Trauma-Ambulanz für Opfer von Gewalttaten eröffnet. Bislang einmalige Kooperation von Klinik und Jugendhilfeträger

Elmshorn. Opfer, die seelisch traumatisiert sind, haben jetzt eine erste Anlaufstelle in Elmshorn. Sozialministerin Kristin Alheit eröffnete gestern die Trauma-Ambulanz Westholstein in den Räumen des Vereins Wendepunkt in der Gärtnerstraße 10, der Kinder und Jugendliche fachmännisch berät und betreut, die sexuell missbraucht wurden. „Das ist ein gutes Zeichen für die Menschen im Land, die Hilfe brauchen“, sagte die Ministerin.

Die Trauma-Ambulanz wird getragen vom Wendepunkt und den Regio-Kliniken. „Diese Kooperation zwischen Klinik und Jugendhilfeträger ist bislang einmalig in Deutschland“, sagte Wendepunkt-Leiterin Ingrid Kohlschmitt. Im ersten Monat – die Ambulanz ist im Januar gestartet – seien 18 Patienten ambulant versorgt worden, die fast ausnahmslos familiäre Gewalt erlitten. Darunter waren drei Erwachsene, die hier ebenfalls behandelt werden können.

Bei den Opfern, die Gewalt erlitten oder die Gewalt, ein schweres Unglück, Feuer, Krieg oder Flucht erlebt oder die durch Unfall, Suizid oder eine Gewalttat einen geliebten Menschen verloren haben, komme es entscheidend darauf an, dass sie so möglichst rasch medizinisch betreut werden, erklärte Anna Vetter, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Regio-Kliniken. Je schneller ihnen geholfen werden kann, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie das traumatische Erlebnis gut verarbeiten und wieder genesen könnten.

In akuter Gefahr, traumatisiert zu werden, seien alle Menschen, die „vollkommen hilflos einem Geschehen ausgeliefert sind, das sie nicht beeinflussen können“, erläuterte Kohlschmitt. In der Realität gelte dies vor allem für Kinder und Jugendliche, die missbraucht oder misshandelt werden, sagte sie. Das sei hierzulande alltäglich. Sie nannte auch Zahlen wissenschaftlicher Gewaltstudien. Demnach werden deutschlandweit 2,5 Millionen Kinder von ihren Eltern oft oder manchmal geschlagen. 1,4 Millionen Kinder würden sogar schwer misshandelt. Dem stünden aber nur 4412 Strafanzeigen entgegen. Offenbar werde nur jeder 300. Fall angezeigt. Bei sexuellem Missbrauch sei dieses Verhältnis näher an der Realität: Von geschätzten 300.000 Fällen, in denen Jungen und Mädchen bundesweit missbraucht und vergewaltigt werden, würden rund 15.000 angezeigt.

Neben den akuten Fällen, wo das traumatische Erlebnis oder die Gewalttat gerade erst passiert sei, gebe es auch jene Fälle, wo die Traumatisierung eher diffus oder komplex sei, weil sie sich über Jahre angestaut habe, erklärte Kohlschmitt. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn die Kinder dauerhaft vernachlässigt und gedemütigt wurden oder erleben mussten, wie ein Elternteil über lange Zeit psychisch krank oder alkoholabhängig war. Die Finanzierung der Behandlung über das Opfer-Entschädigungsgesetz sei aber nur für jene Akutfälle gesichert, wo das Opfer selbst verletzt oder misshandelt wurde, so Kohlschmitt. Von den 18 Fällen im Januar galt das nur für vier. Bei den anderen musste die Behandlung über Spenden finanziert werden, weil die Opfer Zeugen der Tat waren oder ihr Leiden nicht einer Tat direkt zugeordnet werden konnte. Zum Glück werde die neue Trauma-Ambulanz von einer Stiftung sowie „Appen musiziert“ unterstützt, freut sich Kohlschmitt.

Die Opfer könnten sich jetzt rund um die Uhr, tagsüber im Wendepunkt in der Gärtnerstraße 10, nachts in die Elmshorner Klinik in der Agnes-Karll-Allee 17, an die Trauma-Ambulanz wenden, wo sie ärztliche Hilfe fänden, so ihr Leiter Dirk Jacobsen. Als erstes werde versucht, das Opfer zu beruhigen, zu stabilisieren und den Sachverhalt aufzuklären. Anschließend, das ist das Neue an dieser Kooperation, beraten die Fachleute der Klinik, des Wendepunktes und des Landesamtes für soziale Dienste gemeinsam, wie ihm weitergeholfen werden kann: Ist eine Therapie nötig? Muss das Opfer stationär in einer Fachklinik aufgenommen werden? Oder reicht eine Maßnahme der Kreisjugendhilfe, um das schreckliche Erlebnis seelisch zu bewältigen. „Wir können gemeinsam voneinander lernen. Das ist ein Referenz-Projekt für Schleswig-Holstein“, sagte Heiko Willmann, Bereichsleiter für Jugend und Soziales in der Kreisverwaltung.