Brutstätte in Wedel: Naturschützer schaffen mit Hilfe der Stadtwerke neuen Wohnraum für Störche im Kreis Pinneberg

Wedel. Provisionsfrei, geräumig, möbliert. Sofort bezugsfertig, mit einer unschlagbaren Lage im begehrten Wedel an der Elbe und mit einem traumhaften, unverbauten Blick über die Marsch: Es ist ein kaum zu überbietendes Angebot auf einem umkämpften Markt, das schon bald neue Bewohner anlocken wird. Darin sind sich die Initiatoren einig. Denn freier und schöner Wohnraum ist im Kreis Pinneberg Mangelware – auch für Störche. Abhilfe schafft jetzt der Naturschutzbund. In einer gemeinsamen Aktion mit den Wedeler Stadtwerken wurde jetzt ein neuer Brutplatz für Störche im Kreis Pinneberg geschaffen.

Mit schwerem Gerät rückten die Mitarbeiter der Wedeler Stadtwerke am Montag an, um bei Eis und Schnee in der Wedeler Marsch den elf Meter hohen Mast in die Luft zu hieven. „Der Naturschutzbund ist auf uns zugekommen mit der Bitte zu helfen. Das machen wir gern. Es passt auch zu uns. Denn die Stadtwerke engagieren sich schon in verschiedenen Bereichen für den Umweltschutz“, erklärt Stadtwerkesprecherin Natali Kobas die Vogelschutzaktion. Die Kosten für den Bau der Brutstätte in Höhe von rund 3100 Euro übernimmt das Unternehmen. Geschäftsführer Adam Krüppel dazu: „Wir möchten den Storchenpaaren auf Wohnungssuche in Wedel und Umgebung gerne eine gute Brutmöglichkeit anbieten und freuen uns, dass wir einer bedrohten Vogelart durch praktischen Naturschutz helfen können.“

Das weiche Bett, das die Stadtwerke den Störchen mitbereiten, besteht aus einem Korb, gefüllt mit Stroh. Das geflochtene Nest, das bereits oben auf dem Mast thront, ist echte Handarbeit und stammt von einem der letzten seiner Zunft. Für Korbflechter Heinrich Jürgs, der passenderweise aus Haselau-Hohenhorst stammt, war es nicht die erste Brutstätte, die er auf Bestellung anfertigte. Bereits 35 seiner Körbe bieten Störchen deutschlandweit ein Liebesnest. Sein neues Nest hat seinen Platz auf einem Feld von Dirk Kleinwort gefunden. Der Betreiber des Obstparadieses war mit dem neuen Storchenhorst auf seinem Grund und Boden gleich einverstanden. Er ist sogar stolz darauf. „Ich hoffe, dass ein Storchenpaar schnell einzieht und Nachwuchs bekommt“, sagt er. Marco Sommerfeld ist sich sicher, dass auf dem Hof vom Obstbauer Kleinwort bald das Klappern der Störche zu hören sein wird.

Der Leiter der Carl Zeiss Vogelstation hat in den vergangenen Jahren regelmäßig Weißstörche in der Gegend beobachtet, die noch auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz waren. „Die Wedeler Marsch bietet auch für ein weiteres Brutpaar genügend Nahrung und Lebensraum“, erklärt Sommerfeld.

Im vergangenen Jahr lebten allein in dem Storchenrevier rund um die Marsch vier Brutpaare. Die Störche zogen auf den Hetlinger Höfen Idenburg und Giesensand sowie in Appen und am Grünen Damm bei Hetlingen erfolgreich jeweils zwei Jungvögel groß. Um ihren Nachwuchs satt zu kriegen, benötigt jedes Storchenpaar feuchtes Grünland im Umfang von 26 Fußballfeldern in der Nähe seines Horstes. Diese Voraussetzungen sind laut Nabu-Vogelexperte Sommerfeld in der Wedeler Marsch und dem unmittelbaren Umland gegeben. Ein weiteres Storchenpaar würde den Storchenbestand im Kreis Pinneberg stärken, der in den vergangenen fünf Jahren erfreulicherweise schon kontinuierlich anstieg.

Laut Zählung der Naturschützer, die im Kreis Pinneberg über drei ehrenamtliche Storchbeauftragte verfügen, lebten 2009 noch fünf Storchenpaare im Kreisgebiet. Vier von ihnen zogen Junge auf. 2013 waren es elf Paare, neun von ihnen waren nachwuchstechnisch erfolgreich. Auch landesweit ist der Bestand auf Wachstumskurs. Laut Nabu ließen sich 2009 noch 204 Horstpaare im nördlichsten Bundesland nieder. 131 von ihnen zogen Jungtiere groß. Im vorigen Jahr waren es 271 Paare, von denen 184 Nachwuchs zeugten. Auch in Hamburg boomt der Bestand. 50 Jungtiere zählte der Nabu 2013 in der Hansestadt – so viel wie seit 50 Jahren nicht mehr. Storchenexperte Jürgen Pelch: „Die Störche scheinen nach Hamburg und Umgebung zu flüchten. Denn in Mecklenburg-Vorpommern hat der Brutbestand wegen des Maisanbaus um 30 Prozent abgenommen.“ Obwohl die Brutsaison erst im Frühjahr beginnt, ist in Hamburg bereits das erste Storchenpaar gelandet und hat sich in den Vier- und Marschlanden niedergelassen.

Dass tierischer Wohnraum in Hamburg und Umgebung ganz schnell weg ist, zeigt auch der bereits besetzte Nistkasten, der ursprünglich am neuen Storchenmast in Wedel mit angebracht werden sollte. Das Zuhause, das für Turmfalken gedacht war, lag zur Vorbereitung auf dem Hof von Obstbauer Kleinwort. Ein Igel schnappte ihn sich im Herbst und hält dort derzeit gemütlich Winterschlaf.