Während Hamburger Familien entlastet werden, müssen Schleswig-Holsteiner weiter zahlen.

Kreis Pinneberg. Wenn Nicole Klück auf das Thema Kitagebühren angesprochen wird, ist sie nur eines: unglücklich. „Es ist einfach ungerecht“, sagt die 33-Jährige. „Die Familien haben hier in der Region ähnlich hohe Lebenshaltungskosten. Es müsste daher auch bei den Betreuungskosten unsere Kinder eine Gleichbehandlung geben.“ Doch während für Hamburger die fünfstündige Betreuung in Kitas und in der Tagespflege ab dem 1. August 2014 kostenlos sein wird, müssen Familien aus den benachbarten Kreisen Schleswig-Holsteins weiter zahlen. Eine fragwürdige Regelung, die im Fall von Familie Klück zu einer regelrecht absurden Situation führt.

Weil es in ihrer Heimatgemeinde Halstenbek nicht genügend freie Plätze gibt, brachten die Klücks ihren jetzt 17 Monate alten Noah in einem Hamburger Kindergarten unter. Während sich dort die Eltern über die Neuregelung in der Hansestadt und die daraus resultierende finanzielle Entlastung freuen, wird Familie Klück auch in Zukunft für die Betreuung ihres Sohnes 185 Euro im Monat aufbringen müssen. „Ich bin nicht missgünstig“, sagt Nicole Klück. „Für die Hamburger Familien ist das eine tolle Sache. Aber trotzdem ist es irgendwie lächerlich, dass es keine einheitliche Regelung gibt.“

Die Klücks sind kein Einzelfall. Halstenbek ist die Gemeinde im Kreis Pinneberg, aus der die meisten Kinder eine Hamburger Einrichtung besuchen. Nach Abendblatt-Informationen sind es derzeit etwa 110 Kinder, die im benachbarten Bundesland Unterschlupf gefunden haben, weil in der Baumschulgemeinde einfach die Plätze fehlen. Zwar steuert Halstenbek gegen, aber das kostet Zeit. Unter anderem befasst sich der Ausschuss für Kinder, Schule und Jugend an diesem Donnerstag, 20. Februar, erneut mit dem Ausbau der Kinderbetreuung. Derzeit stehen 140 Kinder auf der Warteleiste für einen Platz. Im Sitzungssaal des Halstenbeker Rathauses geht es von 19 Uhr an schnelle Lösungen wie den Ausbau vorhandener Einrichtungen, das Aufstellen von Containern oder die Schaffung alternativer Räumlichkeiten.

Obwohl es noch nicht einmal einen Entscheidung gibt, ob und wenn wann die dringend benötigten Plätze geschaffen werden sollen, hat Klück nach eigenen Angaben schon Post von der Gemeinde bekommen. In dem Schreiben wird die Familie aufgefordert, sich einen Platz in Halstenbek zu suchen. Dabei gibt es dort bekanntlich keinen. Noah steht längst auf der Warteliste für zwei Einrichtungen. Rein in die Hamburger Kita und kurzfristig wieder raus: Das wäre weder für Noah noch seine Mutter eine glückliche Situation. Familienfreundlichkeit sieht für Klück jedenfalls anders aus.

Wie viele Grenzwanderer es derzeit im Kreis Pinneberg gibt, die ab August hautnah die Unterschiede zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein, zu spüren kriegen werden? Das kann die Pinneberger Kreisverwaltung nicht beantworten, da diese Daten nicht erhoben werden. Auch die Hamburger Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration hat keinen Überblick über die Pinneberger Kinder in ihren Kitas, weil die Eltern aus den Umlandkreisen für ihre Kinder direkt mit einer Hamburger Kita einen (privatrechtlichen) Betreuungsvertrag abschließen können. „Die Hamburger Behörden erhalten von diesen Betreuungsverträgen keine Kenntnis, weil Hamburg hier kein Kostenträger ist“, so Sprecher Marcel Schweitzer. Was er mit Sicherheit weiß: Die beitragsfreie fünfstündige Betreuung in Hamburger Kitas (inklusive Mittagessen) gilt nur für in Hamburg gemeldete Kinder, so Schweitzer. Der politische Entschluss verschafft Eltern eine Entlastung von bis zu 2304 Euro pro Jahr. Zudem ist dort das dritte Kita-Jahr im Unterschied zu Schleswig-Holstein bereits seit Jahren kostenfrei.

„Langfristig ist eine Entlastung der Eltern auch in Schleswig-Holstein das Ziel der Landesregierung“, erklärt Pressesprecher Christian Kohl vom Kieler Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung. Der Vorstoß Hamburgs bewertet man positiv. Aber in Schleswig-Holstein hat anders Vorrang: „Das Land engagiert sich finanziell beim Kita-Ausbau, zuletzt mit weiteren zehn Millionen Euro für den Krippen-Ausbau.“

Nicole Klück, die als sozialpädagogische Assistentin in einer Hamburger Kita arbeitet und sich daher schon von Berufswegen bestens mit der Thematik auskennt, hält diese Begründung für vorgeschoben. „Hamburg kriegt es schließlich auch auf die Reihe, die Eltern zu entlasten.“ Neben dem kleinen Noah haben die Klücks noch zwei weitere Kinder. Für eines davon müssen sie noch die Grundschulbetreuung bezahlen. „Wir haben zwei ganz normale Jobs“, sagt Nicole Klück, deren Mann als Maler und Lackierer arbeitet. „Wir könnten das Geld daher sehr gut gebrauchen.“

Möglich wäre eine Entlastung der Eltern auch auf kommunaler Ebene. Einen solchen Vorstoß wagte Schenefeld in Sachen beitragsfreies drittes Kindergartenjahr. Die Politiker beschlossen, die Kosten für das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung für Schenefelder zu übernehmen. 2012 war aus finanziellen gründen damit aber Schluss. Bis zu 200.000 Euro pro Jahr kostete die Stadt der freiwillige Zuschuss. Angesichts knapper Kassen der Gemeinden und Kommunen ist die Aussicht auf eine finanzielle Entlastung der Eltern im Kreis Pinneberg aber eher trübe.

In der Region gibt es laut Kreisverwaltung 156 sowie 24 kindergartenähnliche Einrichtungen. Zusammen bieten sie für die drei- bis sechsjährigen Kinder 8.856 Elementarplätze. Zudem gibt es derzeit im Kreis Pinneberg 1.418 Krippenplätze. Für die Sieben- bis 14-Jährigen stehen 858 Hortplätze zur Verfügung. Einen Großteil der Betreuung decken auch die zahlreichen Tagesmütter ab. Derzeit sind es 245 Tagesmütter, die im vergangenen Jahr 1.588 Kinder betreuten.