Kaum sind die Feiertage vorbei, will sie keiner mehr sehen: Das Schicksal von Schoko-Figuren und anderen weihnachtlichen Naschereien

Eine angebrochene Tüte Spekulatius, die ganz billigen für 99 Cent die 600 Gramm-Packung, ein sehr großer, sehr hübsch verzierter Weihnachtsmann in Zartbitter ohne Kopf, eine noch verschlossene Monsterpackung Lebkuchen mit Schokoüberzug und eine halb geleerte Dose mit Selbstgebackenem von Mutti – Inventur in der Küche Anfang Januar. Bis auf den Spekulatius, den ich am liebsten ganzjährig in meinen Milchkaffee tunken möchte, kann ich diesen Jahresend-Süßigkeitenwahnsinn jetzt nicht mehr ertragen. Alles muss raus, aber so was von. Tut mir leid, Mutti.

„Aber im Supermarkt stehen noch Nikoläuse, und Lebkuchen, und Schoko-Weihnachtsbäume. Was geschieht denn jetzt mit denen, wenn die keiner mehr will?“ Meine Tochter steht ehrlich besorgt mit einem Lebkuchen im Türrahmen ihres Kinderzimmers, in dem immer noch der leer geplünderte Adventskalender (handgemacht) hinter der Türe hängt. Sie ist immer noch im Feiertagsmodus, irgendwie.

Ich könnte jetzt sagen: Wird alles eingeschmolzen und zu Osterhasen neu gepresst. Hat man mir in dem Alter auch aufgebunden, den (Schoko-)Bären. Ich will meine Tochter aber nicht belügen. Also frage ich Leute, die sich mit dem Schicksal von Schoko-Klaus und Co. auskennen. Zum Beispiel Wiebold in Elmshorn.

Die haben doch immer diese leckeren Adventskalender mit den Trüffel-Pralinen drin. Die waren allerdings schon Ende November restlos ausverkauft, wie Geschäftsführerin Sarah Wiebold mitteilt. Seit Ende August wurden die Kalender und die anderen Produkte der Reihe „Zauberhafte Weihnachten“ produziert, beispielsweise die Trüffelsterne in weihnachtlichen Geschmacksrichtungen wie Lebkuchen oder Glühwein.

Überhänge gibt es laut Sarah Wiebold kaum. „Unser Anspruch ist es immer, möglichst punktgenau zu produzieren. Als Familienunternehmen legen wir großen Wert auf die Schonung aller Ressourcen und versuchen mit einer möglichst genauen Planung Überhänge zu vermeiden.“ Sollte doch einmal etwas übrig sein, werden die gemeinnützigen Tafeln mit einer Produktspende unterstützt.

„Traditionell bekommt auch jeder Mitarbeiter zu Weihnachten ein Pralinenpaket geschenkt, das er dann mit Freunden und Familien teilen kann“, sagt Sarah Wiebold. Die Geschäftsführerin ist gedanklich längt mit dem Ostergeschäft befasst, dessen Produktion bereits Ende Januar beginnt.

Denn eben Arko mit seinem Riesenwerk in Wahlstedt im Kreis Segeberg. Die setzen doch Unmengen von Weihnachtsmännern, Engeln und was weiß ich noch für Schokoladen-Männchen in die vorweihnachtliche Welt. Torsten Teufert ist der Herr im zucker-süßen Arko-Reich. Und er sagt, das Schicksal der Weihnachtsware kenne zwei Prozesse. Erstens: „Unsere Filialen bieten die Ware nach den Feiertagen zu reduzierten Preisen an. Sie glauben gar nicht, wie vielen Leuten das ganz egal ist, welche Form die Schokolade hat – Hauptsache es ist Schokolade.“ Haltbar sei so ein Schoko-Klaus auch mindestens bis Ostern. „Nur wenn Schokolade schmilzt, ist es mit der Haltbarkeit vorbei“, sagt Teufert. Merke: Schwerter zu Pflugscharen geht, Weihnachtsmänner zu Osterhasen nicht.

Weihnachtsmänner werden einen Monat vor Ostern bestellt

Zweiter Prozess: „Wenn wir Restanten im Werk haben, die nicht abverkauft wurden, dann verschenken wir die an die Tafeln“, sagt Teufert. Sprich: Die Bedürftigen futtern alles weg, was nach Weihnachten nicht über den Ladentisch gegangen ist.

Teufert betont, dass heute so gut wie gar nichts mehr im Müll lande. Auch nicht in den Geschäften und Supermärkten, die von Arko beliefert werden. Dort werde ganz exakt kalkuliert. Der Elmshorner Jan Hayunga, der diverse Edeka-Filialen unter anderem in seiner Heimatstadt betreibt, kann das bestätigen. „Das Thema überrascht uns ja nicht gerade jedes Jahr.“

Hayunga sagt, immer einen Monat vor Ostern müsse er bei den Herstellern die Weihnachtsmänner ordern und einen Monat vor Weihnachten die Osterhasen. „Und wenn ich zu wenig ordere und sich die Kunden beschweren, dass ihre Lieblingsmarke aus ist, dann bin ich ein schlechter Kaufmann. Wenn ich zu viel ordere bin ich es aber auch.“ Beim Abverkauf spielt laut dem erfahrenen Kaufmann das Wetter eine Rolle. Regen bringt weniger, Schnee mehr Nasch-Umsatz. Und wenn dann am 24. Dezember nach Geschäftsschluss noch weihnachtliche Schoko- oder Backware im Regel schlummert, dann gibt es für Jan Hayunga nur einen der von Torsten Teufert genannten Prozesse: verschenken. „Ich finde das ganz traurig, wenn nach den Weihnachtsfeiertagen um 50 Prozent reduzierte Schoko-Weihnachtsmänner in den Geschäften stehen. Diesen Graus wollen wir unseren Kunden nicht zumuten.“

Hayunga lässt übrig gebliebene Ware vom DRK abholen und verteilen

Wenn der letzte Kunde sich an Weihnachten unter den Baum verabschiedet, kommt bei Hayunga das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und holt die komplette Rest-Ware ab, um sie an Altenheime, Bedürftige, Kindertagesstätten oder andere soziale Einrichtungen zu verteilen. „So machen wir das übrigens auch an Ostern. Die Kunden haben die Saisonware aus den Augen, und wir haben mit den Resten noch was Gutes getan“, sagt Hayunga. Das alles sind gute Nachrichten für meine Tochter. Eine schönere Verwendung für übrig gebliebene Weihnachtsmänner kann auch sie sich nicht vorstellen.

So, und nun ist gut mit dem Weihnachtszinnober. „Du kannst den angeknabberten Weihnachtsmann jetzt essen, wenn du jetzt gleich deinen Adventskalender abräumst und mir hilfst, den abgeschmückten Weihnachtsbaum vom Balkon zu schmeißen“, besteche ich sie. Der Deal steht – und wir sind bereit für Ostern.