Beim Prozessauftakt vor dem Landgericht kann der Pinneberger aber nicht erklären, warum er seine Ehefrau angriff

Pinneberg/Itzehoe. Als Birol K. am Montagvormittag in Handschellen in den größten Saal des Landgerichts Itzehoe geführt wurde, würdigte er seine Noch-Ehefrau Dorota keines Blickes. Und auch die 45-Jährige schaute starr nach vorne zur Richterbank. Den Mann, der sie am 20. Juli vorigen Jahres in Pinneberg auf offener Straße erst mit Säure und dann mit einem Küchenmesser attackierte, will sie am liebsten nie wieder sehen. Warum die Beziehung des Taxifahrers und der Reinigungskraft ein derart unschönes Ende nahm, versucht nun die Schwurgerichtskammer des Landgerichts zu klären. Versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung wirft die Staatsanwaltschaft dem 54-jährigen Angeklagten vor.

„Sie beabsichtigten, durch ihr Handeln ihre Ehefrau zu töten“, so Staatsanwältin Maxi Wantzen. Sie stellte die Attacke, die sich an besagtem Sonnabend gegen 12.10 Uhr an der Richard-Köhn-Straße abspielte, als langfristig geplant dar. Birol K. habe seine getrennt von ihm lebende Ehefrau unter dem Vorwand, ein klärendes Gespräch zu führen, abgefangen. Dann habe er heimlich einen Plastikhandschuh übergestreift, aus seinem mitgeführten Rucksack eine Ein-Liter-Flasche mit 30-prozentiger Salzsäure gezogen und sie über den Körper seiner Frau entleert. Als nächstes holte Birol K. laut Anklage ein 40 Zentimeter langes Messer aus dem Rucksack und stach neun Mal auf sein Opfer ein. „Vier Stiche trafen den Bauch, drei den linken Unterarm und ein Stich den rechten Oberarm und die linke Hand“, so Wantzen.

Der 54-Jährige schaute während der Anklageverlesung starr zu Boden. „Mein Mandant leidet unter Angststörungen und Panikattacken, befindet sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung“, so Verteidiger Wolf Dieter Reinhard. Er verlas eine Erklärung, in der sich Birol K. zur Tat bekennt und seine Noch-Ehefrau um Entschuldigung bittet. „Es ist so furchtbar, was ich getan habe. Ich schäme mich so dafür, dass ich darüber kaum sprechen kann.“ Doch die aus Sicht des Gerichts wichtigste Frage, die nach dem Motiv, beantwortet die Erklärung nicht.

Auch die vielen Nachfragen der Prozessbeteiligten brachten keine Klarheit. Birol K. wiederholte monoton Sätze wie „Ich weiß es nicht“, „ich erinnere mich nicht“. Erinnern kann er sich daran, wie er fünf Tage vor der Tat in einer Apotheke die Salzsäure kaufte – angeblich, um Metall zu säubern. „Ich wollte ihr nichts antun, nur Angst einjagen.“ Er weiß auch noch, wie er die Nacht vor der Tat ziellos durch Pinneberg lief, angeblich von Angstattacken geplagt. Direkt vor dem schicksalhaften Zusammentreffen will der 54-Jährige dann einen Mix aus Wodka und Cola getrunken haben, den er sich in einer Wasserflasche zusammenmischte. Doch warum er Salzsäure und Küchenmesser in den Rucksack packte, erinnert er nicht. Ebenso wenig, dass er sich kurz nach der Tat die Pulsadern aufschnitt.

In der 2009 geschlossenen Ehe sei es zu mehreren Trennungen und anschließenden Versöhnungen gekommen. Die endgültige Trennung erfolgte im März 2013, als Birol K. seiner Frau einen Laptop ins Krankenhaus bringen sollte und darauf einen Chat von ihr mit einem Mann fand. „Ich hatte Angst, dass ich schwach werde und wieder mit ihr zusammen komme“, so der Angeklagte, der zurück zu seiner Mutter zog. Er sei in der Folge mehrfach von seiner Frau beleidigt worden und habe sich von ihr verfolgt gefühlt. Die Version von Dorota K. war eine ganz andere. Sie habe ihren Mann nach der endgültigen Trennung weder verfolgt noch beleidigt. Vielmehr sei sie von seinem Verhalten zutiefst enttäuscht gewesen. „Er brauchte mich, als ich gesund war. Aber als ich Krebs hatte, im Krankenhaus lag und seine Hilfe brauchte, hat er mich verlassen.“

Ihr Mann sei krankhaft eifersüchtig gewesen. „Einmal hat er einen anderen Mann geschlagen, nur weil er mich angesehen hat.“ Dorota K., die noch heute unter den körperlichen und seelischen Folgen der Tat leidet, berichtete außerdem, dass der Angeklagte sie mehrfach mit dem Tode bedroht hat. Einmal habe er eine Waffe mit nach Hause gebracht und sie ihr an die Backe gehalten. Ein anderes Mal habe er mit einer Metallstange die Scheiben ihres Wagens zerstört. Die Initiative für die Versöhnungen seien stets von ihm ausgegangen, so die Zeugin. „Ich habe das gemacht, weil ich Angst vor ihm hatte.“

Am Tattag habe der Angeklagte nicht angetrunken gewirkt. „Er war ganz ruhig, sagte ’Schatz, ich möchte mit dir reden’“. Als er jedoch den Handschuh überstreifte, habe sie Angst bekommen und wegzurennen versucht. Im Hinterherlaufen habe er die Flüssigkeit („Ich wusste nicht, dass es Säure war“) über sie ausgeschüttet, dann zum Messer gegriffen und zugestochen. „Plötzlich fuhr ein VW Bus zwischen mich und meinen Mann. Als die Tür aufgeschoben wurde, konnte ich mich mit letzter Kraft in den Wagen retten.“ Für die Tatzeugen reichte am ersten Prozesstag die Zeit nicht. Sie werden bei der Fortsetzung am 28. Januar gehört.