Kaum hat die Straßenmeisterei aufgeräumt, liegt neuer Müll an der A23. Besonders betroffen: die Abfahrt Pinneberg-Mitte

Kreis Pinneberg. Als „Müll“ oder „Dreck“ bezeichnen insbesondere jüngere Menschen gerne etwas, das in ihren Augen einfach schlecht ist. Müll und Dreck ist auch, was Oliver Schmidt regelmäßig an der Autobahnabfahrt Pinneberg-Mitte vorfindet. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Vor allem an der Ampel am Mercedes-Autohaus Burmester sieht es regelmäßig aus wie auf einer Müllhalde. Im Gebüsch und auf dem Grünstreifen liegen zahlreiche Plastiktüten, Fast-Food-Boxen, Kaffeebecher. „To go“ gilt für diese nur im Verkauf. Aus der Natur verschwinden sie in der Regel erst dann, wenn Schmidt und seine Kollegen anrücken.

Der 40-Jährige arbeitet seit 1995 bei der Straßenmeisterei Elmshorn, mittlerweile als Arbeitsgruppenleiter. Von der Hamburger Landesgrenze bis zum Nord-Ostsee-Kanal sind seine Trupps unter anderem für das Entfernen von Abfällen an der Autobahn 23 zuständig. „Haben die Leute zu Hause nichts gelernt?“, fragt sich Schmidt regelmäßig, wenn er wieder einmal die Auswüchse der Wegwerf-Gesellschaft in seinem Zuständigkeitsbereich besichtigen muss.

Einmal im Monat räumt einer seiner Trupps an besagter Anschlussstelle am Ortseingang Rellingen auf. „Wenn man zwei oder drei Tage später erneut dort vorbeifährt, sieht es schon wieder fast genauso schlimm aus wie vorher“, sagt Schmidt.

Die Müllkurve von Rellingen ist jedoch bei weitem nicht der einzige Ort im Kreis Pinneberg, an dem Menschen gerne einmal auf den automatischen Fensterheber drücken, um sich ihres Abfalls zu entledigen. Schlimm sehe es regelmäßig auch im Bereich des Autohofs Tornesch aus, sagt Schmidt. Allgemein werde das hohe Verkehrsaufkommen auf der A23 auch durch den vielen Unrat am Fahrbahnrand sichtbar. Je näher an Hamburg desto mehr Müll, lautet vereinfacht gesagt die Formel. Etwa 100 Kubikmeter kleinteilige Abfälle sammeln die Mitarbeiter der Straßenmeisterei Elmshorn pro Jahr im Bereich der Autobahn ein, hinzu kommen noch mehrere Tonnen Sperrmüll.

Während vor allem an Rastplätzen gerne auch Möbel und Elektrogeräte entsorgt werden, sind es an der Strecke und den Anschlussstellen wie der in Rellingen vor allem Verpackungen. „Wir haben aber auch schon volle Einkaufstaschen, Portemonnaies und sogar Gebisse gefunden", berichtet Schmidt. „Selbst, was umsonst abgegeben werden kann, schmeißen die Leute einfach in die Landschaft. Die sind zu faul, um zum Recyclinghof zu fahren.“ Und dreist obendrein. Weil sie wissen, dass irgendjemand den Müll schon wieder wegräumen wird und sie in der Regel kein Bußgeld zu befürchten haben.

Theoretisch ist jegliche Abfallentsorgung außerhalb dafür vorgesehener Behältnisse oder Anlagen illegal, das gilt selbst für eine weggeworfene Zigarettenkippe. Nach Paragraf 326 Strafgesetzbuch liegt sogar eine Straftat vor, wenn von dem Müll eine Gefahr für die Umwelt ausgeht. Doch selbst wenn eine Anzeige vorliege, würden die Taten in der Regel als Bagatellen gewertet und wegen ihrer Geringfügigkeit nicht weiter verfolgt, sagt Schmidt. Der Straßenwärter ist der Meinung, dass eine vermehrte Ausstellung von Bußgeldern Wirkung zeigen würde. „Übers Geld kriegt man schließlich jeden.“

Vor allem von bänder- und netzartigen Verpackungen geht Gefahr für Tiere aus

Hans Ewers, Appener Mitglied im Nabu-Landesvorstand, setzt hingegen auf die Einsicht der Menschen, obwohl Mitglieder seiner und anderer Umweltorganisationen jährlich Hunderte Kubikmeter Abfall sogar aus Naturschutzgebieten entfernen. Die Autobahnumgebung sei kein attraktiver Lebensraum für die Tierwelt, die Auswirkungen daher etwas weniger dramatisch. Grundsätzlich gehe aber sowohl von Nahrungsmittelresten als auch den Verpackungen eine erhebliche Gefahr für Tiere aus. „Pommes und Ketchup sind beispielsweise hochsalzige Produkte“, sagt Ewers. „Einige Tiere vertragen diese nicht, andere stellen sich auf sie ein und haben dann Nachteile, wenn sie keine entsprechenden Nahrungsquellen mehr finden.“ Bei den Verpackungen gehe insbesondere von bänder- und netzartigen Produkten eine Gefahr aus.

Und dann sei da ja auch noch der ästhetische Aspekt, meint Ewers. Müll habe in der Natur auch aus optischen Gründen nichts zu suchen. Oliver Schmidt hat an der Autobahn insbesondere viele Lkw-Fahrer als Umweltverschmutzer ausgemacht. „Ich weiß auch nicht, woran das liegt“, sagt Schmidt. „Die Fahrer kochen und übernachten in ihren Fahrzeugen, und wenn es dann weitergeht, heißt es: Schwupps und raus mit dem Müll. Die Fahrerhäuser sind dagegen in der Regel sauberer als manches Wohnzimmer.“ Indirekt bedeutet der weggeworfene Müll für Schmidt und seine Mitstreiter eine Arbeitsplatzgarantie. Dennoch könnten sie gut darauf verzichten. „Schlaglöcher entfernen, Verkehrszeichen instand setzen, Buschrückschnitt“, zählt Schmidt auf. „Wir haben wirklich genug anderes zu tun.“