Die Grünen Damen und Herren der Alten- und Pflegeheim-Hilfe spielen regelmäßig mit Senioren in Pinneberg

Pinneberg. Am Anfang ist ein Witz aus der Zeitschrift Freizeit Revue zu hören: „Nach dem Banküberfall fehlen im Tresor zwei Millionen Euro. Der Bankdirektor zu den Reportern: ‚Schreiben Sie, es fehlen drei Millionen. Dann hat der Kerl wenigstens einen Riesenkrach zu Hause.“ Lisbeth Linke, 81, erzählt diesen Witz 26 Senioren, die älter sind als sie.

Die Damen und Herren sind an diesem Nachmittag für eineinhalb Stunden im Café des Seniorenwohnparks Bauernmühle in Pinneberg zusammengekommen. Nur wenige Senioren lachen, denn viele sind schon über neunzig und können nicht mehr so gut hören. „Macht nichts“, sagt Frau Linke, „der Witz am Anfang gehört einfach dazu. Ich starte jeden Bingo-Nachmittag mit einem Witz.“

Der Bingo-Nachmittag gehört für viele Senioren zum Höhepunkt in der von Essenszeiten und Ritualen geprägten Altersheim-Woche. Wenn in der Bauernmühle Bingo gespielt wird, dann vergessen viele der alten Menschen, dass sie hier, an der Mühlenstraße 6, ihren letzten Lebensabschnitt verbringen. „Wir wollen alle gewinnen“, sagt der Rentner Reinhard Petzel, 93. „Bingo ist eine schöne Freizeitbeschäftigung. Dabei sein ist alles.“ Neben Herrn Petzel sitzt Helene Lukies und nickt. Frau Lukies ist 100 Jahre alt und kann noch relativ gut hören.

Die Senioren in der Bauernmühle sitzen an diesem Nachmittag zu viert oder zu fünft an Tischen und haben jeweils einen Zettel mit den fünf Bingo-Buchstaben und den 75 Bingo-Ziffern vor sich liegen. An der Kurbel mit den 75 Bingo-Kugeln sitzt Irene Bruhn, 80. Frau Bruhn liest jede Bingo-Kombination langsam, deutlich und laut vor: „O wie Otto, drei-und-sieb-zig – sieben, drei“. Nach einer halben Stunden ist Frau Bruhn ein wenig heiser.

Wer von den Senioren die verkündete Kombination auf dem Zettel hat, der macht ein Kreuz. Wer eine Reihe waagerecht, senkrecht oder diagonal voll mit Kreuzen hat, der ruft „Bingo!“ Dann bekommt der Gewinner ein Stück abgepackter Schokolade und fühlt sich plötzlich wie ein kleiner Sieger und ein bisschen jünger. „Das Bingo ist eine schöne Abwechslung für die Heimbewohner“, sagt Frau Bruhn. „Das Spiel wirkt aufbauend und regt die Nervenzellen an.“

Bingo in der Bauernmühle wäre ohne Damen wie Frau Bruhn und Frau Linke undenkbar. Die beiden gehören zu den ehrenamtlichen sogenannten Grünen Damen und Herren der Alten- und Pflegeheim-Hilfe in Pinneberg. Frau Bruhn und Frau Linke sind zwar auch nicht mehr die Jüngsten, aber sie sind geistig und körperlich fit genug, Menschen zu helfen, die noch älter sind als sie und auf Hilfe angewiesen sind. „Die Grünen Damen und Herren sind sehr wichtig für unser Haus“, sagt Heimleiter Marco Kaser. „Sie bringen eine sehr gute Stimmung herein.“

Die Grünen Damen und Herren blicken mittlerweile auf eine längere Tradition zurück: In den 1960er-Jahren gründete Brigitte Schröder, die Gattin des damaligen Innen-, Außen- und Verteidigungsministers Gerhard Schröder, die ehrenamtliche Evangelische und Ökumenische Krankenhaus- und Altenheim-Hilfe, die mit ihrer Tätigkeit in Düsseldorf begann. Heute arbeiten mehr als 11.250 Damen und Herren in dieser gemeinnützigen Einrichtung.

Lisbeth Linke war es, die Anfang 2004 einen Besuchsdienst für die Pflegeheime in Pinneberg ins Leben rief. Nachdem ihr Mann verstorben war, war sie vom Wendland nach Pinneberg gezogen. „Weil ich eine Beschäftigung haben musste, bin ich sofort ins Pinneberger Krankenhaus gegangen und habe mich den Grünen Damen und Herren angeschlossen“, erzählt sie. „Die Senioren im Krankenhaus sprachen mich dann an und fragten: ‚Warum kommst du nicht mal zu uns ins Alten- und Pflegeheim?‘“

Sie habe noch „überschüssige Kräfte" gehabt, sagt Frau Linke, und würde „wahnsinng“ werden, wenn sie nichts Sinnvolles zu tun hätte. Es sei eine „wahre Freude" mit den älteren Herrschaften zusammenzusein.

Mittlerweile kümmern sich in Pinneberg 33 Grüne Damen und vier Herren um die Senioren in den fünf Heimen in der Kreisstadt. Sie sind zwischen 60 und 80 Jahre alt. Vorsitzende ist Ursula Podewski aus Pinneberg. Wer mitmachen will, meldet sich bei ihr unter Telefon 04101/655 13. Die Ehrenamtlichen spielen Bingo und Gesellschaftsspiele mit den Heimbewohnern, es gibt Klönschnack und Handarbeiten und für Männer Skat und Plattdeutsch.

„Viele Senioren fühlen sich einsam, wenn sie ins Pflegeheim kommen“, sagt Helferin Ilse Weber, 67. „Sie sind dankbar, wenn sie mit jemanden reden können und Beschäftigung haben. Und wenn ich hier herausgehe, bin ich dankbar, wie gut es mir noch geht.“

Die Helferinnen Ilse Weber, Lisbeth Linke und Bärbel Mau, 73, sind Witwen. „Einen neuen Mann anlachen wollten wir nicht“, sagt Frau Linke und schmunzelt. „Deswegen tun wir etwas für die Allgemeinheit. Und wir sind alle lustig und vergnügt – lachen ist wichtig und hält jung und gesund.“

Der Bingo-Nachmittag endet, wie könnte es anders sein, mit einem humoristischen Bonmot, vorgetragen von Frau Weber: „Gewonnen hat, wer nie verlor, im Kampf des Lebens den Humor.“