Beim Familienkonzert in Quickborn bringt die Lübecker Taschenoper den großen Mozart auf kindgerechtes Format

Quickborn. Man nehme Liebe und Eifersucht, Abenteuerlust und Komik, eine hinreißende Musik und verpacke das ganze Paket in ein exotisches Umfeld voller farbenprächtiger Kostüme und skurril anmutender Sitten. Das könnte das Rezept für eine Hollywood-Produktion à la „Fluch der Karibik“ sein. Es beschreibt aber ebenso treffend einen Kassenknüller ganz anderer Machart. Selbst mehr als 200 Jahre nach ihrer Uraufführung am 16. Juli 1782 in Wien rührt die spannende Geschichte der lebenslustigen Konstanze, um deren Gunst sich zwei mächtige Herren streiten, so manchen Opernbesucher zu Tränen. Mit seiner Oper „Die Entführung aus dem Serail“ landete der Salzburger Wunderknabe Wolfgang Amadeus Mozart einen Welthit der Klassik.

Und eine Steilvorlage für das Ensemble der Taschenoper Lübeck (TOL). Die Sänger und Musiker um Leiterin Margit Dürr und Dramaturg Julian Metzger sind darauf spezialisiert, bekannte Opern kindgerecht zu inszenieren. Dabei lässt Arrangeur Metzger üblicherweise die Finger von der eigentlichen Komposition, sondern verändert vor allem Dramaturgie und Text. Bei der „Entführung“ bedeutet das konkret: Die sechs tragenden Rollen verschmilzt er zu übersichtlichen drei, die Handlung kürzt er auf etwa eine Stunde. Das orientalische Ambiente bleibt, und das kindliche Publikum kann historisch-türkisches Flair auch aktiv erleben. Denn in der Inszenierung singen die Zuhörer als Untertanen des großen Bassa Selim nicht nur mit, sondern sie können nach der Aufführung auch Instrumente sehen und anfassen, die auf die damalige Türkenmode zurückgehen.

Das alles ist jetzt live in Quickborn zu sehen und zu hören, und zwar beim Familienkonzert der Freunde der Kammermusik am Sonntag, 16. März, im Artur-Grenz-Saal, Am Freibad 7. Einmal pro Saison widmen die Musikförderer sich auf dem gleichen hohen Qualitätsniveau der übrigen Konzerte ausdrücklich einem kindlichen Publikum.

Damit liegt die 2005 gegründete Taschenoper, die 2009 bereits einmal mit einer entsprechend umgearbeiteten Version von „Hoffmanns Erzählungen“ in Quickborn zu Gast war, genau auf der Linie des Vereins. „Wir machen Oper für Kinder auf hohem, professionellem Niveau, aber die Handlung und die Texte kann unser Publikum verstehen und auch etwas damit anfangen“, sagt Taschenintendantin Dürr. Die Geigerinnen Cornelia Bach und Maria Odvody, Bratschistin Franziska Giehl und Cellistin Gudny Jonasdottir stemmen die komplette Begleitung. Singen wird neben Zsuzsa Bereznai in der Rolle der Konstanze der Dramaturg und Tenor Julian Metzger als Belmonte. Bassist Frank Schwemmer verkörpert den Bassa Osmin.

Die „Entführung“ richtet sich zwar an Kinder ab sechs Jahren. Aber auch jüngere Besucher, etwa kleinere Geschwister, sind der Taschenoper willkommen. „Sie verstehen dann zwar nicht alles, aber in der Regel haben sie trotzdem Spaß.“ Nur selten seien kleine Besucher so unruhig, dass sie die älteren Kinder störten. Zumal ja ohnehin Mitsingen und -musizieren angesagt ist. Wer mutig genug ist, darf das sogar mit den Profis auf der Bühne tun.

Abenteuerliche Opernstoffe eignen sich ideal für Kinder im Grundschulalter

Viele Erwachsene haben der Oper den Rücken gekehrt. Warum eigentlich? „Weil sie Oper nicht kennen und es sich seit etwa 50 Jahren durchgesetzt hat, sie als etwas Elitäres zu betrachten“, sagt Dürr. „Viele haben Angst, dass sie Oper nicht verstehen, dass man dafür eine Vorbildung braucht.“ Das sei bei manchen Inszenierungen sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. „Aber das muss nicht sein. Oper kann ganz nah am Publikum dran sein, ohne sich anzubiedern, und das wollen wir vermitteln.“ Für die Altersgruppe der Sechs- bis Elfjährigen sei die „Entführung“ ideal: die exotische Umgebung, die aufregende Befreiung mit vielen Tricks.

Überhaupt eigneten sich Dürr zufolge für dieses Alter abenteuerliche Stoffe à la Richard Wagner und fantastische Geschichten sehr gut. Ginge auch etwas Zeitgenössisches? „Klar, warum nicht?“, antwortet Dürr. „Streng genommen kann man aus jeder Oper ein Stück für Kinder machen.“ So bringt die TOL im kommenden Winter auf ihrer Lübecker Hausbühne die moderne „Küchenoper“ für Drei- bis Sechsjährige auf die Bühne. Die Musik dazu hat Frank Schwemmer – ja, der Sänger – eigens komponiert.

Als Dürr und Metzger vor knapp zehn Jahren die Taschenoper gründeten, galten sie mit ihrem Konzept, Klassik für Kinder anspruchsvoll aufzubereiten, als exotische Pioniere. Heute entdecken mehr und mehr Veranstalter und Künstler den Nachwuchs als lohnende Zielgruppe. So haben die großen Orchester Konzertreihen für Kinder ins Leben gerufen, und auch im Kreis Pinneberg gibt es mittlerweile neben den Vorreitern, den Quickborner Familienkonzerten, das Kinder-Abo mit drei Konzerten pro Saison in der Pinneberger Drostei. Kritiker und Publikum loben das Konzept der Taschenoper. Das Ensemble gewann 2010 den Rheingau-Musikpreis, 2012 den Junge-Ohren-Preis. Es gastierte beim Schleswig-Holstein Musik Festival, bei den NDR-Kinderkonzerten und bei den Berliner Philharmonikern.

Die Oper ist als Erlebnis intensiv, weil sie viele Kunstformen verbindet

Grundlage des Taschenoper-Erfolgs ist aber neben dem Trend, mit maßgeschneiderten Konzepten jüngeres Publikum in sich leerende Konzertsäle zu holen, vor allem die Leidenschaft der Gründer und Macher für die Musikform Oper: „Sie verbindet fast alle Kunstformen – Theater, Musik, Bühnenbild, Kostüme, Licht“, sagt Dürr. „Da kommt ganz viel zusammen und dadurch ist das Erlebnis Oper besonders intensiv.“

„Die Entführung aus dem Serail“ beginnt um 16 Uhr. Karten zu jeweils zehn Euro, für Kinder ermäßigt auf zwei Euro, gibt es im Vorverkauf zum Beispiel in der Buchhandlung Theophil, Am Freibad 4a, Telefon 04106/664 64.