Steuerzahlerbund spricht von Schildbürgerstreich. Wahl laut Ministerium nicht zu stoppen

Wedel. Manchmal gibt es einfach kein Zurück mehr. Das müssen auch die Initiatoren des ersten Wedeler Bürgerentscheids derzeit leidvoll erfahren. Wenn sie könnten, würden sie zu gern das Rad zurückdrehen oder zumindest das angeschobene Verfahren auf Eis legen – so lange, bis klar ist, was die Hamburger auf dem Wedeler Kraftwerksareal nach dem Rückkauf der Netze planen. Wie verzweifelt sie sind, merkt man daran, dass sie sogar überlegen, Unterschriften gegen ihren eigenen, plötzlich ungewollten Bürgerentscheid zu sammeln. Das war zumindest eine der Überlegungen, die am Mittwoch bei einem Krisentreffen der Initiatoren und Mitglieder der Wedeler Bürgerinitiative „Stopp. Kein Megakraftwerk Wedel“ zur Sprache kam. „Das machen wir aber nur, wenn es eine Aussicht auf Erfolg gibt“, so Sprecherin Kerstin Lue-ckow.

Den Bürgerentscheid stoppen? Aussichtslos, sagt das Kieler Innenministerium. Dort sieht man keine Chance, aber auch keine Notwendigkeit, die für den 16. März vorgesehene Abstimmung aufzuhalten. „Wenn die Zulässigkeit einen Bürgerentscheids erst erklärt wurde, gibt es kein Zurück mehr. Die Unterzeichner haben einen Anspruch auf Durchführung. Etwas anderes ist im Gesetz nicht vorgesehen“, sagt Thomas Giebeler, Pressesprecher des Innenministeriums. „Jetzt hat der Bürger das Wort. Das ist rechtlich und politisch so gewollt.“

Lueckow sieht das anders. Die Wedelerin glaubt nicht, dass diejenigen, die vor knapp sechs Monaten für den von ihr mitinitiierten Bürgerentscheid stimmten, ihn heute noch wollen. Denn damals sah die Welt anders aus. Die Energienetze gehörten Vattenfall und nicht der Stadt Hamburg. Der Energieriese trieb damals energisch den Neubau eines Gaskraftwerkes in Wedel voran. Dafür wurde auch der neue Bebauungsplan aufgestellt, gegen den sich der Bürgerentscheid richtet. Die Kritik: Er umfasst nicht das gesamte Areal, sondern nur eine Teilfläche, auf der das Kraftwerk aber gar nicht entstehen soll. Dadurch würde den Bürgern eine Möglichkeit genommen, Einsprüche gegen die Bauhöhen des Kraftwerks und möglichen Lärm zu erheben – so die Vorwürfe der Initiatoren. Nach dem Volksentscheid in Hamburg steht allerdings der Bau zur Debatte. Plötzlich sollen auch Alternativen zum Kraftwerk geprüft werden.

Warum über einen Bebauungsplan streiten, wenn gar nichts gebaut wird und Kosten für einen damit sinnlosen Bürgerentscheid verursachen, zu dem kaum einer gehen wird, fragen sich nicht nur die Initiatoren. „Ich erhalte viele Anrufe von Leuten, die unterschrieben haben und jetzt wollen, dass wir den Bürgerentscheid stoppen. Aber das können wir nicht“, sagt Lueckow verzweifelt. Im Gegenteil seien sie gezwungen, ihn voranzutreiben. Von allen Seiten käme der Druck. Am Ende fügte man sich und verfasste nach langen Querelen mit der Stadt und dem Innenministerium einen kurzen Text für das benötigte Informationsschreiben. Das wurde jetzt abgesegnet und wird in den kommenden Wochen an die Wahlberechtigten verschickt, wie Wedels Bürgermeister Niels Schmidt am Donnerstag erklärte. Auch ihm bleibt nichts übrig, als das Gesetz umzusetzen.

Besorgt beobachtet auch der Bund der Steuerzahler den Wedeler Fall. „Die ganze Situation ist ausgesprochen verfahren“, sagt Rainer Karsten. Der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Verbundes kritisiert: „Das ist ein Schildbürgerstreich ersten Ranges. Hier muss der Gesetzgeber nachbessern, um in Zukunft so etwas zu verhindern.“ Er fordert, dass alles getan wird, um die Kosten für die Abstimmung gering zu halten. Wahlbezirke sollten reduziert und Wahlvorstände verschlankt werden.

Derzeit werden die Kosten für den ersten Bürgerentscheid der Stadt Wedel auf 32.000 Euro geschätzt. „Es ist ein Irrsinn, der da betrieben wird. Der Bürgerentscheid droht zur Realsatire zu verkommen. Es ist wichtig, dass sowohl Stadt als auch Bürgerinitiative taktischen Spielchen vermeiden, damit das Instrument Bürgerentscheid keinen zu großen Schaden nimmt.“