Hans-Jürgen Nestmann ist mit seinen Englischen Short Faced Tümmlern Europameister

Groß Nordende . Nomen est Omen. Wer Hans-Jürgen Nestmann trifft, dürfte sich kaum über sein Hobby wundern. Der 62-Jährige aus Groß Nordende züchtet Tauben. 250 Englische Short Faced Tümmler, Kalotten, Wiener Ganseln und seltene Hamburger Farbenschwänze gurren in den Volieren hinter seinem Haus. „Ich kenne jede persönlich, weiß, wo sie herkommt, wer die Mutter ist“, sagt Nestmann.

Begonnen hatte alles 1963. „Mein Vater nahm mich als Zwölfjährigen auf eine Taubenausstellung mit“, sagt Nestmann mit sächsischem Dialekt. Er kommt aus dem Erzgebirge, eines der Hochburgen der Taubenzucht. „Bei einer Tombola gewann ich zwei Brieftauben.“ Sein Vater baute ihm einen Verschlag. Eines Tages machten sich die Vögel aus dem Staub. Der Junge war untröstlich und sein Vater schenkte ihm neue Tauben. Seit 1965 ist Nestmann im Verein. Als Erster Vorsitzender führt er die Rassetaubenzüchter Elmshorn an. Mit 20 Mitgliedern zählt der Verein zu den größeren in Schleswig-Holstein.

Für sein Hobby legte er als Jugendlicher einmal 40 Kilometer mit dem Rad zurück. „Ich hatte in der Zeitung eine Annonce gelesen, in der Tauben zum Verkauf standen“, sagt Nestmann. Der Züchter war wohl so beeindruckt vom Eifer des jungen Mannes, dass er ihm vier Deutsche Nönnchen schenkte. Die Tauben im Einkaufsbeutel – er hatte keine Kiste – radelte Nestmann glücklich 40 Kilometer zurück nach Hause.

Weltweit gibt es nur zwei Züchter für Hamburger Farbenschwänze. Einer davon ist Nestmann. Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf den Englischen Short Faced Tümmlern. Mit ihnen wurde er 2012 in Leipzig Europameister und am 4. Januar 2014 von den „British Show Tumbler Society Members“ mit dem „Breeders Award“ ausgezeichnet.

Außer Weißköpfchen züchtet er Tümmler mit der Färbung Almond. Nach jeder Mauser ist deren mandelgelbes Gefieder mehr mit schwarzen Spritzern durchsetzt. Schwingen und Schwanz sollen weiße und schwarze Flecken auf gelbem Grund aufweisen. Im Idealfall sind alle Federn dreifarbig. Die Zucht gilt als schwierig. Umso glücklicher macht ihr Anblick.

„Die Täuber sind keck und stolzieren wie kleine Prinzen durch den Schlag“, sagt Nestmann. „Ich bin auch dabei, die schwarz-rot-gelben Bärtchen wieder zu erzüchten.“ Diese tragen einen sichelförmigen weißen Fleck unterm Schnabel. Es gab sie nur noch in Australien.

Zweimal am Tag füttert Nestmann die Flugtauben mit einem selbst zubereiteten Brei aus Hagebutte, Ringelblume, Brennnessel und Dorschlebertran. Manchmal gibt es auch Rote Bete, Zwiebeln, Möhren und Knoblauch. „Noch vor 20 Jahren konnten Züchter ihre Tauben frei fliegen lassen“, sagt Nestmann. „Da haben sie sich alles, was sie brauchten, in der Natur gesucht.“ Heute hat sich um das Futter eine Industrie gebildet. Nestmann rührt lieber seinen eigenen Brei, auch wenn er belächelt wird. Er ist überzeugt, dass der ausgewogene Futterplan die Tiere fit hält.

„Die Taubenzucht ist zu einer Wissenschaft geworden“, sagt er. Rückschläge kenne jeder Züchter. Einem Freund aus Holland seien innerhalb von zwei Tagen 90 Tiere gestorben, weil sie sich auf einer Schau mit einem Keim angesteckt hatten. Es gebe Dinge, die habe man nicht in der Hand, sagt Nestmann. Ein Beispiel: „Bei starkem Ostwind haben die Tauben keine Lust, sich zu paaren.“

Rund vier Stunden am Tag verbringt der Rentner bei seinen Tauben. „Mich entspannt das“, sagt der Sachse, der 1999 in den Norden zog. Als er noch Gewerkschaftssekretär der IG Metall in Elmshorn war, hat er im Jahr nur 30 bis 50 Jungtiere gezogen. Seine Frau Elli half, die Tiere zu versorgen. „Ohne einen Partner, der das zeitintensive Hobby unterstützt, wäre es nicht machbar“, sagt Nestmann, der im vergangenen Jahr 170 Täubchen aufzog.

Seine Frau hilft auch, wenn zwischen November und Februar die Taubenschauen anstehen. Das sei die schlimmste Zeit, sagt sie. Die Tauben müssen gewaschen und gefönt, gebracht und abgeholt werden. Die Nächte verbringen die Nestmanns oft in Hotels. Das kostet. „Aber es ist ja auch ein Hobby und kein zweites Einkommen“, sagt Hans-Jürgen Nestmann. Dabei bringt eine Taube mit Prädikat „vorzüglich“ 200 bis 300 Euro ein. „Das Tier ist mir aber mehr wert als das Geld.“ Er gibt seine Tiere nur an echte Züchterfreunde weiter, dann jedoch geschenkt. Die kommen aus Australien, Ungarn, Österreich, Polen oder den USA.

Im vergangenen Jahr hatten die Nestmanns Besuch aus dem Königreich Bahrain. Ob es ein Scheich war, können sie nicht sicher sagen. So reich wie einer war er allemal. Der Taubenfreund hielt sich wegen einer Operation mit Frau und vier Kindern länger in Hamburg auf. Als er sich Nestmanns Zucht ansah, erzählte er von seinen drei klimatisierten Häusern – eines für sich, eines für seine Kinder und eines für seine Tauben. Er war von den außergewöhnlichen Tümmlern so angetan, dass er die Nestmanns nach Bahrain einlud. Er könnte ein guter Freund werden, wenn Nestmanns These stimmt: „Wer gut zu Tieren ist, ist auch gut zu Menschen.“

Die Rassetaubenzüchter von Elmshorn und Umgebung stellen ihre Tauben am kommenden Wochenende, 18. Januar, 15 bis 18 Uhr, und 19. Januar, 8 bis 15 Uhr, in der Mehrzweckhalle, Heidkamp 33, in Kölln-Reisiek den Preisrichtern vor. Bürgermeisterin Karin Röder eröffnet die Schau offiziell am Sonntag um 10 Uhr und wird aus einer Auswahl der schönsten Tiere einen Sieger auslosen.