Am Tag der offenen Töpferei bietet Andrea Marjanowic auf der Barmstedter Schlossinsel Schnupperkurse an

Barmstedt . „Meine Viecher“, nennt Andrea Marjanowic, 44, liebevoll das vierbeinige Landvolk, das viele der Fayencen der Barmstedter Keramikkünstlerin ziert. Die frechen Hühner und Kühe sind ein Markenzeichen der gebürtigen Bayerin und die persönlichen Lieblinge unter den vielen Motiven, die ihre Becher und Butterdosen, Teller, Vasen und Gartenobjekte zieren.

Denn auch wenn die Künstlerin mit filigran gepinselten beliebten Motiven wie Kornblumen und Mohn ein offenkundiges Bedürfnis vieler ihrer Kunden trifft, so schlägt ihr Herz ganz besonders für die skurrilen Viecher und Strichmännchen. „Die sind durch und durch von mir, deshalb liebe ich sie auch so.“ Nachmachen ist nicht ihr Ding, sie setzt auf Originalität.

Mit diesem Konzept hat sie sich seit 1995, als sie ihr winziges Galerie-Atelier in der rund 20 Quadratmeter kleinen ehemaligen Remise auf der Barmstedter Schlossinsel eröffnete, zu einer Institution in Sachen Keramik gemausert. Mehr als eine Tonne Ton pro Jahr verarbeitet sie hier an der Drehscheibe, im Brennofen und auf dem Malpodest zu Hunderten von einzigartigen Alltagsobjekten. Am landesweiten Tag der offenen Töpferei am Sonnabend, 8., und Sonntag, 9. März, können Besucher bei einer Tasse Cappuccino und frischen Hörnchen nicht nur die Ergebnisse bewundern, sondern auch selbst aktiv werden. In der Zeit zwischen 10 und 18Uhr bietet sie an beiden Tagen im Atelier kostenlose Schnupperkurse an der Drehscheibe an.

Dass herablassende Zeitgenossen ihre Keramiken als „Müslischalen und Becherchen“ verspotten und sie weniger als authentische Kunstobjekte denn als profanes Handwerk belächeln, kränkt sie nicht mehr. „Ich bin Kunsthandwerkerin, und ich bin es gern“, sagt sie mit der Gelassenheit von fast 20 Jahren Selbstständigkeit. „Ich mache die Dinge, die mir Freude machen und nehme mich nicht so wichtig.“

Sie halte es lieber mit der bedeutenden deutschen Keramikerin Hedwig Bollhagen. Jene antwortete ganz pragmatisch auf die Frage nach Abgrenzung von Kunst und Handwerk: „Kunst? Ach Gott, manche nennen es so. Ich mache Teller, Tassen, Kannen.“ Anstatt sich zu ärgern, hält sie die skurrilsten Äußerungen von Kollegen und Kundschaft in einem „Werkstattbuch“ fest – und schmunzelt darüber.

Als Andrea Marjanowic sich mit gerade mal 25 Jahren als Keramikmalerin in Barmstedt selbstständig machte, habe sie zwar davon geträumt, ausschließlich freie Objekte, Fliesenbilder und Fliesentische zu gestalten. „Aber wenn man unabhängig bleiben möchte, passt man sich den Wünschen der Kundschaft ein Stück weit an.“

Und Unabhängigkeit steht auf Andrea Marjanowics Agenda ganz weit oben. So lernte sie nach ihrer Ausbildung zur Keramikmalerin auch die Kunst des Töpferns, um ihre Objekte endlich selbst fertigen zu können. „Anfangs war ich ja immer auf jemanden angewiesen, der mir die Formen machte.“ Heute dreht, henkelt, garniert, glasiert, bemalt und brennt sie ihre Objekte komplett selbst. „Aber mein Hauptaugenmerk liegt auf der Malerei.“

Das Gestalten mit Farben war es schließlich, das sie schon als Schülerin interessierte. Sie bewarb sich im heimischen Augsburg, damals Hochburg des Textilgewerbes, als Stoffmustergestalterin, liebäugelte mit Grafikdesign und Schauwerbegestaltung. Und entdeckte schnell ihre Leidenschaft für Keramikmalerei. Die trieb sie 1990 in den hohen Norden. Denn nachdem ihr Neu-Ulmer Ausbildungsbetrieb überraschend aufgegeben hatte, war sie froh, ihre Ausbildung in der Keramik-Manufaktur Kupfermühle in Hohenlockstedt abschließen zu können.

Den ersten Eindruck von ihrer neuen nordischen Umgebung vergisst sie nie: „Ich sollte in Hohenlockstedt auf Probe arbeiten und stand plötzlich mitten in der Nacht ziemlich einsam auf dem Bahnhof in Itzehoe.“

Sie machte das Beste draus, fühlte sich im Norden bald heimisch und blieb nach der Ausbildung trotz beruflicher Durststrecken hier. „Aber ich wollte auch meiner Familie beweisen, dass ich es hier schaffe.“ Ihre erste Werkstatt richtete sie im schmalen Flur der Hohenlockstedter Drei-Zimmer-Wohnung ein, die sie mit ihrem Mann bewohnte. „Da konnte ich aber nichts brennen.“ Genau dieser Mangel entpuppte sich als Glücksfall. Marjanowic brannte ihre Arbeiten damals in einem Fachbetrieb auf der Barmstedter Schlossinsel, als die bis dato von einer Grafikdesignerin gepachtete Remise frei werden sollte.

Die junge Künstlerin bekam Wind von der Sache, stampfte spontan ein Konzept aus dem Boden und bewarb sich bei den Stadtvätern erfolgreich um die Nachfolge. „Ich ging da ziemlich unbedarft ran“, sagt sie heute. Mit 25 Jahren habe sie sich kaum Gedanken über finanzielle Fragen oder Standortanalysen gemacht. „Ich habe mich einfach in die Schlossinsel und das Häuschen verliebt.“

Die Backsteinidylle mitten im Barmstedter See fasziniere sie bis heute. „Das ist hier wie in einer Art Traumwelt.“ Allerdings stehe man an diesem exponierten Standort auch ziemlich im Fokus der Mitbürger. „Das war mir damals gar nicht so bewusst.“

Überhaupt sei das beschauliche Barmstedt eine gute Adresse für Kulturschaffende. „Die Stadt vereint das Urbane mit dem Provinziellen. Und dann sind da die einzigartige Schlossinsel und der See als Erholungsgebiet. Das ist schon etwas Besonderes.“