Industrie und Handwerk im Kreis Pinneberg werben um Jugendliche, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Nur wenige Bewerber bleiben im Kreisgebiet ohne Lehrstelle

Ausbildungsstart ist erst im Sommer, doch Schüler sollten sich schon jetzt Gedanken machen, wie es nach der Schule weitergehen soll. Eine gute Nachricht vorweg: Aufgrund der demografischen Entwicklung haben es junge Arbeitssuchende auf dem Arbeitsmarkt generell leichter als in den letzten Jahrzehnten. In vielen Bereichen werden künftig vermehrt Mitarbeiter gesucht, prognostizieren Experten der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. Das ist bei der Suche nach Azubis zu spüren.

„Weil die Wirtschaft händeringend Fachkräfte sucht, rücken auch junge Erwachsene ohne berufliche Ausbildung jenseits der 25 verstärkt in den Blickpunkt der Arbeit in den Jobcentern und Arbeitsagenturen“, sagt Gerold Melson, Sprecher der Agentur für Arbeit in Elmshorn. Zudem bemühen sich Berufsberater vermehrt um Studienabbrecher. Für sie kann derEinstieg in ein betriebliches Ausbildungsverhältnis eine gute Alternative sein. „Es gibt viele Ausbildungsberufe, für die Betriebe Abiturienten suchen; wie zum Beispiel Mediengestalter, Fachinformatiker, Industriekauffrau oder -mann sowie im Groß- und Außenhandel“, sagt Melson.

Im vergangenen Jahr bewarben sich 1900 junge Menschen im Kreis Pinneberg um einen Ausbildungsplatz. Gleichzeitig wurden von den Betrieben 1655 offene Ausbildungsplätze bei der Agentur für Arbeit in Elmshorn gemeldet. Vor allem Kaufleute im Einzelhandel, Groß- und Außenhandel, Bürokaufleute sowie Verkäufer wurden gesucht. 110 Ausbildungsstellen blieben offen, zum Beispiel für Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung und Klima, Baumschuler und Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik, aber auch in der Gastronomie und im Lebensmitteleinzelhandel. Dem gegenüber blieben 62 Bewerber im Kreis unversorgt, weil die offenen Stellen nicht mit ihren Berufswünschen übereinstimmten. „Für dieses Jahr erwarten wir keine grundsätzlichen Änderungen in den Zahlen und Aussagen“, so Melson.

„Die Jugendlichen sollten ihre Perspektive etwas erweitern und sich nicht auf einen Beruf festlegen“, sagt Hans Joachim Beckers, Ausbildungsexperte bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schleswig-Holstein. Häufig wollten junge Menschen in den Kreativbereich gehen und „etwas mit Medien“ machen, weil das gerade Trend sei. Beckers rät, sich rechtzeitig mit Inhalten und Voraussetzungen bestimmter Berufsbilder auseinanderzusetzen. „In der Lehrstellenbörse der IHK (www.ihk-lehrstellenboerse.de) finden Schulabgänger offene Ausbildungsplätze“, sagt Beckers. Gut bei Arbeitgebern komme auch Eigeninitiative an.

In Uetersen soll der Lehrstellen-Infotag (siehe Kasten) dazu beitragen, dass junge Menschen aus dem Kreis in der Region bleiben. „Der Fachkräftebedarf soll aus den eigenen Reihen bei unseren Unternehmen gedeckt werden kann“, sagt Wirtschaftsförderin Meike Koschinski. Die Türkischen Gemeinden in Elmshorn und Pinneberg beteiligen sich an der Aktion. „Es ist wichtig, dass Jugendliche aus Migrantenfamilien und deren Eltern bei der Berufsfindung ihrer Kinder unterstützt werden“, sagt Koschinski. „Das Potenzial dieser Jugendlichen muss für die Betriebe gewonnen werden.“ Die Mitarbeiter der Türkischen Gemeinde bieten an ihrem Stand Beratung an. Das Grußwort der diesjährigen Broschüre ist in deutscher und türkischer Sprache verfasst.

Welche Berufe haben in Zukunft die besten Berufschancen? Die Bundesagentur für Arbeit hat acht Berufen ausgemacht. Dringend gesucht werden Altenpfleger und Pflegemanager. Eine Million Stellen müssen schon in den nächsten zehn Jahren besetzt werden, so die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Wer sich für ein Lehramtsstudium entscheidet, der sollte sich auf Naturwissenschaften und Mathematik spezialisieren. Auch Zahnärzte und Allgemeinmediziner, die bereit sind, in ländlichen Regionen zu praktizieren, haben gute Chancen. Bereits heute sind laut Bundesärztekammer 3500 Praxen unbesetzt.

Auch qualifizierte Maschinenbauer werden gesucht. Dem deutschen Maschinenbau fehlen derzeit 5000 Facharbeiter und bis zu 5000 Ingenieure. Wer Freude an Mathe, Informatik und Physik hat, sollte sich den Bereich Mechatronik genauer ansehen. Da Chemie und Elektrotechnik, Textil- oder Metallindustrie ihre Produktionsstätten zunehmend auf unterschiedliche Standorte verteilen, werden verstärkt Vertriebsingenieure benötigt. Datenschutz ist ein wichtiges Thema in Großunternehmen. Dort werden IT-Sicherheitstechniker gesucht. Die Energiewende spielt auch in den nächsten Jahrzehnten noch eine große Rolle. Für Ingenieure im Bereich der Gebäude- und Energietechnik besteht großer Bedarf.

Auch die Chancen auf einen Ausbildungsplatz im Handwerk sind ausgezeichnet, heißt es aus der Handwerkskammer Lübeck, die auch für den Kreis Pinneberg zuständig ist. Häufig gesucht werden derzeit unter anderem Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Kfz-Mechatroniker und Hörgeräteakustiker.

„Das Handwerk bietet mehr als 130 spannende und moderne Ausbildungsberufe mit handfesten Karrierechancen“, sagt Christian Maack, Geschäftsführer der Handwerkskammer Lübeck und zuständig für Berufsbildung. „Im Handwerk hat jeder Jugendliche die Möglichkeit, in einem abwechslungsreichen Arbeitsumfeld tätig zu sein, frühzeitig Verantwortung zu übernehmen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zudem sind die Möglichkeiten, eine Lehrstelle zu finden, so gut wie lange nicht.“ Sein Tipp: In der Lehrstellenbörse der Handwerkskammer nach freien Ausbildungsplätzen suchen (www.hwk-luebeck.de/lehrstellenboerse) oder direkt die kostenlose App Lehrstellen-Radar herunterladen und per Smartphone auf die Suche gehen.

Das Spektrum der Berufe ist sehr breit. Auslandspraktika während der Ausbildung sind ebenso möglich wie die Aufnahme eines dualen Studiums oder der Erwerb von Zusatzqualifikationen. Eine Übersicht bietet www.deutsche-handwerks-zeitung.de/neue-berufsbilder-im-handwerk. Im Projekt „Handwerk ist mehr“ sind Vertreter der Handelskammer in Schulen unterwegs (www.handwerkistmehr.de). Für Schüler, die Ausbildung und Studium miteinander verbinden möchten, gibt es das Studium mit integrierter Lehre und den Technischen Betriebswirt (www.studile.de, www.hwk-luebeck.de/ausbildung/technischer-betriebswirt.html).