Lasche Kontrollen bei Zulassung von Prothesen für Hüfte und Knie. Regio Kliniken verwenden langzeitgeprüfte Modelle

Elmshorn. Künstliche Hüftgelenke, die brechen oder giftige Metallionen abgeben, Defibrillatoren, die tödliche Elektroschocks auslösen, auslaufende Brustimplantate – der Dokumentarfilm „Schrott im Körper“, den der Sender Arte am Dienstag ausstrahlte, dürfte Zuschauern Schauer des Grauens über den Rücken gejagt haben. Die JournalistenDorina Herbst und Jens Niehuss zeigten, wie einfach es ist, ein nachweislich schädliches Implantat europaweit zugelassen zu bekommen. Müssen auch Patienten im Kreis Pinneberg um ihre Gesundheit bangen?

„Solche Fälle, wie in dem Film beschrieben sind, kommen in den Regio Kliniken nicht vor“, beruhigt Kliniksprecher Sebastian Kimstädt. Die hier verwendeten Implantate würden sorgfältig ausgewählt. Die Chirurgen orientierten sich dabei an den skandinavischen Endoprothesenregistern. „Deutschland hat noch kein eigenes Register“, sagt Dr. Martin Wurm, Chefarzt der Unfallchirurgie. Skandinavien, Großbritannien und Australien erfassen seit dreißig Jahren Patienten, denen Implantate eingesetzt werden. Aus diesen Daten ergibt sich, wie lange eine Prothese hält – im Schnitt 15 Jahre.

„Seit Anfang des Jahres benutzen wir Prothesen, die im skandinavischen Register am besten abgeschnitten haben“, sagt Wurm. Diese Modelle wären nach 15 Jahren noch zu 97 Prozent haltbar. Das heiße nicht, dass die Prothesen, die bisher eingesetzt wurden, schlechter sind. „Die deutsche Firma, von denen wir die Implantate zuvor bezogen haben, vertreiben diese aber kaum in Norwegen oder Schweden. Das heißt, sie tauchen in den skandinavischen Registern nur in geringer Stückzahl auf.“ Nun beziehen die Regio Kliniken ihre Prothesen von einer amerikanischen Firma, die weltweit vertreibe und zu denen aussagekräftige Studien vorlägen.

Der Einsatz von künstlichen Hüft- und Kniegelenken gehört mit jährlich 390.000 zu den häufigsten Operationen in Deutschland. Gleichzeitig sind jedes Jahr 37.000 Wechseloperationen nötig.

„Verschiedene Studien gehen davon aus, das sich die Zahl in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird“, sagt Wurm. Weil Menschen älter werden und Prothesen begrenzt halten. „Auch wenn die Materialien wie der Kunststoff Polyethylen, der für die Hüftpfanne benutzt wird, immer härter geworden sind, kann es nach zehn Jahren zu einem gewissen Abrieb kommen“, sagt Wurm.

Medizinprodukte in Europa werden nicht staatlich geprüft, wie es bei Arzneimitteln der Fall ist. Private Zertifizierer vergeben das CE-Siegel, das man auch an Toastern oder Föhnen findet. Mit diesem Siegel garantiert der Hersteller, dass er sich mit seiner Ware an die EU-Richtlinien hält. Die Einhaltung wird stichprobenartig kontrolliert. In der TV-Dokumentation zeigen die Filmemacher, wie problemlos sie das CE-Zertifikat in Tschechien, Ungarn und der Slowakei für eine fehlerhafte Hüftprothese erhielten.

Warum gibt es keine zentrale Kontrollstelle? Im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) weist man darauf hin, dass der europäische Rechtsrahmen für Medizinprodukte derzeit überarbeitet wird. Doch weder der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 26. September 2012 noch das Änderungspaket des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2013 sieht eine zentrale Zulassungsstelle vor. Ein Systemwechsel wäre mit jahrelangen Übergangsfristen verbunden.

„Ein solcher Weg wäre nur sinnvoll, wenn die vorhandenen Probleme mit einer staatlichen Zulassung auch tatsächlich gelöst werden würden. Aber auch nach Auffassung von Experten wären mit einem staatlichen Zulassungssystem weder der PIP-Brustimplantat-Skandal noch die Probleme mit den Metall-auf-Metall-Hüftendoprothesen verhindert worden“, heißt es von Seiten des Ministeriums.

Deshalb setzt es sich in Brüssel für eine andere Lösung ein: Es fordert, dass die benannten Stellen europaweit einheitlich auf höchstem Niveau qualifiziert sein müssen. „Ebenso eindeutig müssen die Vorgaben konkretisiert werden, nach denen die benannten Stellen auch nach dem Marktzugang die Hersteller und deren Produkte regelmäßig kontrollieren, einschließlich unangekündigter Stichproben.“

Treten Probleme bei bereits zugelassenen Implantaten auf, können diese dem Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet werden. Dort wird eine Risikobewertung vorgenommen und an Hersteller und zuständige Behörden weitergeleitet. Dabei handelt es sich aber ausschließlich um eine unverbindliche Empfehlung.

Besonders bei Kappenprothesen, Hüftprothesen mit Metall-auf-Metall-Kombination, kam es immer wieder zu Abrieb, die zur erhöhten Chrom- oder Kobalt-Konzentration im Körper führten. Das kann Allergien auslösen und Herz und Nieren schädigen. Die Modelle wurden vom Markt genommen. Tausende tragen sie jedoch in sich. „In den Regio Kliniken wurden diese Kappenprothesen nie verwendet“, sagt Wurm.

Wie lange eine Prothese hält, darüber fehlen hierzulande verlässliche Daten. Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) – Mitte 2013 eingeführt – soll das ändern. Das Gemeinschaftsprojekt von Ärzten, Kliniken, Krankenkassen und Industrie soll die Qualität der Versorgung mit künstlichen Gelenken verbessern. Voll funktionsfähig ist ein solches Register erst nach fünf bis sieben Jahren. Die Registerstelle am Institut für Qualität und Patientensicherheit führt die Daten zusammen.

In den Regio Kliniken will man sich am EPRD beteiligen. Die EDV, die es ermöglicht, Daten von Patienten und Implantaten unter Wahrung des Datenschutzes zu übermitteln, sei bereits installiert, so Wurm. „Spätestens Mitte des Jahres geht es los.“

Am Mittwoch, 19. Februar, 17 Uhr, sprechen der Chefarzt der Regio Rehazentren, Dr. Matthias Bögershausen, und der Leiter der Sporttraumatologie am Regio Klinikum Wedel, Prof. Dr. Bernd Kabelka, im Regio Rehazentrum Schenefeld, Kiebitzweg 2, über Ursachen, Diagnostik und Therapie bei Hüftschmerzen. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldung unter Telefon 040/8306007.