Um einen Nachbarschaftsstreit zu beenden, stellt die Stadt einen Findling auf. Damit gerät sie selbst in die Kritik

Tornesch. Vom Küchenfenster aus schaut Christiane Petersen auf den Stein des Anstoßes: Ein schwerer Findling, der ihr von der Stadt Tornesch mit einem Kran quasi vor die Nase gesetzt wurde, um einen langwierigen Nachbarschaftsstreit zu beenden. Es streiten zwei Familien, die sich nicht grün sind. Zwei Familien, die sich gegenseitig mit Anzeigen und Klagen überziehen. Und alles wegen Falschparkens in einer Sackgasse.

Christiane Petersen ist sauer. Auf den Nachbarn, auf den Kreis und auf die Stadtverwaltung. Sie fühlt sich drangsaliert und will, dass der Findling, der von der Stadtverwaltung direkt gegenüber ihrer Haustür aufgestellt wurde, entfernt wird. Doch warum?

Rückblende: Im April vergangenen Jahres hat Christiane Petersen begonnen, ihr Haus auszubauen. Dafür mussten Baufahrzeuge in den verkehrsberuhigten Kokoschkaweg fahren. Zusätzlich, so erzählt die 47-Jährige, hätte die Familie weitere Baumaterialien mit ihrem VW-Bus angeliefert.

Familie erhält bis zu fünf Anzeigen pro Woche wegen Falschparkens

Da keine ausreichenden Parkflächen in dem kleinen Teilstück vorhanden waren, hätten sie zum Entladen zeitweise ihren Bus an der Straße geparkt, genauer: in einer Sackgasse, die nur zu ihrem Grundstück führt. Dahinter ist lediglich ein Zugang zu einem Rad- und Fußgängerweg vorhanden. Die Frau war davon ausgegangen, dass sich niemand an der vorübergehenden Bautätigkeit und dem aus ihrer Sicht notwendigen Parken des Bullis stören würde. Doch einer ihrer Nachbarn sah das anders. Er erstattete gegen die Tornescher Familie Anzeige wegen Falschparkens – und das nicht nur einmal, sondern insgesamt mehr als 30 Mal.

„Im April, als wir Material angeliefert hatten, bekamen wir die erste Anzeige“, sagt Petersen. Am 28. April folgte die nächste. Einsprüche wurden eingelegt, doch ein Ende war nicht in Sicht. Auch die Schwiegereltern erhielten Anzeigen wegen Falschparkens – bis zu fünf innerhalb einer Woche. Daraufhin schaltete die Familie einen Anwalt ein.

Es folgten Einsprüche und Schreiben an die Kreisverwaltung, die die Anzeigen bearbeitete. Die Familie sagt, sie fühle sich schikaniert, auch weil der Nachbar auf der Lauer liege, um mit dem Fotoapparat festzuhalten, ob man falsch parke. Andere Anwohner würden in dem Wohngebiet, in dem es zu wenig Parkplätze gebe, auch regelmäßig an den Straßen parken. Diese würden von besagtem Nachbarn aber nicht angezeigt. Es herrsche Willkür. Der Nachbar sieht das alles anders. Er sagt, dass er versucht habe, die Angelegenheit auf dem kleinen Dienstweg zu regeln. Die Familie Peters habe aber abgeblockt. Daraufhin habe er Anzeige erstattet.

Inzwischen liegen beide Parteien auf der Lauer und zeigen sich gegenseitig an. „Wir wurden wegen Hupens, wegen zu lautem Türzuschlagens, wegen angeblich laufender Motoren und anderem angezeigt“, sagt Petersen. Es sei absurd, was sich da abspiele, und mit den Nerven sei die Familie am Ende.

Im Oktober folgte eine weitere Anzeigenflut. Familie Petersen kontaktierte den Kreis und die Stadtverwaltung und schaltete erneut ihren Anwalt ein. Der forderte eine Unterlassungserklärung. Als diese unberücksichtigt geblieben war, sei Strafanzeige gegen den Nachbarn wegen übler Nachrede und Falschverdächtigung gestellt worden.

Am 12. November fand die Familie dann den Findling vor ihrem Haus, und war überrascht. Die Stadt hatte ihn kurzerhand aufgestellt, um das Thema Falschparken dort zu beenden. Doch damit ist alles nur noch schlimmer geworden. Mit ihrem VW-Bus kommt Petersen nicht mehr zu ihrem Carport, auch mit einem einfachen Pkw wird das Manövrieren, ohne dass Schrammen entstehen, zur Herausforderung. Der Weg ist zu eng. Die Petersens fordern von der Stadt die Entfernung des „rechtswidrig aufgestellten“ Steins.

Die Stadt, die von dem Streit genervt ist und neutral bleiben will, widerspricht. „Es ist keineswegs rechtswidrig, in Mischverkehrsflächen Findlinge zur Verkehrsberuhigung aufzustellen“, heißt es aus der Verwaltung. Zudem würden an der Straße abgestellte Fahrzeuge die Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge blockieren. „Der Findling wird so aufgestellt, dass die Durchfahrtbreite für Rettungsfahrzeuge gegeben und das Ein- und Ausfahren vom Grundstück der Eheleute Petersen unschwer möglich ist“, so Evelyn Böke vom Bau- und Planungsamt der Stadt Tornesch.

Eine Messung ergibt aber: 3,05 Meter Durchfahrtbreite. Zu eng für Rettungsfahrzeuge. Mindestens 3,50 Meter Durchfahrtbreite sind gesetzlich vorgeschrieben, damit Feuerwehren nicht behindert werden. Angeblich, so die Stadt, hätten Vertreter von Kreis und Polizei den Ort begutachtet und sichergestellt, dass der Platz ausreichend sei.

Die Realität sieht jedoch anders aus. Wie kann es dazu kommen? „Wir gehen davon aus, dass der Stein von jemandem versetzt worden ist“, sagt Evelyn Böke. Dass die Breite von 3,50 Meter eingehalten werden müsse, sei unstrittig. Böke kündigte an, sie werde sich kümmern, dass der Stein versetzt wird, um den nötigen Abstand herzustellen.

Christiane Petersen erwägt nun, gegen die Stadt Tornesch zu klagen

Dennoch: Die Aktion mutet den Petersens merkwürdig an. Denn begründet wird sie vor allem mit einer erwünschten Verkehrsberuhigung für den Durchgangsverkehr. Mofas würden dort beispielsweise viel zu schnell durchfahren. Der Kokoschkaweg ist aber als Spielstraße und Sackgasse gekennzeichnet, das Ende der Straße mit „Fahrräder und Fußgänger frei“ markiert. Somit kann es eigentlich keinen Durchgangsverkehr geben, der in seinem Tempo gebremst werden müsste – außer vielleicht einige Schulkinder auf ihren Fahrrädern.

Christiane Petersen ist genervt. Sie erwägt, gegen die Stadt Klage zu erheben, weil die Maßnahme ihrer Sicht nach völlig überzogen und rechtlich unhaltbar sei. Dass die Stadt Steuergeld für den Findling „verschwendet“ habe, sei zudem schwer nachzuvollziehen. Ein Ende des Zwists ist nicht in Sicht.