Große Pläne, aber keine Verkehrslösung: Politiker und Nutzer Stefan Krüger bemängelt ÖPNV in Wedel

Wedel. Es ist stickig. Die Luft im voll besetzen Bus wirkt verbraucht. Ist sie wohl auch. Jeder zweite Bus der Linie 189, der am Blankeneser Bahnhof hält, hat eine lange Reise hinter sich. Er hat bereits als 22er die Tour von der U-Bahnstation Kellinghusen durch die halbe Hamburger Innenstadt bis zum Umschlagplatz in Blankenese gemeistert. Dieser Wagen muss einer von ihnen sein. Das schlägt einem nach dem mühsamen Einsteigen – es hatte sich schnell eine lange Schlange gebildet – geruchlich entgegen. Man sieht es aber auch an den vielen Fahrgästen, die bereits im Bus auf die Weiterfahrt gen Wedel warten.

Es ist kurz nach 17 Uhr. Rushhour. Jetzt brummt alle zehn Minuten ein vollbesetzter 189er ab Blankenese los. Theoretisch zumindest. Stephan Krüger hat andere Erfahrungen gemacht. „Das ist ein Fantasiefahrplan. Die Busse kommen durch die lange Anfahrt häufig zu spät. Manchmal stehen hier drei hintereinander“, kritisiert der Wedeler. Er schiebt sich dabei langsam voran. Ganz hinten im Bus gibt es ein paar freie Plätze. Kein einfacher Weg, denn der Bus hat schon Fahrt aufgenommen. Die Taktung ist eng. Knapp 30 Minuten soll die Fahrt von Blankenese bis zum Wedeler S-Bahnhof dauern. Krüger sitzt für die Linken in der Wedeler Ratsversammlung. Wenn er das nicht tut, arbeitet er als kaufmännischer Angestellter im Schichtdienst. Um zu seiner Arbeit in Hamburg zu kommen, nutzt der Pendler täglich den Bus. Nach einer aktuellen Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts gehört Krüger damit zu rund 5500 Berufspendlern in Wedel, die es tagtäglich gen Hansestadt zieht. Tendenz steigend. Aber im Unterschied zu Schenefeld gibt es auch einen regen Berufsverkehr Richtung Wedel – angezogen durch die hier ansässigen großen Unternehmen und die Fachhochschule im Gewerbegebiet. Ob raus aus der oder rein in die Hansestadt – laut Studie setzen wie Kröger 41,2 Prozent der Hamburger Berufspendler auf den ÖPNV. Auch hier sagen die Experten vom Weltwirtschaftsinstitut ein Wachstum voraus und drängen auf einen schnellen Ausbau.

Das ist Musik in den Ohren von Kröger. Auch er prangert bei jeder Gelegenheit die aus seiner Sicht schlechte Situation in seiner Heimatstadt an und fordert den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Ob es um den geplanten riesigen Businesspark am Tinsdaler Weg geht oder um das große Neubaugebiet, das in Wedels Norden entstehen soll – immer wieder legt Krüger den Finger in die vermeintliche Wunde. „Diese Buslinie ist stark belastet. Sie kann nicht noch ein paar Hundert Leute zusätzlich abtransportieren“, sagt Kröger mit Blick auf die Pläne am Tinsdaler Weg. Denn hier, kurz hinter der Hamburger Grenze, hält der Linienbus 189 nach etwa zehn Minuten Fahrt. Einige Mitarbeiter von Astra Zeneca steigen ein. Das ist überschaubar, noch ist Platz im Bus für ein paar mehr. Noch liegt das riesige Areal auf der anderen Seite des Tinsdaler Weges aber auch brach.

Wedel arbeitet fieberhaft an dem neuen Vorzeigeprojekt, von dem sich die Stadtvertreter viel versprechen. Unternehmen sollen sich möglichst schnell ansiedeln. Von bis zu 8000 Menschen war mal die Rede, die im Gewerbegebiet arbeiten könnten. Der nötige Bebauungsplan ist auf den Weg gebracht. Vom 27. Januar bis 28. Februar werden die beiden Entwürfe öffentlich ausgelegt. 2014 soll die Erschließung des Gewerbegebietes fertig sein. Während der Businesspark Formen annimmt, bleibt die Verkehrslösung aus Sicht von SPD, Grünen und den Linken bislang auf der Strecke. Dabei rechnen die Experten laut einem neuen Verkehrsgutachten mit bis zu 8500 zusätzlichen Fahrten, die über Industriestraße und die vielbefahrene B 431 oder den Schulauer Weg rollen werden. Die Verkehrsplaner gehen davon aus, dass 60 Prozent der Beschäftigten auf das Auto zurückgreifen. Eine Zahl, die sich bei einer Optimierung des ÖPNV-Netzes im Bereich Businesspark auf 40 Prozent senken ließe. Ihre Idee: Den 189er durch den Grenzweg gen Elbe eine Schleife drehen lassen. Das kostet allerdings Zeit, und die kostet im ÖPNV immer auch Geld. Allerdings wohl weniger als die drei vorgeschlagenen Alternativen: eine Verlängerung der Metrolinie 1, der Linie 286 oder die Einfühung einer neuen Strecke, der 187 von Blankenese bis Businesspark.

Was Kröger ärgert: Keine der Varianten wurde bislang durchgerechnet oder mit den zuständigen Busgesellschaften im HVV besprochen. „Man verlässt sich darauf, dass das irgendwie gehen wird. Dabei muss man sich vorher darüber Gedanken machen“, so Kröger. So könnte die Stadt Unternehmen, die Grundstücke im Businesspark kaufen wollen, zur Finanzierung eines Shuttles zum Bahnhof heranziehen. „Man könnte auch die Strecke an der Elbe als Radweg und Anbindung offensiv vermarkten oder Unternehmen bitten, ihre Mitarbeiter zu belohnen, wenn sie nicht mit dem Auto kommen“, so Kröger. Während er darüber nachgrübelt, wie man die neuen Wedeler Beschäftigten von umweltfreundlicheren und lärmmindernden Fortbewegungsmitteln überzeugen könnte, hat sich der Bus durch Wedel gearbeitet, 13 Mal auf Stadtgebiet gestoppt. Trotzdem ist der Bus gut gefüllt, als er am Endehaltpunkt S-Bahnhof ankommt. Dort erwartet ihn bereits eine große Traube an Menschen, die in die andere Richtung wollen.