Zeugen schildern vor Gericht die Säure- und Messerattacke von der Richard-Köhn-Straße

Pinneberg/Itzehoe. In welchem Zustand befand sich Birol K., als er am 12. Juli vorigen Jahres in Pinneberg auf offener Straße seine von ihm getrennt lebende Frau Dorota, 45, mit Säure überschüttete und mit einem Messer attackierte? Die Schuldfähigkeit des geständigen Angeklagten ist die zentrale Frage des Prozesses vor dem Landgericht Itzehoe, wo sich der 54-Jährige wegen versuchten Mordes verantworten muss. Am zweiten Prozesstag sagten Tatzeugen, Freunde und die Psychologin des Angeklagten sowie mehrere Polizeibeamte aus.

„Wir fuhren mit unserem VW Bus auf der Richard-Köhn-Straße direkt auf das Geschehen zu, das sich mitten auf der Straße abspielte“, so Eva Anna S.. Die 31-Jährige schilderte, wie sie das große Messer in der Hand des Angeklagten sah und aus Angst verhindern wollte, dass ihr Freund aussteigt und sich einmischt. „Die Frau hatte Todesangst und schrie so herzzerreißend, das habe ich noch nie gehört.“ Der Freund der 31-jährigen mischte sich dann doch ein, er fuhr mit dem Wagen langsam weiter und trennte so die Kontrahenten. „Die Frau drückte von sich aus die Schiebetür auf und zog sich in den Wagen. Der Mann stand an der Fahrerseite und hob drohend sein Messer.“ Eva Anna Sch. und ihr Freund stoppten zwei Straßen weiter und übergaben das lebensgefährlich verletzte Opfer dem Rettungsdienst. „Sie hatte mehrere Stiche im Bauch und im Arm und sagte, ihr Mann habe sie umbringen wollen.“

Laut Diplom-Psychologin Ingrid H., 65, die den Angeklagten mehrere Jahre behandelt hatte, liegt bei ihm eine Depression mit einhergehender Angststörung vor. Es habe immer wieder Zeiten gegeben, in denen es Birol K. sehr schlecht ging. Er habe sich nicht mit anderen Leuten in einem Raum aufhalten können und daher im Auto übernachtet. Nach mehreren Trennungen von seiner Frau sei er obdachlos gewesen.

Dennoch habe Birol K. die Unterbringung in einem Wohnheim oder einer Wohngemeinschaft abgelehnt, auch die Einnahme von Medikamenten verweigert. „Eine Zwangsunterbringung wäre nicht drin gewesen.“ Birol K. habe sich nach den Krisen immer wieder gefangen, sein Job als Taxifahrer habe „ihm ein Stück Stabilität zurückgegeben“. Er sei eigentlich „ein freundlicher, offener, liebenswerter und gutmütiger Mensch“. Ähnlich beschrieben auch zwei Freunde den Angeklagten, der sich jedoch durch die 2009 geschlossene Ehe mit Dorota K. verändert habe. „Sie hat ihn ausgenutzt und ihm alles weggenommen, er konnte sich kaum Zigaretten kaufen“, so Aykan Ü., 50, der Birol K. als „eifersüchtig“ bezeichnete.

Polizistin Wiebke H. schilderte, wie sie und fünf Kollegen den Eingang zum Wohnblock bewachten, in den Birol K. geflüchtet war. „Er kam raus, hielt das Messer vor sich und sagte, wir sollen kommen, er habe nichts mehr zu verlieren.“ Der Prozess wird fortgesetzt.