Isabella Jukas aus Barmstedt arbeitete ein Jahr lang in dem Ministerium in Seoul

Barmstedt/Seoul. In der Bundesrepublik gab es das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. In Südkorea heißt das Gegenstück dazu Ministerium für Wiedervereinigung. Während das Ressort in der deutschen Politik nach der Wende und der deutschen Einheit überflüssig wurde, sind die beiden koreanischen Staaten seit dem Ende des Koreakrieges 1953 durch eine 243 Kilometer lange Grenze am 38. Breitengrad in Nord und Süd getrennt. Die Barmstedterin Isabella Jukas, 20, die Koreanistik in Tübingen studiert, lebte jetzt ein Jahr in Südkoreas Hauptstadt Seoul und arbeitete dort im Ministerium für Wiedervereinigung. Für sie als Deutsche sei diese Aufgabe besonders interessant gewesen, sagt die junge Studentin, die neben Koreanisch auch fließend Englisch, Spanisch und Französisch spricht. „Die Koreaner forschen sehr viel über den Mauerfall in Deutschland und wollen von unserer Wiedervereinigung lernen“, sagt sie.

So war Isabella Jukas direkt beteiligt, als im Dezember erstmals seit Jahren wieder Familien, die durch die Spaltung der beiden koreanischen Staaten seit Jahrzehnten voneinander getrennt leben, zusammengeführt werden konnten. Ihr Eindruck: „Im Ministerium in Südkorea glauben sie fest an die Wiederverereinigung und versuchen sie durch ihre Arbeit vorzubereiten.“ In der Bevölkerung dagegen scheint dies nach ihren vielen Gesprächen vor allem mit jüngeren Einheimischen eher weniger der Fall zu sein. Aber auch in der bundesdeutschen Bevölkerung spielte die deutsche Einheit in den 1980er-Jahren keine große Rolle, bis plötzlich die DDR-Bürger massenhaft nach Ungarn ausreisten, dort die Botschaft besetzten und schließlich im November 1989 die Ausreisebeschränkungen der DDR gänzlich zu Fall brachten.

Isabella Jukas war ganz nah dran an der Politikforschung für Wiedervereinigung. Sie übersetzte den offiziellen Schriftverkehr zwischen Korea und Deutschland und recherchierte auch für die Korean Democracy Foundation, einer Nicht-Regierungsorganisation, die enge Verbindungen zur Friedrich-Ebert-Stiftung in Deutschland und Umweltorganisationen in Großbritannien unterhält. Im Ministerium werde alles versucht, die Bande zwischen den getrennt lebenden Koreanern wieder zu festigen, die Beziehungen zwischen dem kapitalistischen Süden und dem sozialistischen Norden zu normalisieren und das Leben der Menschen im Norden und ihre Rechte zu erleichtern. Das geschehe auf vielen Ebenen und werde von Seoul aus intensiv betrieben, hat die junge Barmstedterin dort festgestellt. „Das Schwarz-Weiß-Denken, wie es in den deutschen Medien oft berichtet wird, gibt es da nicht.“

Die koreanische Sprache hat Isabella Jukas schon lange fasziniert. Das koreanische Alphabet Hangeul sei im 15. Jahrhundert entwickelt worden. Anders als im Chinesischen, wo jedes Schriftzeichen eine Redewendung bedeute, bildeten die koreanischen Zeichen jeweils eine Silbe ab. „Koreanisch kann man in drei Tagen lernen“, sagt sie aus Erfahrung. So beherrschte sie Koreanisch schon vor ihrem Abitur am Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium. Daraus entwickelte sich ihr Plan, Koreanistik zu studieren. Die Uni Tübingen bot den Vorteil, dass sie eine enge Partnerschaft mit der Uni in Seoul unterhält und einen regelmäßigen Austausch von Studenten organisiert.

Aus dem kleinen beschaulichen Barmstedt in die wuselige Zehn-Millionen-Menschen-Metropole Seoul war schon ein ziemlicher Sprung für die junge Frau. Der Kulturschock und die überdimensionalen Verhältnisse an der koreanischen Uni kamen hinzu. „Der Campus in Seoul ist wie eine eigene Stadt. Es gibt Shuttle-Busse auf dem Gelände, elf Mensen, Geschäfte, eine Bank und sogar Friseursalons. Den Campus müsste man eigentlich nicht verlassen.“

Natürlich ist Isabella Jukas in dem fernöstlichen Land auch herumgereist und an die schwer abgesicherte Grenze zwischen Nord- und Südkorea gefahren, um die koreanische „Mauer“ zu sehen. Das sei schon ein mulmiges Gefühl gewesen. Sie stand dort neben einem nordkoreanischen Grenzposten, der keine Miene verzog und nicht angesprochen werden durfte.

Der Berufswunsch steht für die junge Barmstedterin fest. Wenn sie ihr Studium beendet hat, will sie in die Diplomatie. Erste Erfahrungen hat sie dazu in Korea sammeln können. „Ich fände es ideal, einmal beruflich Brücken zu bauen zwischen Deutschland und Korea. Das würde mir sehr gefallen.“ Wie es aussieht, wird Isabella Jukas nicht das letzte Mal auf die Halbinsel zwischen China und Japan gereist sein.