Tod der 18-Jährigen erschüttert die Feuerwehrkameraden. 16-jähriger Nachbarsjunge hat die Tat gestanden

Tornesch. Am Feuerwehrhaus Ahrenlohe in Tornesch stehen Kerzen. Blumen liegen davor. „Du warst eine tolle Klassenkameradin. Hoffentlich bist du nun an einem wunderschönen Ort“, steht in schwarzer Schrift auf orangefarbenen Papier. Eine Gruppe junger Frauen steht fassungslos davor. Sie liegen sich weinend in den Armen, versuchen, sich zu trösten. Nur ein paar Schritte entfernt parkt ein schwarzer Skoda am Hörnweg vor der Wache. Die 18-jährige Lisa Marie aus Tornesch hatte ihn dort vergangene Woche am Mittwoch geparkt – unmittelbar bevor sie ihren Mörder traf.

Knapp 400 Meter entfernt hatte die Polizei am Montagnachmittag die Leiche der Auszubildenden in einem Feld an der Ahrenloher Straße gefunden. Sie war hinter dem reetgedeckten Haus verscharrt worden, in dem der 16 Jahre alte Tatverdächtige mit seiner Familie lebt. Der Jugendliche aus Tornesch hatte am Dienstag ein Geständnis abgelegt. Laut Staatsanwaltschaft soll er Lisa Marie im Haus von hinten umfasst und erwürgt haben. Die Leiche soll anschließend auf das Feld gebracht worden sein, wo sie in einem Knick von den Suchtrupps gefunden wurde. Zu den Hintergründen der Tat machte Oberstaatsanwalt Uwe Dreeßen keine Angaben. Gegen den 16-Jährigen wurde Haftbefehl erlassen. Er wurde an die Jugendstrafanstalt in Schleswig überstellt.

Lisa Maries Tod erschüttert die Menschen in Tornesch. Die 18-Jährige war in der Ortswehr Tornesch-Ahrenlohe tätig, ebenso der Tatverdächtige und dessen Vater. Der Mord geht den Kameraden sehr nahe. „Seit gestern läuft die psychologische Betreuung der Kameraden“, sagt Esingens Ortswehrführer Günther Pieper. Viele Feuerwehrleute hatten sich an der Suche nach der seit Mittwoch vergangener Woche Vermissten beteiligt. „Leider haben sich alle unsere Hoffnungen, unsere Kameradin lebend wiederzusehen, am Montagnachmittag in Luft aufgelöst“, sagt Gemeindewehrführer Dirk Lolies. „Wir bedanken uns bei allen, die sich an der Suche beteiligt haben oder nach unserem Facebook-Aufruf in den vergangenen Nächten ein Licht in ihr Fenster als Zeichen der Hoffnung gestellt haben. Unser Mitgefühl gilt ihrer Familie.“

Für die Feuerwehr in Tornesch ist es der zweite schwere Schlag innerhalb kurzer Zeit: Vor wenigen Tagen war der Gerätewart der Ahrenloher Feuerwehr, der vor knapp einem Jahr in sein Amt berufen wurde, im Alter von 51 Jahren nach einem Herzinfarkt verstorben. Er soll am Donnerstag beerdigt werden. Während der Vorbereitungen für die Trauerfeier kam dann die Nachricht vom Tod der Feuerwehrkameradin.

Kreiswehrführer Bernd Affeldt spricht den Angehörigen seine Anteilnahme aus. „Wir wünschen ihnen viel Kraft für die Bewältigung dieser schrecklichen Ereignisse.“ An Spekulationen zu möglichen Tatmotiven wollen die Kameraden sich nicht beteiligen. „Wir als Feuerwehr legen unser vollstes Vertrauen in die Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft“, heißt es in einer Stellungnahme.

„Seit Tagen gibt es kein anderes Thema als Lisa Marie, auch hier in der Bäckerei“, sagte die Bäckereifachverkäuferin Denise Lübcke. Die 23-Jährige hatte sich ein Pfefferspray besorgt, als sie vom Verschwinden der jungen Frau gehört hatte. Damit stehe sie nicht allein. Am Dienstagmorgen hatte Lübcke als erstes das Plakat von der Tür an der Bäckerei genommen, mit dem Freunde nach Lisa Marie gesucht hatten.

Bei vielen Menschen ging in den vergangenen Tagen die Angst um. „In meinem Bekanntenkreis haben einige ihre Töchter abends nicht mehr rausgehen lassen, aus Furcht, sie könnten verschleppt werden“, erzählt eine Tornescherin, die anonym bleiben möchte. Sie wisse um die Sorgen, die man sich als Mutter mache. „Meine Tochter hat abends spät noch gekellnert, und ich habe sie immer mit dem Auto abgeholt, aus Angst, ihr könnte was zustoßen.“

Eine Anwohnerin erzählt, dass sie Lisa Marie auf einer Feier kennengelernt habe. Das Mädchen habe ein „unglaublich gutes Verhältnis“ zu seiner Familie gehabt, sei vernünftig gewesen und habe sich in Tornesch sehr engagiert. Lisa Marie war nicht nur bei der Freiwilligen Feuerwehr, sondern hatte sich neben ihrer Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten ehrenamtlich beim Arbeiter Samariter Bund engagiert.

Sichtlich berührt ist auch Marina Lange. Die 58-Jährige lebt in der gleichen Straße wie Lisa Maries Familie. In der ruhigen Einfamilienhaussiedlung kennt man sich. „Dass so etwas Schreckliches vor der Haustür passiert, ist schwer zu begreifen“, sagt sie.

Ob ein Kondolenzbuch aufgestellt und ein Gedenkgottesdienst veranstaltet werden, darüber wollen die Feuerwehr und die Stadtverwaltung am Mittwoch beraten. Torneschs Erster Stadtrat Klaus Früchtenicht spricht von einem schweren Schlag für die Stadt. „Wir haben zwei wertvolle Menschen innerhalb kürzester Zeit verloren“, sagt er.

An den Schulen in Uetersen und Tornesch war der Tod der 18-Jährigen ebenfalls Gesprächsthema. „Einige Schüler wollten, dass eine Gedenkminute eingerichtet wird“, sagt Gerd Papenfuß, stellvertretender Leiter der Rosenstadtschule, an der Lisa Marie vor einigen Jahren noch zur Schule ging. Am heutigen Mittwoch werde besprochen, welche Aktionen kurzfristig möglich und sinnvoll sind. „Es gibt noch einige an der Schule, die sie von früher kennen“, sagt Papenfuß. Ein Seelsorger sei aber nicht notwendig.

An der Klaus-Groth-Schule in Tornesch werde die Lage ebenfalls besprochen, so Schulleiterin Rita Wittmaack. Schon jetzt sei eine psychologische Betreuung von Schülern gesichert. Berichte, wonach es sich bei dem 16-jährigen mutmaßlichen Täter um einen Schüler der Klaus-Groth-Schule handelt und dass seine Schulklasse frei bekommen haben soll, wollte Wittmaack nicht kommentieren.

Im ganzen Bundesgebiet hat der Tod von Lisa Marie die Menschen berührt. Die Fan-Seite der Ahrenloher Feuerwehr auf dem Internetportal von Facebook ziert seit Dienstag eine Gedenkkerze.