, drei Kapitel herausnehmen und versuchen, einen Bogen in der Geschichte zu schaffen. Ich werde natürlich zwischendurch erklären, was in der Zwischenzeit passiert ist, aber das geht. Ich freue mich auf Rellingen. Ich bin schon zweimal gefragt worden, aber es hat zeitlich leider nicht früher geklappt. Und dann kann ich auch noch ein Buch lesen, das mir sehr am Herzen liegt.

In Rellingen passen nur 100 Leute rein, das ist ein eher kleiner Rahmen …

Wöhler:

Für eine Lesung ist das doch viel, finde ich.

Sie würden also nicht vor 500 Leuten lesen wollen?

Wöhler:

Ich habe jetzt gerade vor 900 Leuten gelesen, bei der Lit Cologne. Aber das bekommt dann mehr so einen Eventcharakter.

Was ist die Herausforderung für Sie als Schauspieler, wenn Sie das vor dieser kleinen, intimen Runde lesen?

Wöhler:

Da versuche ich, das, was ich beim Lesen empfinde und das, was der Autor vielleicht ausdrücken wollte, durch meine Lesung rüberzubringen. Wichtig beim Lesen ist mir, dass man den Zuhörer berührt und vielleicht dazu animiert, sich von der Geschichte mitnehmen zu lassen.

Das ist ja eine sehr ernsthafte Geschichte. Sie sind aber durch komische Rollen bekannt geworden, etwa als einer der „Sieben Zwerge“ im Kinofilm neben Otto Waalkes. Und auch, wenn Sie als Sänger mit der Band auftreten, geht das eher nach vorn. Sind Sie lieber im komischen oder im ernsten Fach unterwegs?

Wöhler:

Das nehme ich, wie es gerade kommt. Wenn ich lese, suche ich mir meistens Geschichten aus, die einen ernsthafteren Charakter haben, weil ich sie persönlich lieber mag als komische Sachen. Ich bin vielleicht ein Komiker und mag es auch, auf der Bühne die Sau rauszulassen, aber bei solchen Sachen nicht. Die interessieren mich nicht.

Wann sind Sie mit sich auf der Bühne zufrieden?

Wöhler:

Bei einer Lesung ist es schwer zu sagen, ob das ankommt. Ich bin dann auch so konzentriert auf den Text, dass ich nicht darauf achte, wie es wirkt.

Und auf der Theaterbühne? Oder mit der Band? Das ist ja eine ganz andere Atmosphäre. Wann sind Sie da mit sich zufrieden? Gibt’s da so einen Punkt, wo Sie sagen: Das kam jetzt gut rüber?

Wöhler:

Ich kann Ihnen gar nicht genau sagen, wann. Es gibt halt Momente, wo ich mit mir zufrieden bin. Oder eben nicht. Das hat was mit einem inneren Zustand zu tun, wie man sich gerade empfunden hat. Ob man mit dem Text hadert oder es auf der Bühne zu Problemen mit Kollegen kommt. Da ist man natürlich unzufrieden. Aber es sind oft keine guten Aufführungen, wenn alles gut läuft.

Gibt es Rollen, die Sie nicht spielen würden? Was ist Ihnen da als Schauspieler wichtig?

Wöhler:

Das gibt manchmal so Rollen, die ich einfach doof finde. Ich sollte jetzt in „Fuck ju Göte“ mitspielen. Da habe ich das Drehbuch gelesen, und das interessierte mich nicht. Jetzt hab ich den Film gesehen, und das hat mich bestätigt.

Das war ja ein Kassenknüller …

Wöhler:

Mein Gott, Kassenknüller. Die „Sieben Zwerge“ waren auch ein Kassenknüller, da wollte ich auch erst nicht mitspielen.

Und welche Figur würden Sie gern mal verkörpern?

Wöhler:

Ich drehe zum Beispiel einen Kurzfilm an der Filmhochschule in Köln, eine ganz wunderbare Geschichte mit dem Titel „Herman the German“ über einen Bombenentschärfer. Das ist eine sehr interessante, witzige Geschichte. Solche Figuren interessieren mich. So Menschen aus dem Leben eben.

Warum interessieren die Sie?

Wöhler:

Weil sie am meisten Futter haben. Mehr als irgendwelche hergeholten Figuren. Und weil ich sie natürlich auch am besten erarbeiten kann.

Warum haben Sie sich als junger Mann eigentlich für die Schauspielausbildung entschieden?

Wöhler:

Ich fand es erst ein bisschen elitär. Und dann habe ich gemerkt, dass das ein Beruf ist, der Spaß macht, und gleichzeitig lernt man auch etwas über Menschen. Es ist ein analytischer Beruf, und da ich mich immer für Psychologie und Psychoanalyse sehr interessiert habe, habe ich gesagt: Mensch, das kann man alles zusammenfügen. Meine Musikalität und alles kommt darin zusammen.

Welche Instrumente spielen Sie eigentlich?

Wöhler:

Gar keine. Blockflöte.

Aber Sie sind offenkundig ein musikalischer Mensch. Seit 15 Jahren treten Sie mit Ihrer Band als Sänger auf. Wie kam es, dass Sie diese Karriere auch noch angeleiert haben?

Wöhler:

Das ging erst gar nicht, weil ich viel zu viel zu tun hatte mit dem Schauspiel. Aber ich hab immer viel gesungen mit Freunden. Und dann hatten wir halt eine Theaterband, bei der „St. Pauli Saga“ und haben mal so auf dem Samstagabend in der Kantine ein Konzert gegeben. Das wurde Kult, das wurde dann jeden Monat wiederholt. Und irgendwann bekamen wir Anfragen aus anderen Städten. So fing das an.

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Sie erfüllen ja optisch nicht direkt das Klischee vom Rockstar à la Bruce Springsteen oder Mick Jagger.

Wöhler:

Nee. Aber das Ganze hat ja auch Parodiequalitäten. Wir machen ja Coverversionen von diesen ganzen Bands. Und wenn dann jemand wie ich auf die Bühne kommt und anfängt zu rocken, ist das, glaube ich, schon ganz komisch.

Das klingt nach Selbstironie. Sind Sie jemand, der sich selbst auf die Schippe nehmen kann?

Wöhler:

Na ja, ich nehme mich nicht allzu ernst. Ich kann ganz gut über mich selbst lachen.

Welche Rolle würden Sie gern mal spielen? Welcher Stoff würde Sie interessieren?

Wöhler:

Es wäre mal interessant, einen Menschen zu spielen, der in meinem Alter merkt, dass sein Leben, das er bisher gelebt hat, in die falsche Richtung ging. Und der das erkennt und beginnt zu überlegen: Wer bin ich eigentlich? Und was kann ich noch verändern? Also so eine Lebenskrise. Spannend.