Theater Wedel zeigt „Die Perle Anna“ als Boulevardspaß mit Sixties-Flair

Wedel. Küssen ohne Trauschein? Ein Skandal. Monsieur muss seiner jungen Geliebten die Ehe versprechen, damit sie unkeusche Gedanken auch nur erwägt. Madame, die von den Abwegen ihres Ehemanns nichts ahnt, hüllt ihren jugendlichen Liebhaber fürsorglich in den karierten Liebestöter des Gatten. Die Damen stöckeln auf Pfennigabsätzen, die Haare sind toupiert, und kein Telefon kommt ohne Wählscheibe aus. Fehlt eigentlich nur noch Doris Day.

Die französische Boulevardkomödie „Die Perle Anna“ von Marc Camoletti, deren Premiere das Publikum im ausverkauften Theater Wedel am vergangenen Wochenende frenetisch feierte, versetzt Zuschauer und Ensemble in den Alltag und die Moralvorstellungen der 50er- und 60er-Jahre.

Das hat einerseits einen gewissen nostalgischen Charme und ist über weite Strecken sehr unterhaltsam, wirkt allerdings insgesamt ein wenig aus der Zeit gefallen. Denn ihre Komik bezieht die Komödie aus dem ironischen Spiel mit moralischen Klischees und Erwartungen, die von der gesellschaftlichen Entwicklung längst überholt worden sind. Verglichen mit den prickelnden, verstörenden, rasanten und durchweg mitreißenden Inszenierungen des Jahres 2013 wie der „Feindlichen Eroberung“, den „Unterbliebenen Worten“ oder Shakespeares Klassiker „Was Ihr wollt“ kommt „Die Perle Anna“ ein wenig betulich über die Rampe.

Am spielfreudigen Darstellerquintett liegt das nicht. Hans Kall als schlitzohriger, gelegentlich tapsiger Bertrand, Andrea Speer als mondäne Femme Fatale und Gattin Claudine, Ensembleneuling Annalena Wilken als pausbäckig-niedliche Geliebte Catherine, Timo Sauer als schüchterner Boxer Robert und ganz besonders Barbara Kailuweit in der Titelrolle der resoluten, schlagfertigen Haushälterin Anna holen aus der etwas angestaubten Vorlage heraus, was geht und bescheren ihren Zuschauern einen heiteren Theaterabend.

Sie geben ihren Figuren Tiefe, sie punkten mit Präsenz, augenzwinkerndem Spielwitz und handfesten Überraschungen wie dem sinnlichen Striptease des schlaksigen Möchtegern-Lovers Robert. Das ist dem Wedeler Ensemble umso höher anzurechnen, weil es nur sechs kurze Wochen Zeit für die Proben hatte.

„Die Perle Anna“ läuft noch an den Wochenenden bis einschließlich 20. April am Theater Wedel, Rosengarten 9. Im laufenden Monat wird sie am 7.,8., 14., 15. und 21. Februar jeweils von 20 Uhr an sowie am 16. Februar von 15 Uhr zu sehen sein. Der komplette Spielplan ist im Internet unter www.theater-wedel.de zu finden. Karten zu je 14,50 Euro, ermäßigt 9 Euro, gibt es im Vorverkauf unter Telefon 04103/91 93 70 sowie an der Abendkasse.