Vier Adventssonntage, vier Perspektiven: Im dritten Teil unserer Serie erzählt Familie Hoppe aus Uetersen, warum sie ohne Tannenbaum feiert

Uetersen. Bei Familie Hoppe in Uetersen wird gern und gut gegessen. Deshalb ist auf der reich gedeckten Tafel kein Platz mehr für den Adventskranz vom Abendblatt. Zwischen Borschtsch, selbst gebackenen Quarkbällchen und Kringeln sowie aufgerollten Mini-Pfannkuchen, die mit Champignons und Kaviar gefüllt sind, steht ein reich verzierter Samowar im Mittelpunkt. Außer Tee aus dem traditionellen Zubereitungsgerät werden auch kleine Gläser für einen Schluck Rotwein bereitgehalten.

Der Adventskranz findet schließlich auf dem Couchtisch ein Quartier. Der Kerzenschmuck der Abendblatt-Regionalausgabe wird zu jedem Adventssonntag weitergereicht. In unserer kleinen Serie berichten Familien und Gruppen, wie sie Weihnachten etwas anders feiern als die meisten Menschen hierzulande.

Bei Familie Hoppe, zu der Mutter Elena, 34, Vater Max, 35, sowie die Kinder Isabel, 10, und Theodor, 13, gehören, ist der Unterschied, abgesehen von den speziellen russischen Gaumenfreuden, gar nicht so groß. Doch das war nicht immer so. Denn Max und Elena Hoppe sind deutsche Aussiedler, die zuvor in Sibirien lebten. Beide haben deutsche Eltern und Großeltern, sie wuchsen in Omsk und in Nowosibirsk auf. „Dann haben wir uns kennengelernt, geheiratet und die Einladung der Bundesregierung angenommen. 2001 sind wir mit dem kleinen Theodor nach Deutschland gekommen“, berichtet Max Hoppe im Schein der drei leuchtenden Kerzen.

„In Russland haben wir Heiligabend nur ganz heimlich gefeiert“, erzählt seine Frau. Ansonsten passten sie sich der russischen Tradition an. Geschenke gab es – wie dort üblich – erst am Silvestertag. Das christliche Weihnachtsfest wird von der russisch-orthodoxen Kirche erst im Januar begangen. Doch damit hatten die Hoppes als Angehörige der evangelisch-lutherischen Kirche nichts im Sinn.

Um so schneller gewöhnte sich die junge Familie, inzwischen mit Tochter Isabel als Nesthäkchen, in Uetersen ein und übernahm die deutschen Weihnachtsbräuche. Schon der Einfluss der anderen Kinder im Kindergarten und später in der Schule spielte dabei eine Rolle. „Unsere Kinder gingen in eine katholische Kita, weil es woanders keinen Platz gab“, sagt Max Hoppe und scherzt: „Die katholische Minderheit dort haben wir toleriert.“

Heiligabend ist die Drei-Zimmer-Wohnung der Hoppes immer das Zentrum eines großen Familientreffens. Zur Bescherung am Nachmittag kommen die Eltern, Cousinen und weitere Verwandte. Alle leben inzwischen im Kreis Pinneberg. „Zuerst gibt es die Geschenke. Weil die Kinder sonst sehr drauf warten", sagt Elena Hoppe. Geschenkt werden meistens praktische Sachen, die Freude machen. Dann folgt das Festessen mit Entenbraten, Sauerkraut und Rotkohl. Und die vielen süßen selbst gemachten Backwaren, die die Familie so liebt, dürfen natürlich auch nicht fehlen.

„Meistens feiern und erzählen wir bis in die Abendstunden”, sagt Elena Hoppe. Einen Weihnachtsbaum haben sie allerdings nicht – es fehlt der Platz bei all dem Besuch. Doch es gibt einen Adventskranz, und die ganze Wohnung wird liebevoll mit Tannenschmuck dekoriert. Ein Kirchenbesuch steht auch nicht auf dem Programm. „Wir sind nicht sehr religiös", sagt Max Hoppe. Stattdessen gehören auch die beiden Weihnachtsfeiertage der Familie.

In Uetersen fühlen sich die Hoppes so wohl, dass sie gar nicht mehr woanders hin möchten. „Wir wollten als Deutsche in Deutschland leben", fasst der Familienvater die Motivation für den Abschied aus Russland zusammen. Druck sei auf sie nicht ausgeübt worden. Auch die Religion habe dabei keine Rolle gespielt. Allerdings musste vor allem Max Hoppe in seiner russischen Heimat hin und wieder mit Anfeindungen leben. „Da wurde man schon mal als deutscher Faschist beschimpft.“

Der Familienvater war in Russland als Ermittler bei der Kriminalpolizei tätig. In Deutschland absolvierte er zunächst eine Ausbildung zur Fachkraft im Schutz- und Sicherheitsdienst und ist inzwischen am Hamburger Flughafen als Teamleiter in der Personen- und Warenkontrolle tätig. Elena Hoppe arbeitete in Russland als Betreuerin in einem Kindergarten. Jetzt hat sie einen Job als Floristin in einem Tornescher Blumengeschäft. Außerdem arbeitet sie als selbstständige Schneiderin.

Auch das ehrenamtliche Engagement der Familie zeigt, dass sie sich in ihrer neuen Heimat integriert haben. Max Hoppe hat als erfolgreicher Karatekämpfer den Verein Koshiki Karate in Pinneberg gegründet. Auch seine Ehefrau und die Kinder sind im Karatesport aktiv. Im Flur der Wohnung stapeln sich Pokale und Ehrenurkunden.

Elena Hoppe kocht begeistert deutsch, russisch, asiatisch und italienisch. Außerdem tanzt sie gern und hat sich seit einem Aufenthalt in Indien auf indische Tänze spezialisiert. In Uetersen hat Elena Hoppe den Verein Verborgene Talente gegründet. Dort bringt sie vor allem russischsprachigen Menschen aus der Region mit Unterstützung ihrer Cousinen Theaterspiel, Sketche, Tanz und Gesang bei.

Aktiv ist die ganze Familie außerdem im Verein Kreniza, was auf deutsch Quelle heißt. Gemeinsam mit anderen Künstlern veranstalten sie an diesem Sonnabend, 14. Dezember, in Uetersen ein großes russisches Weihnachtsprogramm mit Väterchen Frost und den Schneemädchen. Die Festdarbietung in der Kleinen Stadthalle beginnt um 19Uhr. Elena Hoppe hat mit den Darstellern die Choreografie einstudiert und fertigte auch die Kostüme an.

Kein Wunder, dass bei soviel geballter Aktivität Familie Hoppe nicht komplett auf das Bild fürs Abendblatt zu bekommen war. Sohn Theodor musste dringend zum Training.