Mit einem Experten auf Tour: Ulf Dallmann über Stolperfallen, Brachflächen und das Potenzial einer richtigen Stadtmitte

Schenefeld. Ulf Dallmann hat einen forschen Schritt am Leib. Der neue Stadtplaner im Schenefelder Rathaus rennt bei unser Tour durch die Stadt vor. Plötzlich bleibt er stehen, zeigt auf eine Bank und sagt: „Würden Sie sich hier hinsetzen?“ Die Bank steht an einer der stärksten befahrenen Kreuzungen Schenefelds, mit Blick auf einen kleinen ungepflegten Parkplatz.

Zwischen Osterbrooksweg, Altonaer Chaussee und Industriestraße rauschen die Autos vorbei. Wer den Geruch von Abgas mag, für den ist das vielleicht ein Platz zum Ausruhen. Nein, nicht einmal dann. Hier setzt sich nur jemand hin, der nicht anders kann, vielleicht schlecht zu Fuß ist. Aber gerade diese Menschen haben Besseres verdient. „Und diese drei traurigen Tulpen“, sagt Dallmann kopfschüttelnd.

Dabei bietet diese Ecke viel Potenzial. Vor allem weil der besagte Parkplatz der Stadt gehört. Genauso wie die gegenüber liegende Fläche am Timmermannsweg, die derzeit nur zum Abstellen von Autos dient. Im Besitz der Stadt sind zudem die angrenzenden Gebäude, in denen die Sozialberatung und die Bücherei untergebracht sind, sowie weitere Grundstücke am Heisterweg und rund ums Rathaus. Die Idee, den Stadtkern Schenefelds weiterzuentwickeln, ist alt. Sehr alt. Doch trotz großer Pläne und Architektenwettbewerbe ist bislang nichts passiert. Jetzt startet ein neuer und vielversprechender Anlauf, Schenefeld eine richtige Mitte zu verpassen.

Finanzielle Hilfe könnte es dafür von Bund und Land geben. Die Politiker hoffen auf Millionen von Euro aus einem neuen Fördertopf zur Entwicklung von „Aktiven Stadt- und Ortsteilzentren“. Dafür hat Dallmann kürzlich einen Antrag beim Innenministerium des Landes eingereicht. Erste positive Signale aus Kiel gab es bereits, dass Schenefeld 2014 in das Städtebauförderprogramm aufgenommen werden könnte.

Laut Innenministerium haben 18 Kommunen in der ersten Ausschreibungsstufe ihr Interesse an dem Programm bekundet. Sechs von ihnen, darunter Schenefeld, dürfen weiter hoffen. Wie groß der Topf ist, steht aber erst fest, wenn der Bundeshaushalt beschlossen ist und Schleswig-Holstein sein Städtebauförderungsprogramm aufgelegt hat. 2013 stellte der Bund 100 Millionen Euro für solche Projekte zur Verfügung, etwa sechs Millionen davon flossen ins nördlichste Bundesland.

Ein Café und Geschäfte sollen den Rathausplatz beleben

Es gibt Flächen, den Wunsch, etwas anzupacken, und gute Aussicht auf Fördergeld – Zeit, sich Schenefeld aus einem anderen Blickwinkel anzusehen. Stadtplaner und Architekt Dallmann sieht, wofür das Geld eingesetzt werden könnte, woran es derzeit in Schenefeld hapert.

Zwei Stunden sind wir unterwegs. Vom Rathaus geht’s vorbei an der alten Bücherei, über die Kreuzung Altonaer Chaussee, hinüber zum Stadtzentrum, durch das Einkaufscenter. Gegenüber dem Eingang zum Unternehmen Harry wird gestoppt und gedreht. Wir wandern über die Luninezbrücke zum Bürgerbüro und zurück zum Startpunkt, dem Rathausvorplatz.

Für Schenefelder und Besucher sind das bekannte Strecken. Diese Wege ist man Hunderte Male gelaufen. Aber durch die Augen eines Stadtplaners betrachtet sieht Schenefeld anders aus. Dallmann lenkt den Blick auf solche Details wie die Bank mit rauschender Parkplatzaussicht. Er bemängelt kleine Dinge, die fehlen, aber eine Stadt lebenswerter machen können.

Aber er hat auch das große Ganze im Kopf. Für ihn sind Parkplätze ungenutzte Brachflächen, Bordsteine Stolperfallen, der Rathausplatz ein Areal, dem die Grenzen fehlen, und Schenefeld eine Stadt ohne richtige Mitte, aber mit ganz viel Potenzial. Zum Beispiel rund um den neu gestalteten Rathausvorplatz. Hier wünscht sich der Stadtplaner größere Gebäude, die den Platz umschließen, und Einzelhandel oder Gastronomie wie ein Café, die ihn beleben. Zudem könnte er sich vorstellen, die Fläche zu erweitern, um den Marktplatzcharakter zu verstärken.

Dallmann kritisiert Wegeverbindungen zum Stadtzentrum als ungenügend

Um Schenefelds Mitte zu einem attraktiven Treffpunkt zu machen, hofft Dallmann auch auf eine Modernisierung des städtischen Dienstleistungsbereichs an dieser Stelle. „Nehmen wir die Stadtbücherei. Das ist einer Stadtmitte nicht angemessen“, sagt er mit Blick auf das in die Jahre gekommene Gebäude, dem anzusehen ist, dass es einst als Feuerwehrwache diente.

Er favorisiert wie Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof und einige Politiker die Bündelung von städtischen Einrichtungen wie Sozialberatung, Bücherei und Bürgerbüro in einem modernen barrierefreien Gebäude. Aus Sicht Dallmanns ist auch die Integration des Schenefelder Einkaufszentrums eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Beim Gang entlang des Einkaufszentrums lobt er dessen Architektur, bemängelt aber die Wegeverbindungen. „Es ist überhaupt nicht in den Stadtorganismus integriert.“

Bis sich in Schenefelds Mitte sichtbar etwas ändert, können allerdings noch bis zu drei Jahre vergehen. Dallmann rechnet nicht damit, dass vor 2015 Fördermittel fließen. Zudem sollten Schenefelder die Möglichkeit bekommen, sich an dem Gestaltungsprozess zu beteiligen, meint Dallmann. „Was nützt der schönste Platz, wenn er nicht angenommen wird, weil er nicht zu den Schenefeldern passt?“