Am 17. Januar jazzt ECHO-Preisträger Giovanni Weiss beim Barmstedter Kulturverein Pfiff im Humburg-Haus

Barmstedt. Wenn aus vier renommierten Posaunisten freche Spaßmusiker werden, die Ravels Klassik-Welthit „Boléro“ kurzerhand auf der Vuvuzela tröten, und das zu nachtschlafender Zeit mitten in Barmstedt, dann ist vermutlich Rolf Klose nicht weit. Als Initiator und Vorsitzender des 2005 gegründeten Kulturvereins Pfiff holt der ehemalige Schulleiter und langjährige SPD-Stadtrat gemeinsam mit seinen Mitstreitern namhafte Musiker, Schriftsteller und Kabarettisten aus der ganzen Republik in die Kleinstadt am Rantzauer See.

Zum Start ins Pfiff-Jahr 2014 gastiert ein frisch gebackener ECHO-Preisträger im historischen Humburg-Haus an der Chemnitzstraße 10. Giovanni Weiss räumte die begehrte Trophäe 2013 in der Kategorie Jazz mit dem Album „Wilhelmsburg“ ab, das er mit seiner Band Django Deluxe eingespielt hatte. Am Freitag, 17. Januar, spielt das Quartett, das den traditionellen Gypsy-Swing von Django Reinhardt mit modernen Formen des Jazz kombiniert, dort von 20 Uhr an. Karten gibt es zu je 15 Euro im Vorverkauf beispielsweise in der Barmstedter Buchhandlung Lenz, Reichenstraße 6. An der Abendkasse kostet der Eintritt 17 Euro pro Person.

Über die Sache mit der Vuvuzela, seit der Fußball-WM 2010 in Südafrika als ultimative Nervensäge unter den Tröten berühmt, schmunzelt Klose bis heute. „Wir haben damals nach dem Konzert noch mit den Musikern zusammengesessen und geklönt. Plötzlich zwinkern die vier sich zu, holen die Vuvuzelas raus und legen los“, sagt er. „Wir haben schnell alle Fenster zu gemacht, war ja schließlich fast Mitternacht.“ Hinter dem spielfreudigen Quartett steckten vier Posaunisten des Leipziger Gewandhausorchesters, die gelegentlich als Formation Opus 4 auftreten. „Das war irre komisch.“

Liederjan, Jazzlegende Herb Geller, Kolumnist Harry Rowohlt, der niederdeutsche Kultautor Matthias Stührwohldt, Spottdrossel Kerim Pamuk – alle standen sie schon auf der Bühne des historischen Humburg-Hauses an der Chemnitzstraße 10. Der ehemalige Bauernhof im Stadtkern hat sich zu einem Mekka anspruchsvoller Kleinkunst gemausert. Nach etwas mühsamen Anfängen verkaufen sich die jeweils etwa 100 Karten heute wie geschnitten Brot. Selbst bei so sperrigen Themen wie polnischem Jazz kamen 80 Besucher. „Ganz normale Bürger waren das, und sie reagierten total begeistert“, sagt der Pfiff-Chef.

In Situationen wie diesen weiß er, dass die Mühe sich gelohnt hat. „Dass die Menschen einfach aus Neugier kommen, selbst wenn sie das Thema des Abends eigentlich nicht besonders interessiert, dass wir den Menschen vor Ort einfach gut gemachte Kultur anbieten können und die auch angenommen wird – das erfüllt uns mit Stolz und Freude.“ Zumal die Kulturaktivisten dieses Angebot fast aus dem Nichts heraus geschaffen haben. „Die Konstellation war einfach günstig“, sagt Klose. In Sachen anspruchsvolle Kleinkunst habe eine große Lücke in der Stadt gegähnt, viele Bürger seien offen für Neues gewesen. Gleichzeitig hätten Politiker und Verwaltung seine Anstrengungen bereitwillig unterstützt, und zwar fraktionsübergreifend.

„Kulturpolitik hat mich schon lange interessiert, und ich habe immer gern etwas für andere organisiert“, sagt der Vereinschef über seine Motivation, der Kleinkunst einfach mal ein Zuhause in seiner Heimatstadt zu schaffen.

So richtig gezündet habe die Idee im Februar 2005. Als er beim Einkaufen mit seiner Frau Rosi einen begnadeten Saxofonisten hörte, fragte er spontan den Buchhändler Andreas Lenz, ob der ihm helfen würde, solche Veranstaltungen für die Bürger zu organisieren. Lenz, heute stellvertretender Pfiff-Vorsitzender, sagte zu. Und wirbelte los: er gestaltet zum Beispiel die Flyer, Plakate und die Website des Vereins. Überhaupt – das Team, der Rückhalt der Arbeit. Ein harter Kern von etwa 15 Mitgliedern baut bei Konzerten das Gestühl, Bühne und Tisch auf und ab, versorgt Künstler und Publikum mit Speisen und Getränken, kümmert sich um die Logistik. „So etwas funktioniert nur mit den richtigen Leuten, das ist kein Ein-Mann-Projekt“, sagt Klose.

Weitere Helfer sind willkommen. „Wir brauchen dringend mehr Manpower, das Team kommt allmählich in die Jahre.“ Mindestens ebenso dringend wünschen die Pfiff-Aktiven sich den Bau eines barrierefreien Zugangs zum ebenerdigen Humburg-Saal, damit auch Zuschauer mit Handicap selbstständig ins Haus kommen.

Wie finden Klose und Co. die passenden Künstler für ihr Programm? „Man muss viel unterwegs sein, viel hören, viel sehen“, sagt Klose. Im Elbphilharmonie-Café am Hamburger Mönckebrunnen oder im Norderstedter „Market Place“ zum Beispiel. Die Kabarettistin Simone Solga, die sie für den kommenden Oktober verpflichtet haben, sahen die Kloses live im Berliner Theater „Die Wühlmäuse“. Klose schätzt den Facettenreichtum und die sehr politische Art von Solgas Kabarettkunst. „Ich habe sie dann einfach angerufen und gefragt, ob sie nach Barmstedt kommen würde.“

Zu den tragenden Säulen des Programms zählt der Barmstedter Jazzpianist und Kulturpreisträger des Kreises Pinneberg Rainer Schnelle. „Er ist für uns Türöffner und Lackmuspapier“, sagt Klose. „Wir freuen uns sehr, dass wir ihn vor Ort haben.“ Als Musiker, der regelmäßig im Hamburger Kieztheater „Schmidt’s Tivoli“ spielt und in der norddeutschen Musikszene gut vernetzt ist, stiftet Schnelle viele Kontakte zu echten Schwergewichten des Genres. Und er hat ein zuverlässiges Ohr für Qualität.

Das Ehepaar Klose zeigt auch nach acht Jahren an der Kulturfront keine Ermüdungserscheinungen, im Gegenteil: „Das macht so viel Spaß, wir lernen völlig neue Leute und andere Lebensentwürfe kennen. Das Engagement für Pfiff ist für uns ein enormer Zuwachs an Lebensqualität.“