Landgericht verurteilt Birol K. wegen versuchten Mordes. Er hatte seine Frau in Pinneberg auf offener Straße attackiert

Pinneberg/Itzehoe. Regungslos nahm Birol K., der sich in seinem letzten Wort nochmals für seine Tat entschuldigte, das Urteil zur Kenntnis. Der 54-Jährige, der am 20. Juli 2013 seine Ehefrau Dorota, 45, in Pinneberg lebensgefährlich verletzt hat, muss wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für acht Jahre ins Gefängnis. „Sie handelten mit Tötungsvorsatz“, so der Vorsitzende Richter am Landgericht Itzehoe, Eberhard Hülsing. Die Schwurgerichtskammer sei überzeugt, dass die Eifersucht des Angeklagten ursächlich war. Er habe seine Frau trotz Trennung noch geliebt und sei ausgerastet, als er bei der Kontrolle ihres Facebook-Profils auf den angeblichen Nebenbuhler stieß.

Die Attacke ereignete sich an einem Sonnabendmittag auf der belebten Richard-Köhn-Straße. Birol K. hatte zu Prozessbeginn eingeräumt, seine seit März 2013 getrennt von ihm lebende Ehefrau auf der Straße angesprochen und, als sie ein Gespräch ablehnte, erst mit Salzsäure übergossen und dann mit einem Küchenmesser angegriffen zu haben. Allerdings machte der Angeklagte Erinnerungslücken geltend und blieb vage, was das Motiv angeht. Sehr ausführlich ging er auf seine Angststörungen und Depressionen ein.

Der medizinische Sachverständige Dr. Wilhelm Tophinke hatte in seinem Gutachten die volle Schuldfähigkeit des Angeklagten bejaht. Zwar leide Birol K. unter einer Angststörung, verbunden mit depressiven Schüben. Allerdings sei diese Erkrankung nicht so schwerwiegend, dass sie zu einer Einschränkung der Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit führe. Der Angeklagte habe seinen Alltag alleine bewältigt und schaffe dies auch in der Haft. Zudem spreche sein zielgerichtetes Vorgehen während der Tat dafür, dass er wusste, was er tat.

Staatsanwältin Maxi Wantzen bewertete den Angriff als versuchten Mord und forderte zwölf Jahre Haft für Birol K., der aus ihrer Sicht „die Tat von langer Hand geplant hat“. Dafür spreche, dass sich der Angeklagte Tage vor der Attacke die Salzsäure in einer Apotheke besorgte und gleich ein ganzes Arsenal an Messern in den Rucksack packte, ehe er seine Wohnung verließ. Zudem habe er zuvor gegenüber Freunden geäußert, er wünsche, dass seine Frau Pinneberg verlasse, dass sie verrecke. Verteidiger Wolf Dieter Reinhard ging nur von versuchtem Totschlag aus, weil das Opfer nicht arg- und wehrlos war. Spätestens seit der Säureattacke habe Dorota K. mit einem schwerwiegenderen Angriff, wie er dann ja mit dem Messer erfolgte, rechnen müssen. Zudem könne nicht von einer geplanten Tat gesprochen werden, weil sein Mandant nicht wissen konnte, dass er seine Frau auf der Straße treffen würde. „Sie arbeitete statt am Freitagabend am Sonnabendmittag. Und im Normalfall fährt sie nach eigener Aussage mit dem Auto zur Arbeit.“ Das Treffen sei also Zufall gewesen – und zur Tat sei es erst gekommen, als Dorota K. „brüsk den Kontaktversuch ihres Ehemannes zurückwies“. Er forderte „nicht mehr als sieben Jahre Haft“.

Opferanwalt Gunther Giese legte sich in seinem Plädoyer nicht auf eine Strafhöhe fest. Während Mord immer mit lebenslanger Haft bestraft wird, kann bei einer nicht vollendeten Tat ein milderer Strafrahmen, der zwischen drei und 15 Jahren Haft liegt, zur Anwendung kommen. „Ich sehe aber keinen Anlass für eine Milderung“, so Giese. Schließlich könne man nicht dem Angeklagten zugute halten, dass seine Mandantin überlebt habe. „Das ist einer Reihe glücklicher Umstände zu verdanken.“ Nur durch das Eingreifen eines Autofahrers, der seinen VW-Bus zwischen die Kontrahenten steuerte und in dessen Fahrzeug sich Dorota K. rettete, habe sie sich dem Angreifer entziehen können. Und nur eine Notoperation habe sie vor dem Tod bewahrt.

„Wir halten eine Strafe, die in der Mitte des Strafrahmens liegt, für angemessen“, so Richter Hülsing. Möglicherweise wird dieses Urteil auch rechtskräftig. Staatsanwältin Wantzen schloss eine Revision „tendenziell aus“, und auch Verteidiger Reinhard zeigte sich zumindest „einverstanden mit der Strafhöhe“. Und Opferanwalt Giese betonte, dass seine Mandantin mit dem Richterspruch vollauf zufrieden sei. „Sie ist froh, dass der Prozess und die Belastung, die er gebracht hat, jetzt vorbei sind.“ Allerdings werde „das Angstgefühl bleiben“. Dorota K. leide schwer unter den bleibenden körperlichen Schäden und auch den seelischen Folgen der Tat. „Und natürlich hat sie auch Angst davor, was passiert, wenn der Angeklagte nach Verbüßung der Strafe aus der Haft entlassen wird.“