Mit Genossenschaftsmodell wollen Bürger einen Raum für Einkauf, Kultur und Begegnung schaffen. Start ist am 3. Mai

Hetlingen. Der Tante-Emma-Laden ist tot. Lang lebe der Tante-Emma-Laden! Klingt absurd, ist es aber nicht. Denn in Hetlingen ist genau das passiert: Nachdem die letzten kleinen Krämerläden im Ort aus wirtschaftlichen Gründen vor mehreren Jahren dicht gemacht haben, haben die Hetlinger diese kleinen Geschäfte mit nützlichen Dingen für den täglichen Bedarf prompt vermisst. Mal eben noch ein wenig Mehl und Zucker kaufen, dabei einen kleinen Plausch über das Dorfleben führen – das war einmal. Wie heißt es so schön: Man weiß erst, was man schönes hatte, wenn es nicht mehr da ist. Daher will nun eine Gruppe von Bürgern das Rad der Geschichte zurückdrehen und einen neuen alten Tante-Emma-Laden in Hetlingen aufmachen.

Bereits vor knapp zwei Jahren hatten mehrere Bürger die Idee, einen Dorfladen zu gründen, der mehr als nur ein kleines Geschäft sein soll. Es sollte auch ein Ort für Begegnungen entstehen, so der Gedanke der Gruppe um Jan Prange, Robert Wieber und Corinna Lauritzen. Doch die Idee kam nie so richtig voran, weil einfach das passende Grundstück fehlte und auch die Finanzmittel knapp waren.

Manchmal braucht ein Projekt auch Glück, damit es klappt. Im Fall der Hetlinger hat das Glück einen Name: Rusta Mizani. Der 38-Jährige ist vor sechs Monaten mit seiner Familie von Hamburg nach Hetlingen gezogen. Er erwarb das Haus, in dem früher nacheinander die Post, die Schatzkiste und ein Friseur ihre Räume hatten. Seit geraumer Zeit stand das Gebäude leer. Mizani kaufte es und begann kurz darauf mit Renovierungsarbeiten.

„Ich hatte das Haus ohne konkrete Vorstellungen für die zugehörige Ladenfläche gekauft. Durch Zufall hörte ich dann von dem Dorfladen-Projekt und dass es zu scheitern drohte, weil die Initiatoren keinen Raum dafür fanden“, sagt der Neu-Hetlinger. Das Projekt war ihm sofort sympathisch; und da er in Berlin einst etwas Ähnliches auf die Beine gestellt hatte, wusste er, wie wichtig solche identitätsstiftenden und sozialen Projekte sein können. „Meine Frau und ich haben uns gesagt, es wäre doch schade, wenn so ein Projekt an einer Banalität scheitert“, sagt Mizani. Deshalb ging er auf die Hetlinger zu und stellte ihnen den leeren Anbau an seinem Haus für den geplanten Dorfladen zur Verfügung.

Die Offenheit Mizanis kam bei den Hetlingern gut an und schnell wurde an den Plänen für das Projekt weitergefeilt. Die größte Hürde, so ist sich die inzwischen elfköpfige Planergruppe sicher, sie ist mit dem gefundenen Ladenareal genommen. Nun geht es darum, das Projekt mit Leben zu füllen. Nicht nur Waren sollen über den Tresen gehen. Nein, das Ganze soll mehr sein, nämlich auch ein Treffpunkt für alle Menschen in der Gemeinde.

In dem Marschtreff, so der Name für das Projekt, soll es jedoch keine frischen Brötchen, Obst und Gemüse geben, denn dann würde der Laden in Konkurrenz zu anderen Geschäften im Ort stehen und damit eventuell zum Feindbild werden. Belegte Brötchen, Kaffee und Kuchen, das ist aber geplant. Und alles, was mal so eben noch zum Kochen und Backen gebraucht wird, was aber sonst nur im entlegenen Supermarkt zu haben ist. Auch Schulausrüstung, ein Fahrradverleih und Getränke sind im Gespräch.

Es gehe bei dem Projekt auch darum, eine gewisse Idylle zu schaffen und einen Anlaufpunkt für andere Aktionen im Ort, denn das fehle bislang, so Mizani. Da der Laden ehrenamtlich betrieben werden soll und vorerst nur an drei Tagen in der Woche zu Zeiten geöffnet sein soll, die die Hetlinger auch für sinnvoll ansehen, könne der Raum auch etwa für Nähgruppen, Lesungen und anderes genutzt werden.

Geplant ist das Projekt als Genossenschaft. Jeder Bürger, der Lust hat, sich zu engagieren, kann sich in das 40-Quadratmeter-Projekt Marschtreff einkaufen. Mit den Erlösen soll der Laden ausgestattet und die anfallenden Rechnungen bezahlt werden. Um das große Geldmachen gehe es aber nicht, betont auch Mizani. Bereits am 10. April soll die Genossenschaft gegründet werden, der Laden soll am 3. Mai offiziell an den Start gehen.

Miete wird vorerst nicht fällig: Mizani hat erklärt, dass er für die ersten sechs Monate, also für die Testphase, keine Miete für den Laden erheben will. „Ich bin eher am Überlegen, ob ich im Sommer vielleicht noch Teile meines Gartens für die Bürger öffne“, sagt er. Dann könnte auch im Freien Kaffee und Kuchen genossen werden.

Jeder Bürger in Hetlingen, der Lust hat, das Projekt zu unterstützen, kann sich melden. Am Marschtreff ist dafür ein Briefkasten eingerichtet, über den Kontakt mit den Planern Jan Prange, Robert Wieber und Corinna Lauritzen aufgenommen werden kann.