Unternehmer diskutieren in Pinneberg, was hochqualifizierten Bewerbern wichtig ist

Pinneberg. Der Freitagswein ist ein festes Ritual bei der Firma IWL in Tornesch, die Logistikdienstleistungen im Weinhandel anbietet. Geschäftsführer Frank Göbels will, dass seine Mitarbeiter gern bei IWL arbeiten und das auch nach draußen tragen. Deshalb gibt es zum Ausklang der Woche für jeden Mitarbeiter ein Glas Wein.

Employer Branding nennt sich die Strategie, mit der sich Firmen – in Zeiten des Fachkräftemangels – als attraktive Arbeitgeber positionieren. Und auf der Suche nach hoch qualifizierten Fachkräften müssen sich Firmenchefs mittlerweile einiges einfallen lassen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht in einer für die sogenannten High Potentials sowieso attraktiven Großstädte sitzen, sondern zum Beispiel im Kreis Pinneberg, ist eine solche Strategie überlebenswichtig.

Das war der Tenor einer Podiumsdiskussion im Pinneberger Ratssaal am Donnerstagabend zu Employer Branding als Standortfaktor. Etwa 80 Unternehmer und Führungskräfte aus der Region waren der Einladung der städtischen Wirtschaftsförderung gefolgt, um zu hören, was ein Unternehmen für Mitarbeiter „sexy" macht.

Dass die Selbstvermarktung für eine Firma immer wichtiger wird, darin waren sich die vier diskutierenden Geschäftsführer einig. „Es herrscht eine Konkurrenz der Talente“, sagte der Wein-Logistiker Göbels. Im Kreis herrsche quasi Vollbeschäftigung. „Jede Firma muss auf sich aufmerksam machen.“

Andre Slezak, dessen Familienbetrieb in Uetersen Elekroanlagen herstellt, betonte, dass gewonnene Mitarbeiter an die Firma gebunden werden müssten. „Da wir als Handwerksbetrieb nur gewisse Löhne zahlen können, kämpfen wir gegen die Abwanderung der Fachkräfte.“ Und Kai Bretall von der Beraterfirma New Personnel Processing stellte sogar infrage, ob der Begriff des „Bewerbers“ noch zeitgemäß sei. „Ist es wirklich noch so, dass sich die guten Leute bei den Firmen bewerben? Oder ist es nicht schon umgekehrt?“

Der Bedarf ist erkannt – doch welche Bausteine können Unternehmer einsetzen, um sich bei hochqualifizierten Absolventen und erfahrenen Fachkräften ins Gespräch zu bringen und bei den Mitarbeitern für eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu sorgen? Das wollte Moderator Bernd Hinrichs von den Diskussionsteilnehmern wissen. Das Ergebnis: Nicht nur Wohlfühl-Angebote wie der Umtrunk, Weihnachtsfeiern oder Grillabende zählen dazu, sondern auch Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gesundheitsvorsorge und Alterssicherung sowie eine hohe Wertschätzung und Einbeziehung der Mitarbeiter.

Gerade der letze Punkt sei wichtig, meinte Andre Slezak. „Wenn jemand seinen Teil zum Erfolg beitragen kann, dann hat der auch Bock auf die Arbeit.“ Man müsse sowohl finanzielle als auch emotionale Anreize schaffen, sagte Göbels. Und gerate jemand in Not, biete die Firma Unterstützung an. So wurde Geld für eine Beerdigung gesammelt und einer alleinerziehenden Mitarbeiterin eine Wohnung vermittelt.

All dies diene auch dem Unternehmenserfolg. Er habe natürlich ein Interesse daran, dass seine Mitarbeiter produktiv seien, sagte Göbels. „Wir bieten viel, dafür arbeiten sie in der Weihnachtszeit auch elf bis zwölf Stunden täglich.“ Einige wollten gar nicht mehr aufhören. Zehn bereits in Rente gegangene Mitarbeiter seien weiterhin in Minijobs beschäftigt. „Ich werde die Mitarbeiter gar nicht mehr los.“

Bei reiner Eigenwerbung darf es laut Kai Bretall jedoch nicht bleiben. „Firmen müssen zwar ihre Einzigartigkeiten herausstellen, dabei aber authentisch bleiben.“ Denn das Ziel müsse sein, zufriedene Fachkräfte langfristig an das Unternehmen zu binden.

Ein entscheidende Rolle spiele dabei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Birte Kruse-Gobrecht, die mit dem Unternehmen Beruf und Familie Stormarn für etwa 40 Firmen unter anderem Notfallkinderbetreuung organisiert. Eine Firma allein könne so etwas nur schwer verlässlich anbieten. Im Verbund profitieren die Unternehmen jedoch davon, dass beispielsweise bei Schulausfall die Mitarbeiter mit Kindern trotzdem arbeiten könnten. Die Vereinbarkeit sei kein reines Frauenthema, meinte Kruse-Gobrecht. „Viele Männer wollen mehr sein als nur Wochenendpapas.“ Ziel sei es, die Mitarbeiter zu entlasten, betonte sie. „Es geht nicht um maximale Flexibilisierung.“

Die Wirtschaft könne es sich nicht leisten, auf gut ausgebildete Frauen zu verzichten, sagte auch Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg. „Firmen müssen ihre Strukturen öffnen, um Mitarbeiterinnen in den verschiedenen Lebensphasen zu halten.“

Sie appellierte an die Unternehmer, sich systematisch mit Employer Branding zu beschäftigen und vor allem auf einen professionellen Internetauftritt zu achten. Denn ein Großteil der umworbenen Fachkräfte gehöre zur sogenannten Y-Generation, für die Kommunikation über soziale Netzwerke selbstverständlich sei. Sie legten neben einem guten Gehalt großen Wert auf Karriereperspektiven und Work-Life-Balance. Steinberg warb auch für eine Kooperation zwischen Unternehmen, Verwaltung und Politik, um den Kreis als attraktiven Wohnort bekannt zu machen.