Die neue Konzertreihe „2 x hören“ in der Drostei soll einen einfachen Zugang zu zeitgenössischer Musik eröffnen

Pinneberg. Geigen knarzen. Flöte und Oboe schrauben sich in Höhen, die den Gehörsinn auf eine harte Probe stellen. Der Pianist lässt die Tasten ruhen und bespielt vornüber gebeugt das drahtige Innenleben seines Instruments. Plötzlich und unerwartet bereichert ein Schlagzeuger den Klangsalat mit einem blechernen Akzent. Rhythmisch schüttelt er eine Blechdose voller Schrauben. Und der erschütterte Konzertbesucher weiß nicht, ob er über die irrwitzigen Dissonanzen auf der Bühne lachen oder sich lieber schützend die Ohren zuhalten und um ein baldiges Finale beten soll.

An solch zeitgenössischer klassischer Musik scheiden sich die Geister. Selbst eingefleischte Konzertgänger machen oft einen Bogen um die kreativen Klangexperimente von Stockhausen, Gubaidulina und Konsorten. Zu verkopft, zu anstrengend, zu elitär seien die Kompositionen der Erben von Mozart und Bach, sagen ihre Gegner.

Das sehen die Programmmacher der Pinneberger Drostei um deren Künstlerische Leiterin Stefanie Fricke anders. Den Beweis treten sie jetzt mit der neuen Konzertreihe „2 x hören“ an. Zur Premiere am Freitag, 24. Januar, dreht sich in den historischen Sälen an der Dingstätte von 19.30 Uhr an alles um das Stück „Drei Hirten“ des 1932 geborenen russischen Komponisten Rodion Shchedrin (sprich: Schedrin).

„Zeitgenössische Musik kann zutiefst sinnlich, spannend, berührend und humorvoll sein“, sagt Fricke. „Vielen Menschen fehlt einfach nur ein emotionaler Zugang dazu.“ Genau den will die studierte Flötistin mit der auch landesweit neuen Reihe öffnen. Entwickelt hat sie der Musikwissenschaftler Markus Fein ursprünglich mit der und für die Hamburger Körber-Stiftung.

Erkenntnisse vermitteln, ohne die Zuhörer zu belehren, neugierig machen, gemeinsam neue Wege entdecken – das ist der Kern des Konzepts „2 x hören“. Ein zeitgenössisches Werk, in diesem Fall die „Drei Hirten“, wird zweimal in voller Länge aufgeführt. Dazwischen gibt es eine Gesprächsrunde, in der die Musikvermittlerin Martina Taubenberger mit den Musikern über die Komposition spricht. Über deren Lieblingsstellen und Schwierigkeiten, über Besonderheiten der Partitur, über den Hintergrund des Stücks. Anschließend spielen die Musiker das Stück erneut.

Statt einer Pause haben die Besucher nach dem Konzert Gelegenheit, sich bei einem Glas Saft oder Sekt selbst mit den Musikern über das Werk und ihre neuen Eindrücke und individuellen Entdeckungen am Wegesrand zu unterhalten. Das pragmatische Konzept überzeugte auch die Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein, die die Konzertpremiere kräftig finanziell unterstützt.

Mit dem Münchner Ensemble Zeitsprung, in Pinneberg in der Besetzung Flöte (Tobias Kaiser), Oboe (Claire Sirjacobs) und Klarinette (Oliver Klenk) am Start, hat die Drostei echte Shchedrin-Spezialisten verpflichtet. Die Musiker kennen den abwechselnd in Moskau und München lebenden Komponisten persönlich und haben einige seiner Werke uraufgeführt.

Die Reihe richtet sich ausdrücklich nicht an Klassikspezialisten, sondern an jedermann. „Man braucht keinerlei Vorwissen“, sagt Moderatorin Taubenberger. „Ich konzentriere mich auf das, was jeder hören und unmittelbar nachvollziehen kann.“ Die Reihe, die sie mit wachsendem Erfolg auch in der Philharmonie Luxemburg und viermal pro Jahr im Körber-Forum in der Hafen-City moderiert, solle Spaß machen. „Man lacht, man staunt gemeinsam und entdeckt, wo auch Musiker so ihre Schwierigkeiten haben mit der Musik.“

Anders als das Hamburger Körber-Forum ist die Drostei ein relativ kleiner und geschichtsträchtiger Raum. Gerade diese intime Atmosphäre findet Taubenberger reizvoll. „Die größere räumliche Nähe kann ein Vorteil sein, für uns auf der Bühne ebenso wie für das Publikum. Ich bin gespannt, wie die Zuhörerinnen und Zuhörer reagieren.“

Im Idealfall gelinge es, in Pinneberg eine Art Community für zeitgenössische klassische Musik aufzubauen, die sich mit Neugierde, Lust am Entdecken und Vertrauen auf neue Spielformen einlasse. Auch Drosteichefin Fricke ist optimistisch, dass das Großstadt-Konzept auch im Umland funktioniert. „Ich sehe keinen Grund, warum die Menschen hier nicht genau so neugierig sein sollten“, sagt sie. „Man muss das einfach mal ausprobieren.“

Das Stück „Drei Hirten“ habe sie wegen der ungewöhnlichen Besetzung mit Oboe, Klarinette und Querflöte gereizt, sagt Martina Taubenberger. „Es ist streckenweise fast theatral und bietet viele Anhaltspunkte für ein lebendiges Gespräch“, sagt sie. „Das ist manchmal wie Kino für die Ohren. Und man weiß nie, was einen hinter der nächsten Ecke erwartet.“