Tornescherin Karin Kraiger-Müller sucht rüstige Rentner zum Mitturnen

Tornesch/Rellingen. Dass Karin Kraiger-Müller demnächst 80 Jahre alt wird, sieht man der Tornescherin nicht an. An ihren Füßen trägt sie schwarze Turnschuhe, am Körper einen bunten Trainingsanzug, die grauen Haare sind zurückgebunden, die Fingernägel silberfarben lackiert. Die Augen leuchten vor Lebensenergie. Wer Karin Kraiger-Müller trifft, der stößt auf eine vitale Frau, für die der Sport ein wichtiger Teil im Leben ist und immer war. Der Sport, so sagt sie, habe sie jung gehalten. „Ich bin fit wie ein Turnschuh.“ Dennoch ist sie deprimiert, denn ihre Sportgruppe löst sich allmählich auf. Von mehr als zwei Dutzend Sportlern sind drei übriggeblieben. Die Tornescherin sucht daher Menschen, die älter als 65 Jahre alt sind und mit ihr Sport machen wollen. Denn ohne Sport, so sagt sie, könne sie nicht leben.

Die 79 Jahre alte einstige Arzthelferin ist seit rund 50 Jahren in Sportvereinen tätig, seit vielen Jahren Übungsleiterin. Erst in Groß-Flottbek, seit 1998 beim Verein Krupunder Lohkamp. Dort übernahm sie die Ü-60-Turngruppe und betreute anfangs etwa 25 ältere Menschen, machte mit ihnen gemeinsam einfache Turnübungen.

Teilnehmer sollten Lust auf Bewegung und ein wenig Geselligkeit haben

„Es ist nichts Außergewöhnliches, kein Reck, keine Ringe, kein Barren, keine Aerobic“, erklärt sie. Es gehe bei den Trainingsstunden um Turnübungen, die den Bewegungsapparat von Älteren sinnvoll unterstützen und stärken sollen. Langsame Übungen, die die Muskeln in Form halten und Wirbelsäule und Knie stabilisieren helfen. Übungen, die jedem, der älter als 60 ist, helfen würden, besser durch den Alltag zu kommen.

Viele Menschen, so sagt die Tornescherin, hätten jahrelang nichts für ihren Körper getan. Dies sehe man ihnen sehr oft an. Jene, die Sport getrieben hätten, seien oftmals viel fitter. Körperlich und auch geistig. „Es sind vor allem Frauen, die sich fit halten“, sagt sie. Die Männer, sie seien ab einem gewissen Alter kaum noch in Sportvereinen anzutreffen. „Gerade beim Turnen sind Männer normalerweise nicht dabei, warum auch immer“, sagt sie. Dabei würde auch ihnen das Muskeltraining gut tun.

Ihrem Sport ging Kraiger-Müller bislang jeden Dienstag von 15 Uhr an in der Schule am Heidacker in Hamburg, an der Grenze zu Rellingen, nach. Erst mit 25 vorwiegend weiblichen Mitstreiterinnen. Nach und nach schrumpfte die Gruppe auf zehn Turner zusammen. Einige verstarben, einige hatten sich kleinere Blessuren zugezogen und aus Furcht vor weiteren Verletzungen aus der Gruppe zurückgezogen. Das findet die Tornescher Übungsleiterin schade.

„Wenn etwas wehtut, werden viele zu vorsichtig“, sagt Kraiger-Müller. Kleinere Wehwehchen gehören zum Sport dazu, viele der Ängste von Älteren vor Sportverletzungen hält sie für etwas übertrieben und verweist auf zwei sehr erfahrene Turnerinnen aus ihrer Gruppe. „Eine turnte noch, bis sie 94 Jahre alt war, eine andere in meiner Gruppe ist 93“, erzählt die Übungsleiterin.

Vor einiger Zeit sind zwei Frauen aus der Turngruppe verstorben. Zugleich musste die Gruppe wegen der Schulreformen ihr Training auf 13.45 Uhr vorverlegen, weil die Turngruppe sonst mit dem Schulunterricht kollidierte. Die Zeit sei für einige der verbliebenen Turner unglücklich gewesen – sie sprangen ab.

„Wir sind jetzt nur noch vier, mit mir. Und wenn einer mal krank ausfällt, dann kommt keiner, weil die Fahrgemeinschaften nicht mehr klappen“, sagt Kraiger-Müller. Am Dienstag hat sie alleine in der Turnhalle geturnt – zum wiederholten Mal, weil keiner da war. Nach Hause ist sie nicht gegangen, sie hat tapfer ihre Übungen gemacht, weil es ihr nach wie vor Lebensfreude bereitet, sich sportlich zu betätigen.

„Ich will nicht dienstags zu Hause sitzen. Ich möchte etwas tun, ich möchte mich bewegen“, sagt die Tornescher Sportlerin. Auf Dauer will sie aber nicht alleine turnen. Das sei für sie deprimierend. Sie habe das Gefühl, dass ihr schrittweise der Boden unter den Füßen weggezogen werde.

Mit dem Verein sprach sie bereits über das Problem der Turngruppe. Der schaltete daraufhin Anzeigen – ohne Erfolg. „Solche Anzeigen liest keiner“, glaubt die Turnerin. Spartenleiter Michael Ost sieht das ähnlich. Sinnvoller sei die Mund-zu-Mund Propaganda. Darauf hoffen beide und rufen daher alle Bürger über 65 auf, sich einen Ruck zu geben und mitzuturnen. Denn es mache ja auch Spaß, die Geselligkeit beim Sport zu genießen.

„Ich will die Turngruppe demnächst ganz neu aufstellen“, sagt Kraiger-Müller. Mit der Schule habe sie kürzlich verhandelt und eine Einigung erzielt. Künftig kann die Turngruppenleiterin immer dienstags von 16 bis 17 Uhr in der Sporthalle der Schule am Heidacker ihren Kursus geben. „Jeder, der teilnehmen möchte, ist mir willkommen, egal ob Mann oder Frau“, sagt die Tornescherin. Einzige Voraussetzung: die Teilnehmer sollten Lust auf ein wenig Geselligkeit haben.

Wer mit Karin Kraiger-Müller turnen will kann sich direkt an sie unter Telefon 04122/51729 wenden und weiter Informationen erhalten.