Andrei Valan, Rumäne in Kölln-Reisiek, möchte mit Vorurteilen aufräumen

Kölln-Reisiek. Es ist nicht angenehm dieser Tage, Rumäne zu sein. Dieser Satz eines Berliner Journalisten spricht Andrei Valan aus dem Herzen. Der 32-Jährige ist Rumäne und lebt derzeit in Kölln-Reisiek. Der junge Mann gehört damit zu der Nation, deren Zuwanderer seit Beginn des Jahres in Deutschland im Mittelpunkt einer Debatte stehen, in der konservative Politiker unmittelbar vor den Europawahlen suggerieren, die Mehrheit der Rumänen und Bulgaren nutze die neue Arbeitnehmerfreizügigkeit aus. Sie reisten als Armutstouristen oder Sozialschmarotzer nach Deutschland. In Deutschland leben laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 209.000 Rumänen und 121.000 Bulgaren.

„Von einer Invasion der Armen zu sprechen, finde ich extrem verletzend“, sagt Valan. „Wir sind Europäer und leben doch mindestens in einer wirtschaftlichen Gemeinschaft zusammen.“ Er studiert seit drei Jahren Politikwissenschaften an der Universität in Hamburg und schreibt derzeit seine Masterarbeit. Nebenbei arbeitet er als Übersetzer und für eine Firma, die nach Rumänien exportiert. „Ich habe mein Studium selbst finanziert und nie Geld vom deutschen Staat genommen“, sagt er.

Die meisten Auswanderungswilligen hätten Rumänien schon lange vor der neuen Freizügigkeit verlassen, zumeist in Richtung englischsprachiges Ausland oder Italien und Spanien, gibt Valan zu bedenken. Italienisch und Griechisch ähneln der rumänischen Sprache. Mehr als eine Million Rumänen arbeiten in Italien, mehr als 900.000 in Spanien. „Der Pool an aktiven Menschen, die Rumänien verlassen und ins Ausland gehen, ist erschöpft“, sagt Valan.

Seine Großmutter war Deutsche. Seine Sprachkenntnisse vertiefte er am Goetheinstitut in Bukarest. Deswegen hat er sich für ein Studium in Deutschland entschieden. Valan bewarb sich an vier deutschen Universitäten, drei wollten ihn. Es zog ihn nach Hamburg.

„Die Wohnungssuche war das schwierigste“, sagt er. Die bereitete ihm Sodbrennen. Fünf Wochen kam er bei einem deutschen Freund unter, ehe er was eigenes fand. Die Menschen hier seien sehr hilfsbereit, so Valan. Im privaten Kreis fühle er sich respektiert und willkommen. Die einseitige Diskussion auf politischer Ebene hingegen stößt ihn ab. Die Politiker wollten sich vor den EU-Wahlen nur profilieren.

„Es wird niemandem helfen, wenn sich dieser fremdenfeindliche Diskurs ausbreitet“, sagt Valan. Er plädiert für mehr Rationalität. „Ausgrenzung bringt auf lange Sicht negative Folgen.“ Zuwanderer, die gut in die Gesellschaft integriert werden, würden den demokratischen Prozess hingegen später auch verstärken und der Gesellschaft etwas zurückgeben können. „Die Kinder von Zuwanderern, die hier Kindergärten und Schulen besuchen, sind die deutschen Bürger von morgen“, sagt er. Das Kindergeld könne auch als Investition in die Zukunft eines multikulturellen Landes verstanden werden. „Und entweder die Gesellschaft findet ihr Gleichgewicht oder es wird zu politischen Konflikten kommen, ausgelöst durch Intoleranz“, sagt Valan.

Deutschland sollte sich nicht von Europa abschotten, sagt Valan. Ohne die EU wäre es wirtschaftlich nicht lebensfähig, davon ist er überzeugt. „Ein Drittel aller Arbeitsplätze existieren nur durch Export“, sagt Valan. Fast alle Rumänen, die er in Deutschland getroffen hat, würden arbeiten. Viele müssten mit geringen Löhnen auf dem Bau oder in Hotels ihren Lebensunterhalt bestreiten. „Die Arbeitgeber sind die einzigen, die davon profitieren“, sagt Valan. Die Einführung eines Mindestlohns könnte der Ausbeutung ein Ende bereiten, glaubt Valan.

„Natürlich gibt es auch eine Kehrseite, doch die Diskussion um die Armutszuwanderung ist übertrieben“, sagt der Student. Medien würden nur Bilder von rumänischen Bettlern in den Innenstädten zeigen, aber nie über die Ärzte, Informatiker oder Ingenieure aus seinem Land berichten. Manchmal fürchte er um die Zukunft der EU. „Als Europäer sollten wir die Probleme gemeinsam lösen.“ Dazu möchte er nach dem Studium beitragen. Deswegen möchte er in einer EU-Institution arbeiten. „Ich fühle mich der solidarischen Idee, welche die Europäische Union beinhaltet, verbunden“, sagt Valan. In welchem Land, ist ihm egal. „Europa ist mein Zuhause.“